BGH zur Kontrolle von Faxnummern bei fristwahrender Versendung

Eine wirksame Fristenkontrolle erfordert exakte Anweisungen des Rechtsanwalts an das Kanzleipersonal zur Versendung fristgebundener Schriftsätze. Dazu gehört bei einem Faxversand der Abgleich der Empfängerrufnummer mit einer zuverlässigen Quelle. Doch was ist eine zuverlässige Quelle?

Die fristwahrende Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax erfordert in der Anwaltskanzlei geeignete organisatorische Vorkehrungen, die sicherstellen, dass Fehlerquellen im größtmöglichen Umfang ausgeschlossen werden.

Hierzu gehören entsprechende Anweisungen an das Büropersonal, das im Rahmen der Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax die Faxnummer des adressierten Gerichts entweder vor der Versendung oder anhand des Sendeberichts mit einer zuverlässigen Quelle vergleichen muss.

Berufung ging wegen falscher Faxnummer verspätet bei Gericht ein

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte ein Rechtsanwalt für die unterlegene beklagte Partei Berufung gegen ein Urteil des LG Köln eingelegt. Der Berufungsschriftsatz sollte am letzten Tag der Berufungsfrist per Telefax an das OLG Köln übermittelt werden.

Aufgrund eines Fehlers in der Kanzleisoftware war als Telefaxnummer des Empfängers nicht die Telefaxnummer des OLG Köln, sondern die Telefaxnummer des LG auf dem Schriftsatz eingetragen. Infolgedessen wurde der Berufungsschriftsatz fälschlicherweise an das LG gefaxt und ging nach Weiterleitung an das OLG dort erst mit einem Tag Verspätung ein.

Detaillierte Anweisungen an das Büropersonal

In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand legte der Beschwerdeführer dar, dass die in seiner Anwaltskanzlei seit mehreren Jahren verwendete Kanzleisoftware bei Erstellung eines Schriftstücks selbstständig die Adressierung einschließlich Telefaxnummer des adressierten Gerichts in den Schriftsatz einfügt, sobald das zutreffende Gericht im Adressfeld von der Kanzleimitarbeiterin angeklickt wird. Dennoch habe er sein Personal zusätzlich angewiesen,

  1. im Fall der Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax auf dem konkreten Schriftsatz nochmals zu prüfen, ob die zutreffende Anschrift sowie die richtige Telefaxnummer des Empfängergerichts eingetragen ist.
  2. Bei bereits bestehenden Vorgängen habe der Abgleich mit dem jüngsten Schreiben des Adressaten (Gerichts) zu erfolgen,
  3. im Falle eines neuen Vorgangs laute die Anweisung, den Datenabgleich mit der Internetseite des Gerichts vorzunehmen.

Fehler in der Datenverarbeitung war Ursache für falsche Faxnummer

Der Anwalt versicherte an Eides statt, im konkreten Fall habe eine seit zehn Jahren als zuverlässig und sorgfältig bekannte Kanzleiangestellte die Versendung übernommen. Zur Eintragung der falschen Telefaxnummer sei es wahrscheinlich dadurch gekommen, dass kurz zuvor in der Kanzlei eine Änderung der Formatvorlagen stattgefunden habe und hierbei ein Fehler in der elektronischen Datenverarbeitung entstanden sei. Nach dem Telefaxversand habe die Mitarbeiterin die Faxnummer auf den Schriftsatz mit derjenigen auf dem Faxprotokoll abgeglichen. Da diese identisch gewesen seien, habe sie den Versand als ordnungsgemäß angesehen.

LG weist Wiedereinsetzungsantrag ab

Das LG hatte den Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen mit der Begründung, der Abgleich der Telefaxnummer auf dem Faxprotokoll mit derjenigen auf der Berufungsschrift durch die Kanzleiangestellte sei nicht ausreichend gewesen. Nach der Rechtsprechung des BGH sei der Abgleich der Telefaxnummer mit einer zuverlässigen Quelle erforderlich, d.h. die Kanzleiangestellte hätte die Telefaxnummer auf dem Faxprotokoll beispielsweise mit der Internetseite des OLG abgleichen müssen. Der Abgleich lediglich mit der auf dem Berufungsschriftsatz angegebenen Faxnummer erfülle dieses Erfordernis nicht und sei zu mindestens fahrlässig.

BGH verneint Verschulden des Prozessbevollmächtigten

Entgegen der Vorinstanz verneinte der BGH ein Verschulden der Beschwerdeführerin an der Fristversäumnis. Der Rechtsanwalt habe glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er sein Personal angewiesen habe, bei Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig an das richtige Gericht übermittelt worden sei.

Abgleich der Telefaxnummer mit zuverlässiger Quelle erforderlich

Auch nach Auffassung des BGH darf sich die Überprüfung allerdings grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Faxnummer auf dem Prüfprotokoll mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr müsse der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist.

Nur so könne ein Fehler bei der Übertragung der Faxnummer in den Schriftsatz ausgeschlossen werden (BGH, Beschluss v. 14.11.2019, IX ZB 18719; BGH, Beschluss v. 19.12.2017, XI ZB 16/17).

Überprüfung anhand sicherer Quelle nur einmal erforderlich

Die organisatorische Anweisung zum Abgleich der Faxnummer genügt nach der jetzigen Entscheidung des BGH aber auch dann dem Erfordernis des Abgleichs mit einer sicheren Quelle, wenn sichergestellt ist, dass die in den Schriftsatz übernommene Telefaxnummer ihrerseits aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist und die Anweisung besteht, die ermittelte Faxnummer vor der Versendung auf eine Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Der Sendebericht muss dann nicht mehr zusätzlich mit der zuverlässigen Ausgangsquelle verglichen werden.

Ausreichend detaillierte Anweisungen an Personal

Nach der Bewertung des BGH hatte der Rechtsanwalt im konkreten Fall ausreichend glaubhaft gemacht, eine diesen Erfordernissen genügende Anweisung gegeben zu haben. Auch die Kanzleiangestellte selbst habe eidesstattlich versichert, der Rechtsanwalt habe die allgemeine Anweisung erteilt, vor dem Faxversand zu prüfen, ob die Telefaxnummer des im Schriftsatz angegebenen Gerichts richtig ist. Damit sei ein Abgleich mit einer zuverlässigen Quelle außerhalb des kanzleiinternen Systems gewährleistet. In diesem Fall sei nach der Versendung ein Abgleich zwischen der auf dem Sendeprotokoll ausgewiesen Faxnummer mit derjenigen auf dem versandten Schriftstück ausreichend.

Gilt bewährte Kanzleisoftware als zuverlässige Quelle?

Die ebenfalls interessante Frage, ob auch die Kanzlei-Software selbst als zuverlässige Quelle für die Ermittlung der Faxnummer des Gerichts gewertet werden kann, konnte der BGH an dieser Stelle offenlassen. Der Senat ließ mit Blick auf frühere Entscheidungen allerdings die Tendenz erkennen, dass auch eine sich als zuverlässig bewährte Kanzlei- Software eine solche sichere Quelle für die richtige Telefaxnummer sein kann (BGH, Beschlüsse v. 4.4.2007, III ZB 108/06 und 109/06).

Antrag auf Wiedereinsetzung erfolgreich

Im Ergebnis gab der BGH der Rechtsbeschwerde gegen die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags durch das OLG statt und gewährte der Prozesspartei für die Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

(BGH, Beschluss v. 20.3.2021, VIII ZB 37/19)

Hintergrund: BGH und Fristenkontrolle

Immer wieder hat der BGH Veranlassung, sich mit den Erfordernissen der Fristenkontrolle in der Anwaltskanzlei zu befassen. So hat der BGH bereits mehrfach klargestellt, dass ein Rechtsanwalt grundsätzlich befugt ist, routinemäßige Büroarbeiten auf ausgebildete, erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte zu übertragen. Hierzu gehört auch die Erledigung der ausgehenden Post und auch die Versendung von fristgebundenen Telefax-Schreiben (BGH, Beschluss v. 28.1.2018, IX ZB 4/17). Dies entbindet den Rechtsanwalt aber nicht von der Verpflichtung, durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Fehlerquellen beim Umgang mit Rechtsmittelfristen hat er nach Möglichkeit auszuschließen (BGH, Beschluss v. 29.10.2019, VIII ZB 103/18).

Grundsätze der Fristenkontrolle

Die erforderliche Ausgangskontrolle ist so zu organisieren ist, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumnisse bietet. Hierzu gehört, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder als erledigt gekennzeichnet werden dürfen, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt wurde.

Für fristgebundene Schriftsätze heißt das, erst wenn der Schriftsatz gefertigt und abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden ist, darf eine Frist gestrichen oder als erledigt gekennzeichnet werden. Dies hat der Anwalt durch eine klare Allgemeinanweisung gegenüber seinem Büropersonal sicherzustellen (BGH, Beschluss v. 9.12.2014, VI ZB 42/13; Beschluss v. 22.10.2010, VII ZB 117/10; Beschluss v. 17.3.2020, VI ZB 99/19).

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