Radlerin stürzt über eine Straßenbahnschiene auf einem Radweg

Eine Radfahrerin geriet auf einem Fuß- und Radweg mit dem Vorderrad in die Rille einer Bahnschiene, stürzte und erlitt ein schweres Schädelhirntrauma. Das Gericht sah keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht: Auch auf Radwegen könnten sich Radfahrer nicht darauf verlassen, dass es keine Hindernisse gibt.

Auf einem Fuß- und Radweg des ehemaligen Betriebsgeländes der Zeche Zollverein, einem Museum und Industriedenkmal, geriet eine Radlerin mit dem Vorderrad in die Rille einer Bahnschiene und stürzt. Sie fiel auf den Kopf und zog sich ein schweres Schädelhirntrauma zu, das operativ versorgt werden muss.

Fahrverhalten war nicht anpasst

Von der für die Zeche verantwortliche Stiftung verlangt die Frau materiellen Schadensersatz in Höhe von 9.000 Euro und zudem 5.000 Euro Schmerzensgeld wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Das OLG Hamm wies die Klage ab. Die Frau sei an einer Stelle gestürzt, so das Gericht, die als Gefahrenquelle offensichtlich gewesen sei.

Augen auf auf Radwegen:

In der Entscheidung fasste das Gericht die Grundsätze und Vorsichtsmaßnahmen zusammen, die Radfahrer auf Radwege zu beachten haben.

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  • Radler müssen die gegebenen Verhältnisse so hinnehmen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten und ihr Fahrverhalten entsprechend anpassen
  • Mit typischen Gefahrenquellen, wie etwa Unebenheiten oder bereits aus der Entfernung sichtbaren Straßenaufbrüchen müssen Radler ebenfalls rechnen
  • Gerade im Bereich von Schienen oder in Fahrbahnen eingelassenen Gleisen gehört es zu den naheliegenden Gefahren, mit dem Reifen in eine Schienenspur zu geraten und dadurch die Lenkfähigkeit des Fahrrades zu verlieren

Bei der in den Straßenbelag eingelassenen Gleisanlage handele es sich um ein schon von weitem sichtbares Hindernis, das zudem durch in die Straße eingelassene rot-weiß markierte Pfeiler als solches angekündigt wird.

Keine zusätzlichen Warnschilder erforderlich

Wegen der sich der Klägerin darbietenden offensichtlichen Gefährdung durch die Gleisanlage war die Stiftung nicht dazu verpflichtet, zusätzliche Warnschilder aufzustellen:

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(OLG Hamm, Beschluss v. 09.06.2016, 6 U 35/16).

Radfahrer geraten als Verkehrsteilnehmer oft in besondere Gefahrensituationen, etwa durch einen Hundeangriff, die Frage der Helmpflicht, die Besonderheiten beim E-Bike

und das verbreitete Geisterfahren.


Hintergrundwissen Verkehrssicherungspflicht:

Nach einem allgemein anerkannten Grundsatz des Deliktsrechts hat derjenige, der Gefahrenquellen hervorruft oder in seinem Einflussbereich andauern lässt, alle nach Lage der Dinge erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu treffen, damit sich die potentiellen Gefahren nicht zum Schaden anderer auswirken können (BGH v. 21.5.1985 – VI ZR 235/83).

Die Verkehrssicherungspflicht erfordert Vorkehrungen, welche die Verwirklichung von Risiken verhindern, die der Benutzer der Verkehrsfläche bei der gebotenen Eigensorgfalt nicht ohne weiteres selbst erkennen kann oder auf die er sich nicht ohne weiteres einzustellen vermag.

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  • Die Grenze zwischen abhilfebedürftigen Gefahrenquellen und hinzunehmenden Erschwernissen wird vorwiegend durch die Sicherheitserwartungen der Benutzer bestimmt, soweit sie sich im Rahmen des Vernünftigen halten (OLG Hamm ZfS 1999, 414).
  • Weiterhin erfordert die Verkehrssicherungspflicht Sicherungsmaßnahmen unabhängig von der Erkennbarkeit der Gefahr dann, wenn Gefahrenlagen bestehen, die objektiv geeignet sind, besonders schwere Gesundheitsschäden herbeizuführen.

Der Sicherungspflichtige muss Benutzer auch vor Fehlern schützen, die häufig vorkommen, naheliegend sind und mit denen erfahrungsgemäß zu rechnen ist (OLG Hamm VersR 1999, 1416 (Ls) = ZfS 1999, 140).

Schlagworte zum Thema:  Verkehrsunfall, Mitverschulden