Einseitige Homepage rechtfertigt Sachverständigen-Ablehnung

Wenn sich ein Bundesliga-Schiedsrichter auf seiner Homepage als leidenschaftlicher Bayern-Fan outet, dürfte es vorbei sein mit seiner Karriere als Referee. Bei gerichtlich bestellten Sachverständigen ist es ähnlich. Sind sie pauschal gegen eine Seite eingestellt, droht ihnen die Ablehnung wegen Befangenheit.

Nach § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen (§ 42 Abs. 1 u. 2 ZPO). Diese Erfahrung musste kürzlich ein medizinischer Sachverständiger vor dem Oberlandesgericht Koblenz machen. Er hatte auf seiner Homepage ganz offensichtlich seine Patientennähe hervorgehoben und massiv die kritische Distanz zu Klinikbetreibern betont.

Glasklare Einstellung?

Die Koblenzer Richter entscheiden, dass dies die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen im Gerichtsverfahren unter Beteiligung von Klinikbetreibern begründe. Denn in einem solchen Fall könne ein Sachverständiger den Eindruck der fehlenden Neutralität erwecken. Es sei aber seine Pflicht, im gerichtlichen Verfahren den Anschein der Voreingenommenheit und Parteilichkeit gerade zu vermeiden.

Klinikbetreiber sind schuld

Der Sachverständige erstattete in einem Schadensersatzprozess einer Patientin gegen eine Mainzer Klinik, deren Geschäftsführer, die behandelnde Anästhesistin und eine Medizinstudentin ein mündliches Gutachten. Drei Beklagte lehnten ihn im Anschluss wegen der Besorgnis der Befangenheit u.a. mit der Begründung ab, der Sachverständige sei auf seiner Homepage in pauschalisierender Weise gegen die Behandlerseite eingestellt und damit als gerichtlich eingesetzter Gutachter nicht unvoreingenommen.

Auf seiner Homepage Patientennähe betont

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Koblenzer Richter führten dagegen in ihrem Beschuss aus, die Gestaltung der Homepage des Sachverständigen rechtfertige Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit, die von ihm im gerichtlichen Verfahren zu fordern sind.

  • Er hebe in dem Internet-Auftritt ausdrücklich und mehrfach seine Patientennähe hervor.

  • Es gehe ihm erkennbar und grundsätzlich darum, eine kritische Distanz zu den Klinikbetreibern zu dokumentieren, denen er pauschal organisatorische Mängel, Behandlungsfehler und Gewinnstreben unterstelle.

  • Die Homepage sei geprägt von seiner veröffentlichten Meinung, infolge einer zu missbilligenden, am Gewinnstreben orientierten schlechten Organisation der Patientenversorgung in Krankenhäusern und Arztpraxen komme es zu Patientenschädigungen.

Die Überschrift „Patientensicherheit vs. Sparen“ präsentiere er dabei als „Grundidee“. Auf nahezu allen Seiten der Internetpräsenz fänden sich Darstellungen dieser Problematik, ausschließlich mit der Maßgabe, der Fehler liege auf Behandlungsseite. Die Beklagten hätten daher berechtigte Zweifel an der Unbefangenheit des Gutachters.

Auch noch Grenzen seines Gutachtenauftrags überschritten

Dabei hat das Gericht klarstellend betont, die Darstellungen des Sachverständigen im Rahmen seines Internetauftritts seien nicht grundsätzlich zu missbilligen, vielmehr sei das zum Ausdruck kommende Streben nach Patientensicherheit anerkennenswert. Hiervon grundsätzlich zu unterscheiden sei jedoch der Umstand, dass der Sachverständige infolge seiner bewussten und veröffentlichten Hinwendung ausschließlich zu Patienteninteressen und der Schaffung einer erkennbaren Distanz zu den Klinikbetreibern aus deren Sicht als Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren nicht mehr als unvoreingenommen anzusehen ist.

Erschwerend kam vorliegend hinzu, dass der Sachverständige bei der Erstattung seines Gutachtens vor dem Landgericht die Grenzen seines Gutachtenauftrags überschritten und zu Themen Stellung genommen hat, zu denen er nicht beauftragt war.

(OLG Koblenz, Beschluss v. 24.1.2013, 4 W 645/12).