RDG-Verstoß: Myright nicht aktivlegitimiert für Auslandskäufer

Der Rechtsdienstleister „Myright“ vertrat ausländische Diesel-Käufer gegen VW und ließ sich von ihnen mögliche Regressforderungen abtreten. Das LG Braunschweig sieht hier einen Verstoß gegen das RDG: Die Inkassolizenz ermächtigt nicht zur Klage aus Rechten ausländischer Käufer in Deutschland. Das OLG Braunschweig hat die erstinstanzliche Entscheidung nun bestätigt.

Vor dem Landgericht Braunschweig hatte das Legal-Tech-Unternehmen Myright, einer  Marke der Düsseldorfer Financialright GmbH, mehrere tausend Klagen erhoben. 

Myright hat sich Ansprüche von Diesel-Käufern aus der Schweiz und Slowenien abtreten lassen

Myright macht aus abgetretenem Recht Ansprüche von Autokäufern aus der Schweiz und aus Slowenien wegen des Abgasskandals gegen VW geltend. In einem ersten Verfahren eines schweizerischen Autokäufers wurde die Schadenersatzklage im vergangenen Jahr vom Landgericht abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos.

Das in erster Instanz mit der Sache befasste Gericht sah in der Tätigkeit von Myright einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Grundprinzip des Rechtsdienstleistungsgesetzes. Das hat die Folge, dass ein etwaiger Anspruch des schweizerischen Autokäufers gegen VW nicht wirksam an Myright abgetreten werden konnte. Liegt aber keine wirksame Abtretung vor, dann ist Myright nicht aktivlegitimiert und die Klage war als unzulässig abzuweisen.

BGH hatte zuvor die Rechte von Legal-Tech-Unternehmen gestärkt

Zwar ist es nach dem Urteil des BGH vom 27.11.2019 (Az.: VIII ZR 285/18) betreffend den Inkassodienstleister LexFox, der die Plattform "wenigermiete.de" betreibt, grundsätzlich möglich, abgetretene Ansprüche als Inkassounternehmen geltend zu machen. Der BGH sah darin gerade keinen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz.

In einem für Legal Tech wegweisenden Grundsatzurteil hat der BGH die Tätigkeit der Legal-Tech-Plattform „Wenigermiete.de“ als zulässige Inkassodienstleistung eingestuft und damit das Tor auch für andere Legal-Tech-Start-Ups weit geöffnet.  Doch diese Grundsätze sieht das LG Braunschweig nicht einschlägig.

Myright-Fälle nach Ansicht des LG Braunschweig anders gelagert als "Wenigermiete.de"

Bei den Myright-Klagen liegt - so das LG Braunschweig - jedoch die Besonderheit vor, dass es sich um ausländische Fälle handelt. In dem ersten verhandelten Fall, dem Pilotfall, hatte ein Schweizer in der Schweiz einen vom Abgasskandal betroffenen VW von einem schweizerischen Autohändler gekauft.

Myright besitzt jedoch nur eine deutsche Inkassolizenz. Diese umfasst nur Kenntnisse im deutschen Recht. Kenntnisse im schweizerischen Recht besitzt das Legal-Tech-Unternehmen Myright unstreitig nicht. Der Umfang der Inkassoerlaubnis wird also nach Auffassung des Landgerichts Braunschweig überschritten mit der Folge, dass die Abtretungen der Forderungen durch die VW Kunden nichtig sind.

Nicht jeder Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz macht Abtretungen nichtig

Zwar führt nicht jeder geringfügige Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz zu einer Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Den vorliegenden Verstoß wertete das Gericht jedoch als schwerwiegend, da gegen das Grundprinzip verstoßen wurde: Die Inkassodienstleistungsbefugnis besteht nur, soweit Kenntnisse verlangt, überprüft und für genügend befunden wurden. Kenntnisse im schweizerischen Recht sind beim Legal-Tech-Unternehmen aber weder geprüft noch nachgewiesen worden. Myright ist, so die Einschätzung des LG Braunschweig , von vornherein nicht klagebefugt.

Berufung des Inkassodienstleisters wurde zurückgewiesen

Gegen das Urteil des LG Braunschweig hat die financialright GmbH Berufung eingelegt und machte geltend, dass sie als Rechtsdienstleister bei der bloßen Einziehung einer Forderung nicht prüfen müsse, ob diese rechtlich Bestand hat. Die Kenntnis des ausländischen Rechts sei daher nicht erforderlich gewesen.

Mit diesem Argument konnte der Inkassodienstleister vor dem OLG Braunschweig allerdings nicht durchringen. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertrat das OLG die Auffassung, dass das Inkassounternehmen die Verantwortung für die wirkungsvolle Durchsetzung fremder Rechte oder Vermögensinteressen übernehme und damit die rechtliche Bewertung der einzuziehenden Forderung zum Kernbereich der Inkassotätigkeit gehöre. Zudem hätte der Schadensersatzanspruch der vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Kunden ohne rechtliche Prüfung gar nicht beziffert werden können.

Das OLG schloss sich daher im Ergebnis der Auffassung der ersten Instanz an, wonach ein Verstoß gegen die Erlaubnispflicht vorliegt und die Abtretung der Forderung damit nach § 134 BGB nichtig ist. Wie das Landgericht zutreffend entschieden hatte, hat dies zur Folge, dass die Klagebefugnis des Inkassodienstleisters fehlt.

Revision zugelassen

Allerdings hat das OLG die Revision zum BGH zugelassen, sodass zu erwarten ist, dass sich der BGH mit der Sache noch befassen wird. Über den entschiedenen Einzelfall hinaus ist der Fall nämlich deshalb von besonderer Brisanz, weil insgesamt mehrere tausend Klagen ausländischer VW Käufer davon betroffen sind.

Nachtrag: Mit Urteil v. 13.6.2022 hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben und den Rechtsstreit dorthin zurückverwiesen.

Problem für Myright-Kunden: Es droht Verjährung!

Sofern mangels Klagebefugnis von Myright durch die Verfahren keine Verjährungshemmung eingetreten ist, dann sind die Forderungen der betroffenen ausländischen Kunden nach herrschender Meinung  inzwischen größtenteils verjährt und können nicht mehr in einem weiteren Verfahren geltend gemacht werden.

(1. Instanz: LG Braunschweig, Urteil v. 30.04.2020, 11 O 3092/19;

2. Instanz: OLG Braunschweig, Urteil vom 07.10.2021, 8 U 40/21)


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Anmerkung: Entscheidung zum Lkw-Kartell

Auch das Landgericht München hat sich mit seiner Entscheidung zum zur größte Schadenersatzklage gegen das europäische Lkw-Kartell gegen Myright entschieden. Es hat sich nicht der Rechtsauffassung des BGH in Bezug auf die Auslegung des Rechtsdienstleistungsgesetzes angeschlossen.

Das Landgericht hat die Klage des Rechtsdienstleisters für mehr als 3.000 Spediteure auf fast 900 Millionen EUR Kartellentschädigung abgewiesen, da es in der Forderungsabtretungen als nichtig wegen eines  Verstoßes gegen das RDG einordnete.

Auch hier war die Inkassoerlaubnis überschritten

Die Nichtigkeit ergibt sich laut LG München  u.a. daraus, dass die Rechtsdienstleistungen von vorneherein nicht auf eine außergerichtliche, sondern ausschließlich auf eine gerichtliche Tätigkeit gerichtet seien. Sie seien daher kein Inkasso im Sinn des RDG

Auch in der Bündelung der Ansprüche sah das Gericht einen RDG-Verstoß, weil die Erfüllung der Pflichten gegenüber den verschiedenen Kunden durch mögliche Interessengegensätze der Betroffenen, insbesondere im Vergleichsfalle, gefährdet sei. 

Auch hier wurde also für Legal Tech-Angeboten von Inkassounternehmen das Fehlen der Aktivlegitimierung gesehen (LG München,  Urteil v. 7.2.2020, 37 O 18934/17).

Vgl. zu dem Thema: Durch die GWB-Novelle haben kartellgeschädigte Unternehmen seit Mitte 2017 bessere Karten beim Schadensersatz