Gerichtsvollzieher zur Aufenthalts-Ermittlung verpflichtet

Der Gerichtsvollzieher ist auch bei Bagatellforderungen verpflichtet, die Meldeanschrift des Schuldners durch Befragung des Vermieters zu überprüfen. Investigativ muss er nach einer Entscheidung des Landgerichts Verden aber nicht tätig werden, um die neue Wohnanschrift des Schuldners herauszubekommen.

In dem Fall betrieb der Gläubiger gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid wegen einer Hauptforderung über 163,63 Euro mit Zinsen und Kosten. Er beantragte, den Schuldner zur Abnahme der Vermögensauskunft zu laden, wobei er darauf hinwies, dass der Schuldner ausweislich der im Vollstreckungsverfahren wiederholt eingeholten Einwohnermeldeamtsauskünfte seit mehreren Jahren unter der Anschrift „A-Straße …“ gemeldet sei. Zudem wies der Gläubiger darauf hin, dass es sich bei dem Objekt „A-Straße …“ um ein Mietshaus mit vier Parteien handele und keines der Namensschilder an der Anschrift auf den Namen des Schuldners lautete. Im Rahmen ihrer Kostenrechnung teilte die Gerichtsvollzieherin mit, dass der Schuldner unbekannt verzogen sei. Dies habe die Nachbarin glaubhaft bekundet, die angegeben habe, dass der Schuldner seit längerer Zeit nicht mehr unter der Meldeanschrift wohnhaft sei.

Gerichtsvollzieher muss offizielle Wohnanschrift selbst überprüfen 

Dagegen legte der Gläubiger Erinnerung ein und beantragte, die Gerichtsvollzieherin anzuweisen, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen. Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers hatte vor dem Landgericht Verden Erfolg. Danach durfte die Gerichtsvollzieherin die Zwangsvollstreckung vorliegend mit der Begründung des unbekannten Aufenthalts des Schuldners nicht ohne weitere Ermittlungen einstellen. Mit der Befragung einer direkten Nachbarin und der Kontrolle der Klingelschilder habe die Gerichtsvollzieherin ihren Ermittlungspflichten noch nicht Genüge getan. Vielmehr hätte sie durch Befragung des Vermieters oder des Hauswirts ermitteln müssen, ob der Schuldner verzogen ist oder das Mietverhältnis andauert. Allein auf Grundlage der Angaben der Nachbarin konnte die Gerichtsvollzieherin nach Ansicht des Gerichts nicht zweifelsfrei feststellen, dass der Schuldner unbekannt verzogen sei. Denn sie habe nicht positiv ermittelt, dass unter der weiterhin aktuellen Schuldneranschrift ein neuer Mieter lebt. Zwar könne einer Gerichtsvollzieherin angesichts des Zeitaufwandes nicht abverlangt werden, investigativ tätig zu werden. Offenkundigen Anhaltspunkten und mühelos feststellbaren Äußerlichkeiten sei jedoch nachzugehen. Aufgrund der Einführung des § 755 ZPO bestehe seit dem 1.1.2013 eine erweiterte Verpflichtung zur Aufenthaltsermittlung. Wenn der Gerichtsvollzieher nunmehr ermächtigt und verpflichtet sein kann, aktuelle Schuldneranschriften über bestimmte Behörden ermitteln zu lassen, so ist er erst recht berechtigt bzw. verpflichtet, die offiziell gültige Meldeadresse selbst zu überprüfen, betonte das Gericht.

Vermieter kennt möglicherweise neuen Aufenthalt 

Im Gegensatz zum Gerichtsvollzieher verfüge der Gläubiger über keine staatliche Autorität. Dritte seien dem Gläubiger nicht auskunftspflichtig. Daher könne es nicht Aufgabe des Gläubigers sein, die Meldeanschrift zu überprüfen. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts entfalle die Erforderlichkeit den Wohnungsvermieter des Schuldners über dessen Verbleib zu befragen nicht dadurch, dass es sich im vorliegenden Fall um die Beitreibung einer Bagatellforderung handele. Bei der Frage der pflichtgemäßen Wahrnehmungen und Bemühungen der Gerichtsvollzieherin geht es laut Richterspruch nämlich nicht um die Höhe der beizutreibenden Forderung, sondern um die Ermöglichung der Durchführung der Zwangsvollstreckung an sich. Die Ermittlung des Vermieters wäre gerade im Gespräch mit der Nachbarin ohne viel Aufwand zu ermitteln gewesen. Es besteht nach Ansicht der Verdener Richter eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Vermieter wegen Abwicklung der Mietkautionsrückzahlung und der Mietnebenkosten Informationen über den Verbleib des Schuldners hat.

(LG Verden, Beschluss v. 31.5.2016, 6 T 2/16)

 

Weitere News zum Thema Gerichtsvollzieher:

Voraussetzungen für die Einholung von Drittauskünften

Rechtsschutzbedürfnis für Nachbesserung der Vermögensauskunft

Schlagworte zum Thema:  Zwangsvollstreckung, Gerichtsvollzieher