Kabinettsentwurf für eine StPO-Reform soll Justiz entlasten

Eindämmung des vermeintlichen Missbrauchs von Verteidigerrechten, das Recht der Befangenheitsanträge, verschiedene Änderungen im Beweisantragsrecht sowie Erweiterungen bei DNA-Reihenuntersuchungen stehen ganz oben auf der Reform-Agenda. Anwälte sind skeptisch: Gefährden die Reformpläne das Rechtsstaatsprinzip?

Bereits im Dezember 2016 hatte das Kabinett einen Gesetzentwurf zur Effektivitätssteigerung im Strafverfahren beschlossen, mit dem das Strafverfahren gestrafft und beschleunigt werden sollte und dessen Umsetzung seit Mitte 2017 zwar einige Änderungen, aber keine durchgreifende Reform gebracht hat.

Kabinett hat sich auf weitere Reform der StPO geeinigt

Die durch die seinerzeitige Reform eingeleiteten Änderungen und insbesondere eine Verschärfungen durch Schmälerung der Rechte der Verteidigung sollen nun in einem zweiten Reformgang ergänzt und - keineswegs zur allgemeinen Freude der Strafverteidiger – Verteidigerrechte zum Zwecke der Verfahrensstraffung zusätzlich einschränken.

Pakt für den Rechtsstaat

Die Änderungen sieht die Koalition auch als die von der Justiz mehrfach angemahnte  Erfüllung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Pakts für den Rechtsstaat.

Die mit der Reform verbundene bessere finanzielle Ausstattung der Justiz dürfte dabei der am wenigsten umstrittene Punkt der Reformen sein.

Verteidigerrechte würden durch die geplante StPO-Reform deutlich eingeschränkt

Im übrigen erfüllt die Reform im Wesentlichen die seit längerem erhobenen Forderungen des Deutschen Richterbundes zur  Straffung der Strafverfahren, insbesondere durch Beschränkungen der Rechte der Strafverteidigung im Rahmen von Befangenheitsanträgen und Beweisanträgen. Die Verteidiger sollen Strafverfahren durch angeblich immer häufiger in großer Zahl in Verschleppungsabsicht gestellte Beweis- und Befangenheitsanträge nicht mehr unnötig verzögern können.

Heiße Kiste: Generalklausel für Zurückweisung von missbräuchlichen Beweisanträgen

Das Justizministerium unter Führung von Katarina Barley hat nach einem Bericht des Spiegel im wesentlichen folgende Punkte erarbeitet:

  • Beweisanträge, die missbräuchlich gestellt wurden, sollen künftig ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung auf der Grundlage einer allgemeinen Missbrauchsklausel abgelehnt werden können.
  • Nach einem Befangenheitsantrag soll der Prozess über die Dauer von zwei Wochen weitergeführt werden können, ohne dass über den Befangenheitsantrag bereits entschieden wäre.
  • War ein Befangenheitsantrag erfolgreich, müssen sämtliche nach Stellung des Antrags durchgeführten Verhandlungstage wiederholt werden.
  • Die Befugnisse im Rahmen einer DNA-Analyse sollen ausgeweitet werden, wobei die Einzelheiten noch ausgearbeitet werden müssen. Ziel ist es, im Rahmen einer Reihenuntersuchung auch optische Merkmale und das Alter feststellen zu lassen.
  • Die Interessenvertretung mehrerer Nebenkläger soll in umfangreichen Verfahren künftig gebündelt werden können. Dieser Reformpunkt ist u.a. eine Auswirkung der Erfahrungen mit einer großen Zahl von Nebenklägern im NSU-Prozess.
  • Besetzungsrügen vor oder zu Beginn einer Hauptverhandlung sollen durch ein Beschwerdegericht endgültig entschieden werden, ohne dass die Entscheidung durch eine Revision angefochten werden kann.
  • Bei Sexualdelikten soll die richterliche Vernehmung von Opfern in der Hauptverhandlung durch eine Videoaufzeichnung verwendet werden können. Dies soll dem besseren Schutz der Opfer in der Öffentlichkeit dienen.

Flankierende Verfahrensregeln zur Vereinheitlichung der Strafverfahren

Einige der geplanten Neuerungen betreffen die Rahmenbedingungen der Verfahren:

  • So sollen einheitliche Standards für die Vereidigung von Gerichtsdolmetschern gesetzt werden;
  • die Fristen zur Unterbrechung der Hauptverhandlung im Hinblick auf Mutterschutz und Elternzeit sollen harmonisiert werden. Dabei sollen einerseits die Bedürfnisse von Familie und Beruf berücksichtigt werden, andererseits soll verhindert werden, dass Verfahren beispielsweise wegen einer beginnenden Elternzeit nicht weitergeführt werden können und neu begonnen werden müssen.

Wegen Letzterem waren schon einige längere Verfahren in die überlange Verfahrensdauer gerutscht bzw. Gewalttäter wegen zu langer U-Haft auf freien Fuß gesetzt worden.

Koalition im Grundsatz bereits einig

Nach dem Bericht des Spiegel hat das CDU-geführte Innenministerium dem Arbeitspapier des BMJU bereits grundsätzlich zugestimmt. Damit dürften die geplanten Änderungen kurzfristig in einen Gesetzentwurf münden. Mit der Reform würde die Straffung der Strafverfahren zumindest zum Teil auf Kosten der Beschuldigten- und Verteidigerrechte, die bereits 2017 durch Verschärfungen im Beweisantragsrecht sowie bei Befangenheitsanträgen in die Wege geleitet wurde, weiter fortgeführt.

Gefährden die Reformpläne das Rechtsstaatsprinzip?

Die Bundesregierung verfolgt mit der geplanten Reform das Ziel, eine deutliche Beschleunigung und damit effektivere Gestaltung der Verfahren zu erreichen, ohne – wie das BMJV behauptet - wesentliche Rechte der Beschuldigten zu beschränken. Insbesondere Strafverteidiger kritisieren die Reformpläne scharf.

  • Bis heute fehle es an der von Strafverteidigern seit langem geforderten partizipatorischen Ausgestaltung des Ermittlungsverfahrens →Ergebnisse des 2. Strafkammertag.
  • Demgegenüber suche der Gesetzgeber offensichtlich sein Heil darin, die Rechte der Strafverteidiger immer mehr zu beschränken, um dadurch eine Straffung der Strafverfahren zu erreichen.
  • Dies gehe im Ergebnis zulasten der Beschuldigten und ihrer grundlegenden strafprozessualen Rechte
  • und führe damit im Ergebnis zu einer gefährlichen Einschränkung des Rechtsstaatsprinzips.

Mit dieser Kritik wird die Koalition sich noch zu beschäftigen haben. Unter Dach und Fach ist die Reform noch nicht.

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Strafprozess soll von "Ballast" befreit werden

Die Richter streben - so auch die vom Gesetzgeber häufig umgesetzten Forderungen vom Deutschen Strafkammertag - vor allem eine zügigere und effizientere Durchführung des Strafprozesses an. Aus diesem Grunde wollen sie

  • den Strafprozess von "alten Zöpfen" befreien
  • und straffere Regeln zur Abwendung von aus ihrer Sicht unnötigen Verzögerungen,
  • nicht zuletzt durch ausufernde Anträge von Strafverteidigern und Nebenklägerin, einführen.
Schlagworte zum Thema:  Richter, Rechtsanwalt, Strafrecht