
Gegen eine fehlerhafte Terminladung der Arbeitsagentur stellte ein arbeitsuchend Gemeldeter umgehend einen Eilantrag bei Gericht. Es fiel ihm nicht ein, zunächst bei der Agentur um die berechtigte Terminverschiebung zu bitten. Seine fehlende Bereitschaft, die Sache mit der Behörde außergerichtlich zu klären, wurde vom Sozialgericht durch verweigerte Kostenerstattung quittiert, die das BVerfG billigte.
Vor den Gang zum Gericht sollte der Rechtsuchende der Gegenseite grundsätzlich Gelegenheit zum Einlenken geben, wenn hierfür berechtigte Aussichten bestehen, besonders, wenn es sich um eine Behörde handelt. Anderenfalls kann das Rechtsschutzbedürfnis entfallen.
Aus diesem Grund wurde einem Arbeit Suchenden, der sich gegen eine zur Unzeit terminierte Meldeaufforderung der Agentur gleich massiv zur Wehr setzte, die Kostenerstattung verwehrt, obwohl er in de Sache Recht hatte.
Auch seine diesbezügliche Verfassungsbeschwerde biss auf Granit. Sie wurde vom Bundesverfassungsgericht durch Nichtannahmebeschluss beschieden.
Arbeitsagentur hatte versehentlich einen ungünstigen Termin festgelegt
Das Amt hatte offenbar übersehen, dass der arbeitslos Gemeldete noch in einem Arbeitsverhältnis steht und ihn zu einem unpassenden Besprechungstermin eingeladen. Der Termin sollte an einem Vormittag stattfinden, an dem der Mann üblicherweise arbeitete. Das aber hatte der Sachbearbeiter, der den Termin bestimmte, versehentlich nicht berücksichtigt.
Keine Chance für Arbeitsagentur, den Fehler außergerichtlich zu korrigieren
Anstatt zum Hörer zu greifen und um einen anderen Termin zu bitten, beauftragte der zur Meldung aufgeforderte sogleich einen Anwalt. Auch der kam nicht auf die Idee, die Sache auf kurzem Weg gütlich zu klären. Er sorgte dafür, dass sein Mandant noch am selben Tag
- Widerspruch gegen die Meldeaufforderung einlegte
- und die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beim zuständigen Sozialgericht Köln (§ 86 b Abs.1 S.1 Nr. 2 SGG) beantragte.
In dem Moment, in dem die Bundesagentur für Arbeit hiervon erfuhr, verlegte sie den Termin. Der Anwalt des Mannes erklärte seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz für erledigt und das Sozialgericht hatte nur noch über die Kosten zu entscheiden.
Gewonnenen Rechtsstreit soll Beschwerdeführer selbst bezahlen
Das voreilige Anrufen des Gerichts und den nicht unternommenen Versuch einer Klärung mit der Bundesagentur für Arbeit bestrafte das Sozialgericht. Es entschied, dass der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens tragen sollte – obwohl er in der Sache Recht hatte. Darüber echauffierten dieser und sein anwaltlicher Vertreter sich so sehr, dass sie Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegten. Sie stützten ihr Begehren auf Art. 3 Abs.1 GG. Der Richterspruch sei willkürlich und verletze den arbeitslos Gemeldeten daher in seinem Gleichheitsgrundrecht.
BVerfG findet Kostenentscheidung akzeptabel
Das BVerfG konnte eine solche Grundrechtsverletzung nicht erkennen und lehnte es ab, hierüber zu urteilen. Ein Richterspruch ist nur dann willkürlich und verstößt gegen Art.3 Abs.1 GG, wenn
- er unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist und
- sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht.
Die Überlegungen, die das Sozialgericht bei seiner Kostenentscheidung anstellte, fand das BVerfG keineswegs abwegig, sondern durchaus nachvollziehbar. Den Ermessensspielraum, der ihm zustand (§ 193 SGG), hat der Sozialrichter genutzt, aber nicht überschritten.
Vor einstweiligem Rechtsschutz kein Antrag, aber eine kurz Anfrage nötig
Der SG-Richter hatte anerkannt, dass das Gesetz keinen förmlichen Antrag an die Arbeitsverwaltung verlangt, bevor einstweiliger Rechtsschutz gesucht wird. Dennoch meinte er,
- der arbeitslos Gemeldete bzw. sein Anwalt hätten sich mit der Bundesagentur in Verbindung setzen können und auch müssen, um abzuklären, ob sie zu einer Terminverschiebung bereit ist.
- Die Befassung des Sozialgerichts mit dieser Sache hätte sich dann wahrscheinlich erübrigt.
- Dieser unterlassene Versuch führte dazu, dass das Sozialgericht dem Mann sein allgemeines Rechtschutzbedürfnis für den Eilantrag absprach und ihm die Kosten aufbürdete.
(BVerfG, Beschluss v. 14.3.2018, 1 BvR 300/18).
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Hintergrund:
Es fehlt, nach verbreiteter Rechtsansicht, für den Sachantrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig an einem Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Betroffene nicht zuvor die Behörde mit seinem Rechtsschutzanliegen befasst hat, obwohl dies zumutbar gewesen wäre (Bayerisches LSG, Beschluss v. 5. 1.2015, L 15 VK 8/14 ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 28. 3. 2013, L 7 AS 370/13 B ER).