Sicht verstellt: Autofahrer vereitelt Geschwindigkeitsüberwachung

Nicht jeder hat viel Verständnis für Geschwindigkeitskontrollen, das hat auch der Blitzmarathon am 10.10. gezeigt. Mancher setzt sich gar aktiv zur Wehr. So stellte sich die Frage: Macht ein Straßenverkehrsteilnehmer sich strafbar, wenn er sein Fahrzeug so vor einer Geschwindigkeitsüberwachungsanlage parkt, dass die bezweckte Geschwindigkeitskontrolle nicht mehr möglich ist?

Diese Frage beschäftigte deutsche Gerichte bis hin zum BGH. In der Stadt Waldkirch führte ein städtischer Messbeamter am Morgen des 1. Juni 2011 eine Geschwindigkeitsüberwachung durch. Dabei wurde der Führer eines Kastenwagens mit überhöhter Geschwindigkeit gemessen. Als er den Blitz bemerkt hatte, ärgerte der Fahrer sich dermaßen, dass er anschließend seinen Kastenwagen unmittelbar vor dem Sensor der Messanlage parkte, in der offenkundigen Absicht, dem Beamten die Durchführung weiterer Geschwindigkeitsmessungen unmöglich zu machen. Dem Messbeamten gelang es nicht, den Autofahrer dazu zu bringen, sein Fahrzeug wegzufahren. Als er das Abschleppen des Fahrzeugs ankündigte, fuhr der Betroffene sein Fahrzeug weg und setzte anschließend einen Traktor mit einem Zweiachsenanhänger so vor die Anlage, dass keine Messvorgänge mehr möglich waren. Er senkte den Frontlader des Fahrzeugs ab, so dass auch ein Abschleppen wirksam verhindert wurde. Erst als ein Polizeibeamter hinzukam, fuhr der Betroffene nach über einer Stunde den Traktor wieder weg.

Erstinstanzliche Verurteilung wegen Nötigung

Der anschließend mit der Sache befasste Strafrichter sah in dem Verhalten des Autofahrers eine rechtswidrige Nötigung. Die Behinderung der Geschwindigkeitsmessung durch den geparkten Traktor stelle eine verwerfliche Gewaltanwendung gegenüber dem Messbeamten dar. Das AG verurteilte den Autofahrer zu einer Geldstrafe. Hiergegen legte der Autofahrer Sprungrevision beim OLG ein.

Provinzposse führt zu tiefschürfenden Auslegungsfragen

Das zuständige OLG Karlsruhe hatte Probleme mit dem Nötigungstatbestand und sah in dem Zuparken der Messanlage an einer Stelle, an der Parken grundsätzlich erlaubt war, keine Gewaltanwendung im Sinne des Nötigungstatbestandes.

  • Das OLG wollte den Angeklagten statt dessen wegen des Tatbestandes der Störung öffentlicher Betriebe gemäß § 316 b Abs. 1 Nr. 3 StGB verurteilen.

  • Durch das Zuparken hatte der Angeklagte nach Auffassung des OLG die der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienende Messanlage für 1 Stunde unbrauchbar gemacht und damit diesen Straftatbestand verwirklicht.

  • Das OLG sah sich allerdings an einer Verurteilung gehindert, weil das OLG Stuttgart in einer früheren Entscheidung  eine Geschwindigkeitsmessanlage nicht als eigenständige öffentliche Anlage, sondern als „unselbständiges Glied in der Kette betrieblicher Vorgänge zur Ermittlung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten“ gesehen hatte (OLG Stuttgart, Urteil v. 03.03.1997, 2 Ss 59/97).

Aus diesem Grunde legte das OLG diese „Rechtsfrage“ dem BGH zur Entscheidung vor.

BGH rügt fehlerhafte Rechtsauslegung

Der BGH sah den Vorlagebeschluss des OLG als völlig verfehlt an. Nach Auffassung des BGH setzt der Tatbestand der Unbrauchbarmachung einer öffentlichen Einrichtung einer Einwirkung auf die Sachsubstanz voraus, die hier nicht gegeben sei. Durch das Zuparken der Anlage habe der Angeklagte in keiner Weise auf die Anlage als solche eingewirkt. Er habe lediglich die Absendung des Laser- bzw. Radarstrahls unterbunden, so dass die Messanlage für einen kurzen Zeitraum nicht mehr ordnungsgemäß hätte eingesetzt werden können. Die Messanlage sei damit aber nicht als solche unbrauchbar geworden.

Vorlegungsbeschluss völlig verfehlt

Unabhängig von dieser rechtlich unzutreffenden Subsumtion des OLG ist nach Auffassung des Senats die Vorlegungsfrage wegen der unbestimmten Formulierung „Geschwindigkeitsmessanlage“ einer Vorlageentscheidung aber auch nicht zugänglich. Das OLG habe nicht klargestellt, ob es sich um eine ortsfeste Anlage, eine mobile Geschwindigkeitsmessanlage oder ein fest aufgebautes Blitzgerät handle. Der Sachverhalt lege nahe, dass möglicherweise durch ein leichtes Versetzen des Messgeräts die Geschwindigkeitsmessung wieder hätte durchgeführt werden können. Die Vorlage sei daher von der Sachverhaltsseite her viel zu unbestimmt und daher insgesamt unzulässig. Der BGH hat die Sache an das hierüber wohl wenig erfreute OLG zurückverwiesen. 

(BGH, Beschluss v. 15.05.2013, 1 StR 469).