Streifunfälle auf schmalen Fahrstreifen wegen Baustellen

Die linke Fahrspur in den Durchfahrten der Autobahnbaustellen haben es in sich. 2 oder 2,1 m breit – da hat schon mancher Autofahrer beklemmende Momente durchlitten, wenn der rechts fahrende LKW dem eigenen Fahrzeug bedrohlich nahe kam - erst recht, wenn er dann wirklich touchiert wurde.

Spätestens dann fragt sich der Autofahrer, wer haftet für Schaden, wenn es zum Karosseriekontakt der Fahrzeuge kommt? Wie soll man beweisen, welches der beiden Fahrzeuge nicht spurtreu war und auf die Nachbarspur geraten ist.

Nicht spurtreu gewesen?

Über diese Frage hatte das OLG Oldenburg zu befinden. Ein niederländischer LKW mit Anhänger befuhr die rechte Fahrspur, ein PKW-Fahrer wollte auf dem recht schmalen linken Fahrstreifen überholen. Schon vor dem Überholvorgang hatte er bemerkt, dass der LKW seine Fahrspur zumindest einmal nicht sauber eingehalten hatte.

Während des Überholvorgangs kam es dann zur seitlichen Berührung beider Fahrzeuge. Sachschaden am PKW: 5.000 EUR. Beide Fahrzeugführer behaupteten, der jeweils andere habe seine Fahrspur nicht sauber eingehalten. Zeugen waren nicht vorhanden.

LG weist Klage ab

Das zuständige LG wies die Klage des PKW-Besitzers auf Schadenersatz ab. Dem Kläger sei es nicht gelungen, ein Verschulden des LKW-Fahrers nachzuweisen. Demgegenüber habe der PKW-Fahrer schon vor dem Überholvorgang Zweifel daran haben müssen, dass ein gefahrloses Überholen möglich sein würde. Immerhin habe der Fahrer zumindest einmal ein Überfahren des Trennstreifens durch den Lkw bemerkt. Unter diesen Umständen hätte nach Meinung des LG ein sorgfältiger Autofahrer auf ein Überholen verzichtet.

OLG: Überholen war erlaubt

Das OLG teilte diese Sichtweise des LG nicht. Immerhin habe ein spezieller Fahrstreifen zum Überholen zur Verfügung gestanden. Unter diesen Umständen sei ein Überholen grundsätzlich erlaubt. Der Überholende dürfe darauf vertrauen, dass das zu überholende Fahrzeug sauber in der Spur bleiben würde. Auch die vor dem Überholvorgang gemachte Beobachtung der Fahrspurüberschreitung durch den Lkw  begründe keine gesteigerte Sorgfaltspflicht des PKW-Fahrers, vielmehr habe dieser während des Überholvorgangs nicht mit einem Überfahren der Trennlinie durch den LKW rechnen müssen.

Keine Verschuldensvermutung wegen vorangegangenen Fahrfehlers

Nach Auffassung des OLG hatten allerdings beide Seiten ein Beweisproblem. So habe der PKW-Fahrer nicht beweisen können, dass der LKW während des Überholvorgangs die für ihn bestimmte Fahrspur nicht eingehalten habe. Auch die zuvor beobachtete Schwankung des LKW begründe kein Indiz dafür, dass der LKW durch Überfahren der Trennlinie während des Überholvorgangs den Streifschaden verschuldet habe.

Halbe - Halbe

Angesichts dieser Situation kam nach Auffassung des BGH nach den Grundsätzen der beiderseitigen Betriebsgefahr daher nur eine hälftige Teilung des Schadens in Betracht, so dass die Versicherung des LKW die Hälfte des eingeklagten Schadens übernehmen musste. Auf der anderen Schadenshälfte blieb der Eigentümer des PKW sitzen.

(OLG Oldenburg, Urteil v. 11.05.2013, 6 U 64/12). 

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