
Bereits seit dem 1.1.2018 ist im elektronischen Rechtsverkehr die Containersignatur unzulässig. Die Rechtsänderung durch die Verordnung zum Elektronischer Rechtsverkehr (ERVV), die das BSG nun bestätigt hat, wurde in der Praxis bisher nicht hinreichend wahrgenommen. Sie kann leicht zum Versäumen von Fristen führen. Einen Ausweg bietet dann nur noch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Spätestens seit der misslungenen Einführung des beA hat sich auch unter Anwälten die enorme Komplexität der elektronischen Dokumentenverwaltung und –übermittlung herumgesprochen. Einen weiteren, bisher von den meisten Anwälten zu wenig beachteten Stolperstein enthält der seit dem 1.1.2018 gültige § 4 Abs. 2 ERVV (Elektronischer Rechtsverkehr VO).
Containersignatur ist keine rechtswirksame Unterzeichnung
Die ERVV definiert die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs. Die gemäß § 5 ERVV erfolgte Bekanntmachung enthält Erläuterungen und Ergänzungen.
- Gemäß § 4 Abs. 2 ERVV ist die Übermittlung mehrerer elektronischer Dokumente mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur unzulässig.
- Damit wird die gerne und häufig genutzte, sogenannte Containersignatur unzulässig, denn die Containersignatur betrifft nicht unmittelbar ein bestimmtes Dokument, vielmehr bezieht sich die Signatur auf den gesamten elektronischen Container, in dem das Dokument enthalten ist.
- Im Rahmen elektronischer Aktenführung kann dies zu Problemen bei der Herstellung des Bezugs der Signatur zu einem bestimmten Dokument führen.
Gefährliche Folge: Die fristwahrende Wirkung entfällt
Mit dieser Regelung in der #ERVV haben seit 1.1.2018 mit einer #Containersignatur übermittelten Dokumente keine #fristwahrende Wirkung mehr, wie das #BSG nun ausdrücklich festgestellt hat.
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Nach dem Beschluss des BSG erfüllen
- elektronische Dokumente, die über das EGVP (elektronisches Gerichts und Verwaltungspostfach) eingehen
- und nicht mit einer auf das jeweilige Einzeldokument bezogenen qeS (qualifizierte elektronische Signatur) versehen sind,
- sondern mittels einer den Nachrichten-Container bzw. weitere Container umfassenden Containersignatur übermittelt werden,
seit dem 1.1.2018 nicht die Anforderungen nach § 65a Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 SGG, wonach elektronisch übermittelte Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein müssen.
Untauglichkeit der Containersignatur gilt auch für Zivilverfahren
Hinweis: Eine korrespondierene Vorschrift enthält § 130 a ZPO. Im Hinblick auf die alte Rechtslage hatte der BGH die Containersignatur als hinreichend erachtet (BGH, Beschluss v. 4.5.2013, VI ZB 7/13).
Contaunersignatur wird auch nicht durch Zugangsfiktion gerettet
Nach der Entscheidung des BSG hilft auch die Fiktion eines früheren Zugangs gemäß § 65 a Abs. 6 SGG nicht. Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen, in denen ein elektronisches Dokument übermittelt wurde, das für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet ist, dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen.
- Das Dokument gilt als zum früheren Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen,
- sofern der Absender das Dokument unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form einreicht
- und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
Die Vorschrift umfasst nach Auffassung des BSG nach ihrem Wortlaut nur Dokumente, die zur Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet sind. Dokumente mit einer Containersignatur seien aber regelmäßig grundsätzlich zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet. Aus diesem Grunde helfe die Fiktion des früheren Zugangs hier nicht.
BSG beklagt erhebliche Rechtsschutzlücke durch beA-Verzögerung
Da das mit der Möglichkeit der elektronischen Signatur verbundene beA nach wie vor nicht zur Verfügung steht, führt dies nach der Auffassung des BSG zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und Rechtsschutzlücke. Da Rechtsmittel und Rechtsmittelbegründungen streng fristgebunden sind, drohe in vielen Fällen die Unzulässigkeit dieser Rechtsmittel.
- Nach dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes, seien die Absender in diesen Fällen unverzüglich auf die fehlerhafte Signatur hinzuweisen
- und zwar nach Möglichkeit so, dass der Mangel noch fristwahrend behoben werden kann.
- Gegebenenfalls sei auf Antrag großzügig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(BSG, Beschluss v. 9.5.2018, B 12 KR 26/18).
Abweichende Entscheidung des OLG Brandenburg
Das OLG Brandenburg hatte in einem ähnlichen Fall anders entschieden und eine teleologische Reduktion des § 4 ERVV ins Spiel gebracht.
- Danach soll eine Containersignatur zulässig sein, wenn das Gericht selbst noch keine elektronischen Akten führt,
- die mit der Containersignatur eingereichten Dokumente sämtlich das gleiche Verfahren betreffen
- und dann bei Gericht in der konventionellen Papierakte landen (OLG Brandenburg, Beschluss v. 6.3.2018, 13, WF 45/18).