Muss Haftpflicht bei Unfall für fehlerhaftes Gutachten zahlen?

Nach einem Verkehrsunfall erstellte ein Privatsachverständiger ein Gutachten, in dem er den Restwert des Autos des Geschädigten deutlich zu hoch ansetzte. Wann muss die Versicherung des Unfallverursachers die Kosten für ein privates Sachverständigengutachten des Geschädigten trotz Fehler übernehmen?

Nach einem Verkehrsunfall beauftragte der Geschädigte einen Privatgutachter damit, den Restwert seines Autos festzustellen. Das Ergebnis des Gutachters fiel zu hoch aus, stellte sich vor Gericht heraus. 1800 Euro Restwert hatte der Gutachter ermittelt, basierend auf dem höchsten vorliegenden Angebot.

Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers wollte Kosten für fehlerhaften Gutachtens nicht tragen

Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers lehnte es ab, für die Kosten des Gutachtens in Höhe von 1.000 Euro aufzukommen, weil es wegen handwerklicher Mängel unbrauchbar sei.

Abstellen nur auf höchstes Angebot nicht zulässig

Dass das Gutachten Mängel aufwies, wurde auch vom AG Frankfurt bestätigt. Um zu einer realistischen Einschätzung zu kommen, hätte der Gutachter

  • nicht das höchste Angebot,
  • sondern das arithmetische Mittel der eingeholten Angebote (mindestens drei)

ansetzen müssen, so das Gericht, was im vorliegenden Fall zu einem deutlich niedrigeren Restwert von 1.275 Euro geführt hätte.

Ein alleiniges Abstellen auf das höchste Angebot lasse außer Acht, dass so ein Angebot nicht marktgerecht sein müsse, beispielsweise, weil das Fahrzeug von einem Händler zufällig überdurchschnittlich wertbringend veräußert werden könnte, weshalb das Angebot eventuell überhöht ausfallen könnte.

Warum die Versicherung das fehlerhafte Gutachten bezahlen muss

Das fehlerhafte Gutachten führt jedoch nicht dazu, dass die Versicherung die Kosten nicht übernehmen muss, entschied das AG Frankfurt und begründete dies wie folgt:

  • Die Kosten der Schadensfeststellung in Form der Einholung eines Sachverständigengutachtens gehören grundsätzlich zu den erstattungsfähigen Kosten nach einem Verkehrsunfall.
  • Grundsätzlich unterliegen auch fehlerhafte Gutachten der Schadenersatzpflicht, da Fehler des Sachverständigen dem Geschädigten mangels Zurechnungsnorm grundsätzlich nicht entgegen zu halten sind.

Wann die Kosten für ein fehlerhaftes Gutachten nicht übernommen werden müssen

Doch es gibt auch Konstellationen, bei denen die Kosten für ein falsches Gutachten von der Versicherung nicht übernommen werden müssen:

  • Wenn bei einem objektiv unrichtigen Gutachten der Geschädigte die Unrichtigkeit auch ohne besondere Sachkunde hätte erkennen
  • und den Sachverständigen zur Nachbesserung hätte anhalten können.
  • Von dem Schädiger kann in einem solchen Fall nicht verlangt werden, Schadenersatz für ein unbrauchbares Gutachten zu leisten, wenn der Geschädigte die Unbrauchbarkeit hätte abwenden können.

Das Privatgutachten war hier zwar fehlerhaft, weil die Restwertermittlung nicht nachvollziehbar war und zu einem unrichtigen Ergebnis kam. Die Versicherung muss dennoch für die Sachverständigenkosten in Höhe von 1.000 Euro aufkommen, da in diesem Fall die Fehler "ohne besondere Sachkunde" nicht erkennbar waren.

(AG Frankfurt a. Main, Urteil v. 24.10.2018, 31 C 1884/16 (17)).




Hintergrund:

Rechtsprechung des BGH zur Ermittlung des Restwertes

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist der Restwert der Wert, den der Geschädigte auf dem allgemeinen, für ihn zugänglichen, also regionalen Gebrauchtwagenmarkt bei einem seriösen Gebrauchtwagenhändler, ggf. im Wege eines Kopplungsgeschäftes erzielen kann.

Danach kann der Geschädigte nicht auf einen höheren Restwerterlös verwiesen werden, der nur auf einem erst durch den Schädiger eröffneten Sondermarkt, etwa durch die Einschaltung spezieller Restwertaufkäufer, zu erzielen ist (BGH, Urteil v. 13.01.2009, VI ZR 205/08).

Mit Urteil vom 07.12.2004 (VI ZR 119/04) hat der BGH judiziert, dass ein Geschädigter grundsätzlich nicht verpflichtet ist, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig hatte der BGH ausgeführt, dass sich der Geschädigte einen höheren Restwerterlös anrechnen lassen muss, den er bei tatsächlicher Inanspruchnahme eines solchen Sondermarktes ohne besondere Anstrengung erzielt.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

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