Abstandspflichten auch bei versetzt fahrenden Motorräder

Motorradfahrer nutzen gerne mal die Breite der Straße aus, fahren nebeneinander oder seitlich versetzt. Das geht in der Praxis häufig problemlos, zulässig ist es aber nicht und das aus gutem Grund.

Zwei Motorradfahrer fuhren auf einer Landstraße leicht versetzt hintereinander. Als ein entgegenkommender Fahrer eines Kia zum Überholen auf die linke Fahrbahn ausscherte, mussten die beiden Motorradfahrer stark abbremsen, um eine Frontalkollision mit dem Kia zu vermeiden. Der Fahrer einer KTM fuhr mit seinem Vorderrad auf die vor ihm fahrende Kawasaki auf, dessen Fahrer stürzte. Der KTM-Fahrer stürzte ebenfalls und überschlug sich. Beide Motorradfahrer wurden bei der Kollision verletzt.

Unfall durch fehlenden Sicherheitsabstand begünstigt

Der Autofahrer wurde wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Seine Haftpflichtversicherung regulierte den Schaden im Außenverhältnis. Sie warf dem Motorradfahrer, der auf seinen Biker-Kollegen aufgefahren war, allerdings vor, keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten zu haben und forderte von dessen Versicherung, sich an der Regulierung des Schadens zu beteiligen.

Anforderungen an Motorradfahrer beim – versetzten – Hintereinanderfahren

Das Landgericht Stuttgart äußerte sich insbesondere dazu, welche Pflichten Motorradfahrer haben, wenn sie nebeneinander oder leicht versetzt hintereinander fahren:

  • Auch wenn die Breite eines Fahrstreifens zwei Motorrädern nebeneinander Platz bietet, können sich Motorradfahrer nicht darauf verlassen, dass ihnen eine Nebeneinanderfahrt stets möglich sein wird.
  • Zum einen könne die Schräglage von Motorrädern in engen Kurven dazu führen, dass nicht zwei Motorräder nebeneinander Platz haben.
  • Zum anderen könne es Verkehrssituationen geben – wie im vorliegenden Fall der überholende Autofahrer – in denen ein Teil der Fahrbahnbreite nicht für die Motorradfahrer zur Verfügung stehe.
  • Da das Gebot, ausreichenden Sicherheitsabstand zu halten, gerade dazu dient, auf nicht vorhersehbare Verkehrssituationen gefahrlos reagieren zu können, müssen Motorräder in Längsrichtung einen für eine plötzliche Vollbremsung ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten. Das gilt unabhängig davon, ob sie seitlich versetzt fahren oder nicht.

Im vorliegenden Fall haftet die Versicherung nach der Entscheidung des Gerichts aber auch im Innenverhältnis allein, weil die Betriebsgefahr des Motorrads des Beklagten hinter dem schweren Verschulden des überholenden Autofahrers zurücktrete.

(LG Stuttgart, Urteil v. 29.01.2025, 27 O 112/24)


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