Anspruch auf Ausgleichszahlung bei Umbuchung eines Fluges?

Bei Nichtbeförderung auf einem Flug trotz Buchung sieht die europäische Fluggastrechteverordnung klar definierte Ausgleichsleistungen für den stehengelassenen Fluggast vor. Im Einzelfall bieten die verwendeten Begrifflichkeiten jedoch einige Fallstricke auf dem Weg zur Entschädigung.

Erfahrung mit den Tücken der Fluggastrechteverordnung musste ein Ehepaar machen, das eine Pauschalreise in die Türkei gebucht hatte. Der Hinflug von Düsseldorf nach Antalya war auf den 28.10.2011, 9:00 Uhr angesetzt.

Zwei Wochen vor dem Abflug umgebucht

Zwei Wochen vor dem vorgesehenen Abflugtermin erhielt das Ehepaar eine schriftliche Mitteilung des Reiseveranstalters dahingehend, das Ehepaar sei auf einen anderen Flug umgebucht worden. Start sei nicht 9:00 Uhr sondern 15:30 Uhr.

Dies fasste das Ehepaar als Nichtbeförderung zum vorgesehenen Abflugtermin auf und verlangte eine Ausgleichszahlung nach der Europäischen FluggastrechteVO in Höhe von 400 Euro.

EU-Richtlinie mit scheinbar klarer Entschädigungsregelung

Die Europäischen FluggastrechteVO sieht für die Nichtbeförderung bzw. verspätete Beförderung Ausgleichszahlungen für konkret genannte Fallkonstellationen vor.

  • Art. 7 in Verbindung mit Art. 4 der VO EG Nr. 261/20014 setzt für den Fall der Nichtbeförderung bei innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km eine Ausgleichzahlung von 400 Euro fest.
  • Das von den Eheleuten angerufene AG sah die Voraussetzungen dieser Vorschrift als gegeben an und sprach den Eheleuten die geforderte Ausgleichszahlung zu.

LG schmettert Ausgleichforderung ab

Das LG war exakt der gegenteiligen Ansicht. Die Kammer des LG stellte bei ihrer Entscheidung auf Art. 2 und 3 der FluggästeVO ab.

  • Hiernach setze eine Nichtbeförderung die Weigerung der Fluggesellschaft voraus, Fluggäste zu befördern, obwohl diese sich am Flugsteig eingefunden hätten und über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügten.
  • Im anhängigen Fall habe das betroffene Ehepaar sich aufgrund der Mitteilung des Reiseveranstalters über die Umbuchung gerade nicht am Flugsteig eingefunden.
  • Auch sei das Ehepaar nicht auf andere Weise aktiv geworden und habe gegenüber dem Reiseveranstalter nicht auf der Einhaltung der ursprünglichen Buchungsbestätigung bestanden.

Damit waren nach Auffassung des LG die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Ausgleichszahlung nach der FluggästeVO nicht erfüllt.

BGH sieht die Sache komplexer

Der BGH sah das Ganze deutlich komplizierter. Zwar bestätigte der Senat die Auffassung des LG, dass die Nichtbeförderung im Sinne der FluggästeVO grundsätzlich voraussetze, dass der Fluggast über eine

  • bestätigte Buchung verfügt,
  • sich zur angegebenen Zeit zum Check-In am Flughafen eingefunden hat und
  • ihm das Boarding verweigert wurde.

Allerdings wäre es nach Auffassung des BGH bloßer Formalismus, an diesen Voraussetzungen festzuhalten, wenn das Luftverkehrsunternehmen bereits vorher unzweideutig zum Ausdruck gebracht habe, dass es die Beförderung mit dem gebuchten Flug verweigere.

Entscheidende Grundfragen sind noch zu klären

Das Vorliegen dieser Bedingungen hat das LG nach Auffassung des BGH in zweifacher Hinsicht nicht geklärt:

  • Nach Auffassung des Senats hätte das LG prüfen müssen, ob in der ursprünglichen Reisemitteilung des Veranstalters formal überhaupt eine Buchungsbestätigung für den ursprünglich ins Auge gefassten Flug zu sehen ist.
  • Soweit diese Frage zu bejahen sei, müsse das Berufungsgericht klären, ob die „Umbuchungsmitteilung“ eine unzweideutige Weigerung zur Mitnahme in dem in der Buchungsbestätigung angegebenen Flug enthalte. 

Auch der EuGH kann noch ins Spiel kommen

Nach Auffassung des BGH führt die Beantwortung dieser Fragen allerdings nicht unbedingt unmittelbar zu einer Sachentscheidung. Vielmehr könne je nach Beantwortung dieser Vorfragen eine Vorlage an den EuGH erforderlich werden zur Beantwortung weiterer Auslegungsfragen zur FluggastrechteVO. Mit solch diffizilen Auslegungsschwierigkeiten hatte das Ehepaar bei Einleitung des Rechtstreits vor dem AG wohl nicht gerechnet. Jetzt ist erst einmal wieder das LG am Zuge, an das der BGH den Rechtstreit zur Klärung der vom Senat aufgeworfenen Grundfragen zurückverwiesen hat.

(BGH, Urteil v. 17.3.2015, X ZR 34/14).


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