Pkw kollidiert mit Feuerwehrfahrzeug im Einsatz – wer haftet?

Rettungsfahrzeuge im Einsatz haben Vorfahrt, denn sie genießen Sonderrechte nach §§ 35, 38 StVO. Doch wer kommt für den Schaden auf, wenn es zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kommt, weil ein Feuerwehrfahrzeug auf dem Weg zu einem Wohnungsbrand eine rote Ampel überfährt?

Eine Autofahrerin näherte sich im Stadtgebiet einer Kreuzung, deren Ampel auf Grün stand. Die Fahrzeuge in der Spur neben ihr blieben dennoch stehen, vermutlich, weil sie bemerkten, dass sich ein Feuerwehrfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn der Kreuzung näherte.

Kollision mit Feuerwehrfahrzeug im Einsatz

Doch die Pkw-Fahrerin, die aus diesem Umstand nicht die richtigen Schlüsse zog, fuhr weiter und kollidierte mit einem Feuerwehrfahrzeug, das aus einer Querstraße kam. Dessen Führerin hatte die Kreuzung wegen ihres Rettungseinsatzes trotz einer rote Ampel überfahren. Wer haftet in welchem Umfang? Mit dieser Frage hat sich das OLG Hamm auseinandergesetzt

Feuerwehrfahrzeug auf dem Weg zu einem Wohnungsbrand

Die Fahrerin des Feuerwehrautos hatte, zusammen mit zwei weiteren Fahrzeugen, die Feuerwache kurz vor dem Unfall verlassen. Sie hatte es eilig, denn sie startete eine Einsatzfahrt wegen eines Wohnungsbrandes mit akuter Gefährdung der Bewohner.

Notwendige Sorgfalt gilt auch für Einsatzfahrzeuge

Grundsätzlich gilt: Der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs, der unter Inanspruchnahme der Sonderrechte nach §§ 35, 38 StVO in eine durch Rotlicht gesperrte Kreuzung einfährt, muss die gebotene Sorgfalt walten lassen.

Kommt es zu einem Zusammenstoß, wie in dem verhandelten Fall, weil ein anderer Verkehrsteilnehmer trotz eines rechtzeitig wahrnehmbaren Blaulichts und Martinshorns das Wegerecht des Einsatzfahrzeugs nicht beachtet, müssen die Verursachungs- und Verschuldensanteile im Einzelfall abgewogen werden.

OLG Hamm sah zwei Drittel der Haftung bei der Privatfahrerin

Das OLG Hamm sah eine Haftungsquote von ein Drittel zu zwei Drittel zu Lasten des Klägers, dem Halter des Pkw. Begründung: Die Fahrerin des Autos habe grob fahrlässig und unsorgfältig gehandelt. Dafür spreche:

  • sie habe aus mehreren hundert Metern Entfernung das Blaulicht wahrgenommen
  • sie habe außerdem gemerkt, dass die Fahrzeuge in der Spur neben ihr angehalten hatten, obwohl die Ampel auf Grün stand;
  • daraus hätte sie den Schluss ziehen müssen, dass das Blaulicht und das Martinshorn des herannahenden Feuerwehrfahrzeugs diese dazu veranlasst hatte.

Fahrerin agierte zu sorglos

Statt die genannte Schlüsse zu ziehen, habe sich die Autofahrerin einen Grund zurechtgelegt, wonach das Fahrzeug mit dem Blaulicht schon nichts mit ihrem Fahrweg zu tun haben werde, obwohl sie dafür keinen belegbaren Anlass hatte.

Letztlich habe sich die Autofahrerin zunächst mit ungeminderter und dann mit reduzierter Geschwindigkeit auf die Kreuzung zubewegt, ohne zu wissen, was sie erwarten würde, so das Gericht.

Auch die Führerin der Rettungswagens war zu forsch

Allerdings konstatierte das Gericht auch der Fahrerin des Feuerwehrautos ein Defizit in puncto Aufmerksamkeit.

Sie hatte gegen das Gebot des § 35 Abs. 8 StVO verstoßen, wonach Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Anspruch genommen werden können.

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Wenn ein Einsatzfahrer in eine Kreuzung einfährt, muss er auch beachten, ob die Signale des Einsatzfahrzeugs von allen Straßenverkehrsteilnehmern beachtet und wahrgenommen werden konnten (Ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. KG Berlin, NZV 1989, 192; VersR 1992, 1129 (1131); OLG Hamm, NJW-RR 1996, 599 (600).

Hier habe sie ihr Beifahrer erst auf das herannahende Fahrzeug aufmerksam machen müssen, obwohl diese über eine weite Strecke hin deutlich zu sehen war, was zu einer Haftungsquote von einem Drittel führte.

(OLG Hamm, Urteil v. 18.07.2017, 9 U 34/17).


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Hintergrund:

Sonderrechte für Rettungsfahrzeuge

Für Fahrzeuge des Rettungsdienstes gilt ein Sonderrecht gemäß § 35 Abs. 5 a StVO. Hierbei ist der Begriff der Fahrzeuge nach der Rechtsprechung weit zu verstehen. Vorrechte haben alle Fahrzeuge, die ihrer Bestimmung nach der Lebensrettung dienen, so auch beispielsweise Fahrzeuge des Blut- und Organtransports.

Nach dieser straßenverkehrsrechtlichen Ordnungsvorschrift sind Rettungsfahrzeuge von der Vorschriften der StVO befreit (Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit, Halten und Parken in verbotenen Flächen, Nichtbeachtung der Ampelanlage), wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.

Dennoch behält der nach den allgemeinen Regeln Vorfahrtsberechtigte grundsätzlich sein Vorfahrtsrecht. Es wird lediglich zugunsten der Fahrer von Sonderrechtsfahrzeugen beschränkt. Die eingeräumten Sonderrechte dürfen nur unter größtmöglicher Sorgfalt und unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden.

Schlagworte zum Thema:  Verkehrsunfall, Haftung, Feuerwehr