Anscheinsbeweis: Beweiswert der Zugangsbestätigung einer E-Mail

Wann taugt eine E-Mail im Prozess als Beweismittel? Für den Zugang einer E-Mail, für die der Absender eine Zugangsbestätigung erhalten hat, gilt der Beweis des ersten Anscheins. Der Empfänger kann den Zugang nur bestreiten, indem er - beispielsweise durch Vorlage seines E-Mail-Kontos - plausibel darlegt, dass er die E-Mail nicht erhalten hat.

Die Klägerin hat eine Fluggesellschaft aus abgetretenem Recht auf Ausgleichszahlung in Höhe von 400 Euro aufgrund einer Flugverspätung in Anspruch genommen. Die Klägerin behauptete, die beklagte Fluggesellschaft mit E-Mail vom 12.7.2017 zur Ausgleichszahlung in Höhe von 400 Euro aufgefordert und ihr eine Zahlungsfrist bis zum 27.7.2017 gesetzt zu haben. Nach Ablauf der Frist hatte die Klägerin die Fluggesellschaft auf Zahlung des geforderten Ausgleichs von 400 Euro zuzüglich Verzugszinsen verklagt.

Zugang der Verzug begründenden E-Mail pauschal bestritten

Im Prozess erklärte die beklagte Fluggesellschaft ein sofortiges Anerkenntnis des Zahlungsanspruchs und verwahrte sich gegen den von der Klägerin über die Ausgleichzahlung hinaus geltend gemachten Zinsanspruch. Sie bestritt, die E-Mail mit der entsprechenden Zahlungsaufforderung erhalten zu haben. Mangels Zugangs der Zahlungsaufforderung sei sie nicht in Verzug geraten, so dass der Zinsanspruch nicht gerechtfertigt sei.

Amtsgericht hält den Zinsanspruch für begründet

Das AG Köln verurteilte die Beklagte entsprechend dem von ihr abgegebenen Anerkenntnis und verpflichtete die Fluggesellschaft zusätzlich zur Zahlung der geltend gemachten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 27.7.2017. Der Zinsanspruch war nach Auffassung des AG begründet, da die Beklagte sich infolge der Nichtzahlung trotz Fristsetzung seit dem 27.7. 2017 in Verzug befunden habe.

Wirksamer Verzugseintritt durch E-Mail

Den Verzugseintritt begründete das AG mit der per E-Mail vom 12.7.2017 erfolgten Aufforderung zur Zahlung. Diese Erklärung sei der Fluggesellschaft zugegangen.

  • Gemäß § 130 Abs.1 Satz 1 BGB gehe eine Erklärung dem Empfänger zu, wenn sie so in dessen Machtbereich gelangt, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.
  • Dem Erklärenden stehe grundsätzlich frei, eine von mehreren Zustellungsmöglichkeiten zu wählen wenn der Empfänger eine entsprechende Empfangseinrichtung besitzt.
  • Auf ihrer Internetseite weise die beklagte Fluggesellschaft unter „Kontakt“ ausdrücklich auf ihre Mail-Adresse hin.
  • Die Klägerin habe daher davon ausgehen dürfen, dass diese Adresse auch für die Nutzung im Geschäftsverkehr bestimmt sei.

Vorlage der E-Mail allein beweist noch nicht deren Zugang

Die E-Mail-Adresse war nach Auffassung des AG auch in Machtbereich der Fluggesellschaft gelangt.

  • Eine E-Mail gelange dann in den Machtbereich des Empfängers, wenn sie in der Mailbox des Empfängers oder der des Providers abrufbar gespeichert wird.
  • Dafür, dass dies geschehen sei, trage der Absender die Beweislast.
  • Die Vorlage eines Ausdrucks der E-Mail genüge dieser Beweislast allein grundsätzlich nicht.
  • Könne der Absender allerdings durch Vorlage eines Ausdrucks aus dem Postausgangssystem die Bestätigung des Abrufs der E-Mail vom Server auf das E-Mail Konto des Empfängers darlegen,

 so löse diese Eingangsbestätigung den Beweis des ersten Anscheins eines ordnungsgemäßen Zugangs aus.

Manipulation einer Zugangsbestätigung ist zu untypisch, um sie anzunehmen

Sei zwar nicht zu verkennen, dass eine solche Aufzeichnung durch die beweisbelastete Partei manipuliert werden könne,dies sei aber ein so untypischer Geschehensablauf, dass ein pauschales Bestreiten des Zugangs durch den Empfänger für die Annahme einer solchen Möglichkeit nicht ausreiche.

In einem solchen Fall müsse der Empfänger vielmehr plausibel – z.B. durch das Posteingangsprotokoll - darlegen, dass ihn die Mail nicht erreicht habe.

Erklärung in Deutsch auch an ausländische Internetadresse zulässig

Das AG beschäftigte sich ergänzend mit der Frage, welche Sprache bei einer solchen E-Mail benutzt werden darf. Die Klägerin hatte die E-Mail nämlich in deutscher Sprache an die auf der Internetseite der Fluggesellschaft angegebene tunesische E-Mail-Adresse gesandt. Hierzu stellte das AG klar, dass der Besucher einer Internetseite davon ausgehen darf, dass eine Kontaktaufnahme in der Sprache erfolgen kann, in der die Internetseite gehalten ist, auf welcher die E-Mail-Adresse angegeben wird. Die Abfassung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung müsse nicht in der Sprache des Landes erfolgen, zu dem die Internetadresse gehöre.

(AG Hamburg, Urteil v. 27.4.2018, 12 C 214/17).

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