
Zum 01.01.2014 ändert sich das Prozesskosten- und Beratungshilferecht. Neben wenigen Erleichterungen führt die Änderung für Rechtsuchende zu einer spürbaren Erschwerung der Erlangung von Prozesskosten- und Beratungskostenhilfe.
Am 19.12. hat der Bundesrat noch den letzten Handgriff an der Reform erledigt und die "Verordnung zur Verwendung von Formularen im Bereich der Beratungshilfe" (BerHFV) mit einigen Änderungen versehen verabschiedet. Nun können - buchstäblich "auf den letzten Drücker" - auch die neuen Formulare für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse rechtzeitig zur Reform für Anfang 2014 gedruckt werden.
Ziel der Reform
In den letzten Jahren verzeichnete der Staat einen erheblichen Anstieg der durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe aufzubringenden Ausgabenlast. Mit dem Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts soll diesem Anstieg Einhalt geboten werden. Der Gesetzgeber betont zwar in den Erläuterungen zu seinem Entwurf, dass weiterhin bedürftigen Parteien der Zugang zu den Gerichten im Rahmen des Prozesskostenhilferechts ermöglicht werden soll, andererseits sollen aber durch Korrektur der Bewilligungsvoraussetzungen die Kosten des Staates auf das unbedingt notwendige Maß begrenzt werden.
Missbrauch soll vorgebeugt werden
In diesem Zusammenhang wurden die Befugnisse der Gerichte zur Klärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien ausgeweitet. Die Bedürftigkeitsprüfung als solche kann in Zukunft durch die Landesregierungen auf den Rechtspfleger übertragen werden, § 20 RechtspflG. Aber auch die Bewilligungsvoraussetzungen als solche werden leicht modifiziert. So wird § 114 Abs. 2 ZPO dahingehend geändert, dass auch bei hinreichender Erfolgsaussicht, die Bewilligung der PKH verweigert werden kann, wenn bei verständiger Würdigung ein durchschnittlicher Rechtssuchender den Prozess nicht führen würde, z.B. weil die Prozessführung wirtschaftlich im Ergebnis nicht als sinnvoll erscheint.
Ablehnung der PKH für einzelne Verfahrenshandlugen
Nach dem neu gefassten § 124 Abs. 2 ZPO kann das Gericht künftig im Laufe eines Rechtsstreits die grundsätzlich bereits bewilligte Prozesskostenhilfe für eine einzelne Verfahrenshandlung, zum Beispiel für eine Beweiserhebung, verweigern, wenn der Beweisantrag als mutwillig erscheint und durch die Beweiserhebung eine Förderung des Prozesses nicht zu erwarten ist.
Begünstigter soll mitfinanzieren
Schon bisher konnte das Gericht dem teilweise zahlungsfähigen Begünstigten die Zahlung von monatlichen Raten auferlegen. Die Höhe der Raten richtete sich bisher nach einer Tabelle mit festen Sätzen. Die Tabelle wird abgeschafft. Das Einsatzeinkommen des Begünstigten wird unter Berücksichtigung des Abzugs von Steuern, Freibeträgen, Wohnkosten, angemessenen Versicherungsbeiträgen und sonstigen Belastungen errechnet. Von dem Einkommensrest ist in Zukunft die Hälfte als Monatsrate zu zahlen.
Beispiel: Ein verheirateter Arbeitnehmer mit zwei Kindern im Alter von 12 und 15 Jahren verfügt über ein monatliches Einkommen von 2.800 EUR netto. Die oben beschriebenen Einsatzkosten betragen monatlich 1.200 EUR. Nach Abzug aller Freibeträge und Kosten bleibt ein Rest von 82 EUR. Künftig würde er die Hälfte von diesem Restbetrag, also monatlich 41 EUR, an PKH - Raten zurückzuzahlen haben und zwar maximal für eine Dauer von vier Jahren.
Prozessergebnis wirkt sich auf die Bewilligung der PKH aus
Eine Besonderheit besteht künftig darin, dass das Gericht nach Abschluss des Prozesses gesondert prüft, ob der Begünstigte durch die Rechtsverfolgung etwas erlangt hat, was ihn in die Lage versetzt, selbst Prozesskosten zu tragen. In diesem Fall kann die Prozesskostenhilfe nachträglich ganz oder teilweise aufgehoben und dem Begünstigten aufgegeben werden, die Prozesskosten von dem durch den Rechtsstreit Erlangten ganz oder teilweise zu begleichen, § 120 a Abs.3 ZPO.
Formulare statt Vordrucke
Mit dem Gesetz werden auch die Formulare für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe geändert. Eine neue Prozesskostenhilfeformularverordnung (PKHFV) sieht zunächst vor, dass die Vordrucke nicht mehr Vordrucke sondern in Zukunft Formulare heißen. Neben dieser bedeutende Änderung enthält die Verordnung auch einige praktische Neuerungen. Das neue Formular ist klarer strukturiert und für den Nutzer verständlicher gefasst. Es hält eine ausdrückliche Belehrung darüber, dass der Begünstigte den Wechsel seiner Anschrift und eine Änderung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse unaufgefordert unverzüglich mitzuteilen hat. Er wird darauf hingewiesen, dass für den Fall des Verstoßes gegen diese Mitteilungspflicht die Prozesskostenhilfe nachträglich versagt werden kann. Darüber hinaus wird das Formular um Fragen hinsichtlich des Bestehens einer Rechtschutzversicherung, der Mitgliedschaft in einem Mieterverein oder in einer Gewerkschaft ergänzt. Die Fragen nach Bank- oder Sparkonten werden deutlicher hervorgehoben. Neu aufgenommen wird die Frage nach Personen, die gegenüber dem Antragsteller gesetzlich zur Leistung von Unterhalt verpflichtet sind.
Auch Vorteile für Bedürftige
Erweitert werden die Möglichkeiten des Antragstellers, Mehr- und Sonderbedarfe geltend zu machen. Hat der Bedürftige aufgrund von körperlichen Dispositionen zum Beispiel erhebliche Mehrkosten bei seiner Ernährung oder benötigt er besonders teure Medikamente, so wird dies bei der Bedarfsberechnung künftig berücksichtigt werden, § 115 ZPO. Außerdem entfallen künftig Ratenzahlungen, wenn die monatliche Rate unter zehn Euro liegen würde, § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Kein Datenschutz
Der Gegner wird künftig grundsätzlich aufgefordert, nicht nur zu den Erfolgsaussichten der vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsverfolgung sondern auch zu seiner Bedürftigkeit Stellung zu nehmen. Der Gegner erhält damit Einsicht in die kompletten Einkommens- und Vermögensauskünfte des Antragstellers.
Einschränkungen bei Vergleichsabschluss
Bei gerichtlichen Vergleichsabschlüssen werden die Kosten nur dann erstattet, wenn der Vergleich auf einem Vorschlag des Gerichts beruht und das Gericht in dem Vergleichsvorschlag ausdrücklich feststellt, dass die Kostenregelung des Vergleichs der bei regulärer Fortführung des Rechtsstreits zu erwartenden Kostenentscheidung entsprechen würde. Eine darüber hinausgehende Gewährung der Prozesskostenhilfe ist nicht mehr möglich, eine für die Praxis bedeutende Einschränkung..
Besonderheiten bei Beratungshilfe
Die Gewährung von Beratungshilfe wird in Zukunft stärker davon abhängen, dass der Rechtsuchende nicht in der Lage ist, die Rechtsangelegenheit persönlich zu klären. Die Rechtsanwaltskammern befürchten, dass es für Rechtsuchende mit guter Vorbildung künftig grundsätzlich schwieriger wird, Beratungshilfe zu erhalten. Außerdem muss der Antrag auf Beratungshilfe spätestens vier Wochen nach Beginn der Beratungshilfetätigkeit eingereicht sein.
Kostensenkung auf Kosten armer Rechtssuchender
Insgesamt wird das Gesetz mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer deutlich restriktiveren Gewährung der Prozesskosten- und Beratungskostenhilfe führen. Für Bedürftige wird es damit künftig nicht leichter, ihre Rechtsangelegenheiten gerichtlich zu verfolgen. Der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit dürfte das Gesetz damit im Ergebnis nicht dienen.