Fiktive Schadensabrechnung nach Verkehrsunfall

Nach einem Verkehrsunfall kann der Unfallgeschädigte nach gefestigter Rechtsprechung die Reparaturkosten für sein Fahrzeug auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens geltend machen, es sei denn die Versicherung benennt in zulässiger Weise eine alternative Reparaturmöglichkeit.

Der Kläger machte Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall geltend und verlangte unter anderem den Ersatz der durch einen Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten. Die Reparatur selbst hatte er in Eigenregie durchgeführt. Die beklagte Versicherung hat den seitens des Klägers geltend gemachten Schadensbetrag aufgrund eines eigenen Prüfgutachtens um 1197, 20 EUR gekürzt und den Kläger vorprozessual auf günstigere Stundenverrechnungssätze von Referenzwerkstätten hingewiesen, ohne eine solche Werkstatt aber konkret zu nennen. Erst im Verlauf des erstinstanzlichen Rechtsstreits hat die Beklagte dann eine konkrete Referenzwerkstatt benannt, die die Reparatur unstreitig zu dem verminderten Kostensatz durchgeführt hätte. Dies wollte der Kläger nicht gelten lassen. 

Anspruch des Geschädigten auf Fachwerkstatt

In seinem Urteil stellte der BGH klar, dass der Geschädigte einer fiktiven Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrundelegen kann (BGH, Urteil v. 19.04.2003, VI ZR 398/02). Hierbei habe der Geschädigte nach gefestigter Rechtsprechung Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten, und zwar unabhängig davon, ob der Geschädigte tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lasse (BGH Urteil v.23.03.1976, VI ZR 41/74).

Verweis auf eine günstigere freie Werkstatt zulässig

Trotz dieser Grundsätze ist laut BGH dem Ersatzpflichtigen der Verweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit nicht grundsätzlich verwehrt, sofern er darlegt und beweist, dass eine Reparatur in der von ihm konkret gewählten Referenzwerkstatt dem Qualitätsstandard der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeige, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Werkstatt unzumutbar mache. In diesem Fall müsse der Geschädigte sich an eine qualitativ gleichwertige Fachwerkstatt verweisen lassen (BGH, Urteil v. 20.10.2009, VI ZR 53/09).

Referenzverweis auch noch im Prozess möglich

In der Rechtsprechung war bisher umstritten, bis zu welchem Zeitpunkt ein solcher Verweis auf eine konkrete Referenzwerkstatt möglich ist. Einige Gerichte vertraten die Auffassung, dass ein Versicherer nur so lange auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen könne, als der Unfallgeschädigte sein Fahrzeug noch nicht habe reparieren lassen (OLG Braunschweig, Urteil v. 27.07.2010, 7 U 51/08). Hier hat der BGH nun für Klarheit gesorgt. Nach der Entscheidung des BGH ist es bei einer fiktiven Abrechnung völlig unerheblich, zu welchem Zeitpunkt der Versicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist. Entscheidend sei, dass der Geschädigte bei einer fiktiven Abrechnung darauf disponiere, dass er die Abrechnung auf einer objektiven Grundlage wolle. Hinweise der Versicherer auf Referenzwerkstätten dienten in diesem Falle dazu, dem seitens des Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten auf objektiver Ebene entgegenzutreten. Die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten spielten in diesem Fall keine Rolle. Aus diesem Grunde könne eine Versicherung auch noch im Prozess auf eine Referenzwerkstatt verweisen, es sei denn, dass prozessuale Vorschriften (z.B. Verspätung) dem entgegenstünden. Der Kläger hatte also das Nachsehen.

(BGH, Urteil v. 14.05.2013, VI 320/12)

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