Verteidiger hat im Strafprozess nicht das Recht zum letzten Wort

Das Recht zum letzten Wort ist ein höchstpersönliches Recht des Angeklagten, das bei dessen Abwesenheit in der Hauptverhandlung nicht auf den Verteidiger übergeht. Die Nichtgewährung gegenüber der Verteidigung ist daher kein Rechtsbeschwerde- oder Revisionsgrund.

Das Recht des Angeklagten zum letzten Wort im Strafprozess ist eine gewichtige Rechtsposition des Angeklagten, die diesem - unabhängig von den übrigen Prozessbeteiligten und auch dem Verteidiger - die Möglichkeit einer eigenen, persönlichen Stellungnahme einräumen soll. Bei erlaubter Abwesenheit des Angeklagten - im OWi-Verfahren des Betroffenen - in der Hauptverhandlung geht dieses Recht nicht auf seinen Verteidiger über.


Dem Verteidiger keine Gelegenheit zum letzten Wort erteilt

So hat es das OLG Hamm in einem Rechtsbeschwerdeverfahren in einer Bußgeldsache entschieden. In dem Verfahren war dem vertretungsberechtigten Verteidiger des in der Hauptverhandlung von seiner Anwesenheitspflicht befreiten und daher abwesenden Betroffenen nach den Schlussplädoyers vom Gericht nicht die Möglichkeit des letzten Wortes eingeräumt worden.


Verteidiger rügt Verletzung zwingenden Verfahrensrechts

In der fehlenden Einräumung des Rechts zum letzten Wort sah der Verteidiger eine Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften. Wie im Strafverfahren sei dem Betroffenen auch in Bußgeldverfahren gemäß § 258 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG die Gelegenheit zu einem letzten Wort einzuräumen. Sei der Betroffenen in der Hauptverhandlung nicht anwesend, so müsse die Gelegenheit zu einem letzten Wort dem bevollmächtigten Vertreter des Beschuldigten, also dem Verteidiger, eingeräumt werden.


Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen

Mit dieser Begründung beantragte der Verteidiger die Zulassung der Rechtsbeschwerde beim OLG. Dieses verwarf den Zulassungsantrag als unzulässig, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sei. Der Senat führte aus, dass die Ausformung des Rechts zum letzten Wortes in § 258 Abs. 2 StPO dem Angeklagten oder in Bußgeldverfahren dem Betroffenen persönlich die Möglichkeit einräumen solle, nach Abschluss der Beweisaufnahme und nach den Schlussvorträgen des Anklagevertreters und des Verteidigers sich mit eigenen Worten abschließend zur Sache zu äußern (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30.3.2020, IV-2 RBs 47/20). Das Recht zum letzten Wort sei daher kein Verteidigerrecht.


Recht zum letzten Wort ist höchstpersönliches Recht des Angeklagten

Der Senat betonte den höchstpersönlichen Charakter des Rechtes zum letzten Wort als ureigene Rechtsposition des Betroffenen bzw. des Angeklagten. Das Recht zum letzten Wort liege außerhalb der Sphäre von Anklage und Verteidigung und könne seiner Natur nach nicht auf den Verteidiger übergehen. In Abwesenheit des Beschuldigten könne der Verteidiger dieses Recht zum letzten Wort daher auch nicht vom Gericht einfordern. Dies folge auch aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 258 Abs. 3 StPO, wonach der Angeklagte auch dann, wenn der Verteidiger für ihn ausführlich gesprochen hat, zusätzlich zu befragen ist, ob er noch etwas zu seiner Verteidigung vorzubringen habe. Damit differenziere die Vorschrift ausdrücklich zwischen dem Verteidiger und dem Angeklagten. Nur dem Angeklagten persönlich gebühre daher nach dem Gesetz das letzte Wort.


Übertragbarkeit bei Anwesenheit?

Der Senat ließ offen, ob möglicherweise dann etwas anderes gilt, wenn der Angeklagte in der Verhandlung selbst anwesend ist und seinen mit Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger vor Gericht ausdrücklich bittet, das letzte Wort für ihn zu sprechen. In diesem Fall habe der anwesende Angeklagte die Möglichkeit, dem Gericht persönlich zu erkennen zu geben, ob die Äußerung des Verteidigers seinem Willen im Sinne eines letzten Wortes entspricht. In Abwesenheit des Angeklagten oder Betroffenen sei die Vertretung in diesem höchstpersönlichen Verfahrensrecht durch den Verteidiger nicht möglich. Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage sei die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.


(OLG Hamm, Beschluss v. 12.4.2022, 5 RBs 98/22)


Hintergrund:

Das Recht zum letzten Wort wird im Straf- und OWi-Verfahren als essenzielles Verfahrensrecht des Angeklagten bzw. Betroffenen bewertet. Dessen Verletzung führt nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig zur Urteilsaufhebung.


Gelegenheit zum letzten Wort vor Übergabe einer Wiedergutmachungssumme

In einer Grundsatzentscheidung hatte der BGH eine Verletzung des Rechtes auf das letzte Wort in folgender Verfahrensweise gesehen: Nach den Schlussplädoyers der StA und des Verteidigers hatte das Gericht dem Angeklagten die Gelegenheit zum letzten Wort gegeben. Die Strafzumessung sollte davon abhängig gemacht werden, dass der Angeklagte dem Nebenkläger des anhängigen Strafverfahrens zur Wiedergutmachung einen Betrag in Höhe von 5.000 Euro überreicht. Zum ausschließlichen Zweck der Übergabe dieser Summe war am darauffolgenden Gerichtstag ein Termin vor dem erkennenden Gericht angesetzt. Die Übergabe der Summe erfolgte ohne weitere Erläuterungen absprachegemäß und wurde entsprechend protokolliert. Anschließend wurde das Urteil verkündet.


Nach dem letzten Wort darf nur noch das Urteil kommen

Der BGH sah in dem Umstand, dass das Gericht dem Angeklagten nach Übergabe der Wiedergutmachungssumme nicht nochmals die Gelegenheit zu einem letzten Wort eingeräumt hatte, einen schweren Verfahrensfehler. Das letzte Wort müsse immer der letzte Schritt vor der Urteilsverkündung sein. Der BGH hob das ergangene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit dieser Begründung auf (BGH, Beschluss v. 24.6.2014, 3 StR 185/14; ähnlich: BGH, Beschluss v. 5.2.2019, 3 StR 469/18).


Das letzte Wort zog sich über fünf Verhandlungstage

Rechtsgeschichte geschrieben ein 71-jähriger Angeklagter in einem gegen ihn geführten Strafverfahren vor dem LG Hamburg. Nach den Schlussvorträgen der StA und der Verteidigung erteilte die Vorsitzende der Strafkammer dem Angeklagten das Recht zum letzten Wort. Über einen Zeitraum von fünf Verhandlungstagen redete der Angeklagte ohne Unterlass und erklärte, weshalb er keine Tötungsabsicht gehabt habe und stellte jede Menge Befangenheitsanträge. Am fünften Verhandlungstag verlor die Vorsitzende Richterin die Geduld und schnitt dem Angeklagten das Wort ab. Das Gericht warf dem Angeklagten eine missbräuchliche Wahrnehmung des Rechts zum letzten Wort vor. Anschließend sprach das Gericht das Urteil (LG Hamburg, Urteil v. 7.10.2019, 604 Ks 3/19).

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