Kein Schadensersatz bei unzutreffender Unfallschilderung

Immer wieder Probleme in der Rechtsprechung bereiten so genannte „So – nicht - Unfälle“. Hiervon spricht man, wenn das an einem Fahrzeug vorgefundene Schadensbild mit der Unfallschilderung nicht in Einklang zu bringen ist. In diesen Fällen geht der Geschädigte häufig leer aus.

So hat es jetzt wieder das OLG Hamm in einem Fall entschieden: Die beiden Unfallgegner waren jeweils Halter eines PKW Mercedes-Benz. Beim Linksabbiegen in der Innenstadt von Hagen hat der Beklagte laut Schilderung beider Unfallbeteiligten mit seinem Fahrzeug einen Spurwechsel vornehmen wollen und hierbei nicht das links neben ihm ebenfalls abbiegende Fahrzeug des Klägers beachtet. Hierbei ist er nach übereinstimmender Aussage zweier Zeugen gegen die vordere linke Seite des Fahrzeugs des Klägers gestoßen und dann an der linken Seite entlang geschrammt. Der Kläger machte gegen den Beklagten und seine Haftpflichtversicherung einen Schaden in Höhe von ca. 8.800 Euro geltend. Mit seinem Schadensersatzanspruch scheiterte er vor Gericht in zwei Instanzen.

Haftungsbegründende Kausalität gegeben

Aufgrund der Unfallschilderung der Parteien sowie der übereinstimmenden Aussagen der Zeugen haben sich die Gerichte in beiden Instanzen davon überzeugen lassen, dass der geschilderte Unfall tatsächlich stattgefunden hat und das Unfallereignis nicht fingiert war. Die Unfallschilderung sei auch geeignet, grundsätzlich die Verursachung eines erheblichen Schadens zu belegen. Nach dem für die haftungsbegründende Kausalität anwendbaren Beweismaßstab des § 286 ZPO stand damit zur Überzeugung des OLG-Senats fest, dass der äußere Tatbestand einer Rechtsgutsverletzung erfüllt war.

Unfallhergang und Schadensbild sind nicht kompatibel

Die Gerichte ließen sich jedoch nicht davon überzeugen, dass das Schadensbild am Fahrzeug des Klägers tatsächlich von dem behaupteten Unfallgeschehen herrührte. Der Sachverständige habe in beiden Instanzen überzeugend dargelegt, dass die Schäden am Fahrzeug des Klägers nur bei stehendem Fahrzeug verursacht werden konnten. So seien zum Beispiel die Radkontaktspuren am Fahrzeug eindeutig von nicht eingeschlagenen Rädern eines beteiligten Unfallfahrzeugs herbeigeführt worden. Dieses Schadensbild lasse sich mit dem geschilderten Abbiegevorgang, der eingeschlagene Vorderräder voraussetze, nicht vereinbaren. Das Gleiche gelte für die kräftigen Beulen am Fahrzeug des Klägers. Unter Zugrundelegung des geschilderten Unfallgeschehens hätten sich am Fahrzeug des Klägers nur Touchier- und Schleifspuren finden dürfen, nicht jedoch massive Eindruckstellen im Blech. Der Sachverständige habe nachvollziehbar und eindeutig festgestellt, dass die Unfallschilderung der Beteiligten mit dem vorgefundenen Schadensbild in keiner Weise in Einklang zu bringen sei.

Kein Obergutachten

Den Antrag des Klägers auf Einholung eines Obergutachtens wies der Senat zurück. Gemäß § 412 Abs. 1 ZPO komme die Einholung eines Obergutachtens nur dann in Betracht, wenn das erste Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder nicht überzeugend sei oder von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgehe. Vorliegend habe der Sachverständige allerdings erkennbar die notwendige Sachkunde mitgebracht und sein schriftliches Gutachten überzeugend erläutert. Für ein Obergutachten sei daher kein Raum.

Die haftungsausfüllende Kausalität fehlt

Damit fehlte es nach Auffassung des OLG Senats an einer substanziierten Darlegung der haftungsausfüllenden Kausalität durch den Kläger. Der Kläger habe nicht die nach § 287 ZPO erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit dargelegt, dass das Schadensbild an seinem Fahrzeug auf den von ihm geschilderten Verkehrsunfall zurückzuführen sei. Das OLG wies daher die Klage auf Schadensersatz vollumfänglich ab.

(OLG Hamm, Urteil v. 15.10.2013, 9 U 53/13)

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