Ängstliche Schöffin: Nur befangen oder Grund für Amtsenthebung?

Das Amt eines Schöffen ist insbesondere bei Gewaltverbrechen keine leichte Aufgabe. Aber deshalb gleich die Flinte ins Korn werfen geht auch nicht. Das Oberlandesgericht Celle hat deshalb eine überängstliche Schöffin ihres Amtes enthoben.

Die Frau hatte sich kurzerhand in einem Strafverfahren deshalb für befangen erklärt, weil sie wegen ihrer Tätigkeit um das Leben ihrer Familie fürchtete und deshalb, falls sie als Schöffin von dem Fall nicht entbunden würde, in jedem Fall für einen Freispruch des Angeklagten stimmen würde.

Durch Medienberichte aufgeschreckt

Diese Schlussfolgerung hatte sie nicht etwa aus konkreten Morddrohungen der kriminellen Szene gezogen, sondern nach der Lektüre von allgemein gehaltenen Presseberichten zu dem anstehenden Strafprozess. Die große Strafkammer des Landgerichts Stade als Schwurgericht erklärte daraufhin diese Selbstablehnung der Ergänzungsschöffin für begründet.

Streichung von der Schöffenliste

Der Vorsitzende der Strafkammer hat die Sache daraufhin dem Vorsitzenden einer anderen Strafkammer vorgelegt mit der Bitte um Prüfung der Streichung von der Schöffenliste gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 GVG.

In einer Anhörung hat die Schöffin erklärt, es tue ihr leid, wenn sie durch ihr Handeln ihre Amtspflicht als Schöffin gröblich verletzt habe. Dies sei nicht ihre Absicht gewesen und sie bitte, ihr Handeln zu entschuldigen. Sorge und Angst um ihre Familie hätten sie gehindert, ihr Schöffenamt wahrzunehmen.
Schlechte Zukunftsprognose gibt es auch für Schöffen

Das OLG Celle entschied: Die Schöffin hat ihre Amtspflichten gröblich verletzt. Eine zur Amtsenthebung führende gröbliche Verletzung von Amtspflichten sei nach Sinn und Zweck der Vorschrift dann anzunehmen, wenn der Schöffe ein Verhalten zeigt, das ihn aus objektiver Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten ungeeignet für die Ausübung des Schöffenamtes macht, weil er nicht mehr die Gewähr bietet, unparteiisch und nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden.

Nicht nur befangen

Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei zwar zu beachten, dass das Verhalten eines Schöffen, das lediglich im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit begründet, nicht ausreicht, um ihn des Amtes zu entheben. „In einem solchen Fall bieten die Befangenheitsvorschriften ausreichende Reaktionsmöglichkeiten. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich aus der Äußerung der Schöffin ergibt, dass sie allein aus der Presseberichterstattung Schlussfolgerungen im Hinblick auf eine Gefährdung ihrer Person und ihrer Familienangehörigen gezogen hat.

Es ist daher zu befürchten, dass dies auch in Zukunft bei weiteren Fällen, in denen den Angeklagten Gewaltverbrechen zur Last gelegt werden, der Fall sein wird, etwa dann, wenn es sich um angeklagte Taten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität handelt“, sorgte sich nun auch das Gericht.

  • Es bestehe daher die Befürchtung, dass die Schöffin auch in weiteren Fällen nicht unparteilich, sondern aus Sorge um sich und ihre Familienangehörigen zugunsten der Angeklagten ohne Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme entscheiden werde.
  • Die Celler Richter zogen daraus die Konsequenzen: „Dies lässt sich mit den Pflichten einer ehrenamtlichen Richterin nicht vereinbaren und stellt, da es den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit berührt, auch eine grobe Pflichtverletzung dar.
  • Aus den genannten Gründen erweist sich die Amtsenthebung als das einzige geeignete, erforderliche und angemessene Mittel, um auf diese Pflichtverletzung zu reagieren“.

(OLG Celle, Beschluss vom 23.09.2014, 2 ARs 13/14).

Schlagworte zum Thema:  Befangenheit, Richter, Gerichtsverfahren