ZPO-Reform plant Effizienzsteigerung und Richterspezialisierung

Das BMJV hat den Referentenentwurf zur Reform der ZPO vorgelegt. Schwerpunkte sind die dauerhafte Beibehaltung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde sowie Effizienzsteigerung des Zivilprozesses durch mehr Prozessökonomie sowie deutlich stärkere Richterspezialisierung. Die ursprünglichen Pläne der Landesjustizminister setzt die Reform nur zum Teil um.

Auf der Herbstkonferenz der Justizminister in Tübingen im November 2018 war die Reform der ZPO ein wichtiger Punkt der Tagesordnung. Das BMJV macht nun zumindest teilweise ernst und legt einen Gesetzentwurf zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften“ vor.

Die Konferenz der Justizminister fand am 15.11.2018 unter Vorsitz des Landes Thüringen in Berlin statt. Die zweimal jährlich stattfindende Konferenz bemühte sich, Impulse für die rechtspolitische Entwicklung in Deutschland und auch in Europa setzen.

Der vom BMJV jetzt vorgelegte Gesetzentwurf greift deutlich kürzer, nimmt aber einen Teil der Reformvorschläge auf.

Themen der 89. Justizministerkonferenz (JuMiKo)

Die Schwerpunkte lagen auf verbesserte Ressourcen und mehr Effizenz  in der der Justiz und im Verfahrensrecht. Außerdem ging es um die Behebung offenkundig gewordener Probleme und Schwachstellen und die Einforderung im Koalitionsvertrag der jetzigen Regierung gemachter Zusagen.

  • im Koalitionsvertrag versprochener Pakt für einen effizienten Rechtsstaat,
  • die Stärkung des Zivilprozesses durch Reformen,
  • die Vorbereitung eines - ebenfalls im Koalitionsvertrag versprochenen - digitalen Neustarts,
  • die Reform des Verwaltungsprozessrechts,
  • die umweltrechtliche Verbandsklage,
  • die Reform des Stiftungsrechts,
  • ein besserer Opferschutz in Gewaltschutzverfahren,
  • mehr Geschlechterparität bei ehrenamtlichen Richtern,
  • die Stärkung der Gleichberechtigung von Vätern in der Elternzeit,
  • die Klärung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs nach der Entscheidung des BVerfG zur Fixierung von Personen in Einrichtungen,
  • die Stärkung der strafrechtlichen Zusammenarbeit innerhalb der EU,
  • die Verbesserung der Bekämpfung von Ausbeutung der Prostituierten (Zuhälterei),
  • die Bekämpfung von Antisemitismus

Zivilgerichte sollen moderner und effizienter werden

Ein besonderer Stellenwert kommt der Reform der ZPO zu. Im Ergebnis wollen die Justizminister die Rechtsprechung der Zivilgerichte effizienter, bürgernäher und schneller machen. Dies soll durch einige Neuerungen erreicht werden, teilweise aber auch durch ein Zurückdrehen vergangener Reformen, die nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben.

Die Schwerpunkte der Reform sind

  • die Beibehaltung des Beschwerdewertes von mehr als 20.000 Euro für die Nichtzulassung der Revision zum BGH,
  • der Ausbau der fachlichen Spezialisierung der Gerichte einschließlich der Qualitätssicherung,
  • die Steigerung der Effizienz des Zivilprozesses.

Mindestbeschwer für Nichtzulassungsbeschwerde

Mit Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde beschränkte der Gesetzgeber im Jahr 2002 diese Möglichkeit auf die Fälle, in denen der Wert der Beschwer 20.000 Euro übersteigt. Ursprünglich sollte diese Wertgrenze zeitlich befristet für die Zeit der Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde gelten. Die Wertgrenze wurde jedoch mehrfach verlängert und soll nun in § 544 ZPO endgültig festgeschrieben werden, da die Zahl der Nichtzulassungsbeschwerden zum BGH auf einem gleichbleibend hohen Niveau liegt.

Hinweis: Von der Wertgrenze ausgenommen sind auch bisher schon Verwerfungsentscheidungen des Berufungsgerichts, gegen die wertunabhängig die Rechtsbeschwerde stattfindet, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Landgerichte im Fokus der Reformer

Die meisten ins Auge gefassten Reformen betreffen die Landgerichte. Hier soll vor allem der Katalog der Spezialgebiete gemäß §§ 72 a, 119 a GVG deutlich erweitert werden. So sollen die Rechtsstreite über

  • Bank- und Finanzgeschäfte,
  • Bau- und Architektenverträge,
  • erbrechtliche Streitigkeiten,
  • Anfechtungsansprüche nach dem Anfechtungsgesetz bzw. der InsO,
  • Streitigkeiten in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologie
  • sowie aus anderen komplexen Rechtsgebieten

den Katalog erweitern und zur Einrichtung von spezialisierten Kammern führen.

Spezialkammern für Wirtschaftsverfahren kommen später

Für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten sollten nach dem Willen der Justizministerkonferenz  länderübergreifende Kompetenzzentren sowie an  „Commercial Courts“ spezialisierte Kammern geschaffen werden, die in einem effizienten, verschlankten Verfahrensgang zu möglichst schnellen Ergebnissen kommen, um so den Bedürfnissen der Wirtschaft besser gerecht zu werden. Diese „Commercial Courts“ zur Erhöhung der Attraktivität des Justizstandortes Deutschland bleiben leider der nächsten, bereits in Planung befindlichen Reform vorbehalten.

Ausdehnung der Länderkompetenzen

Schon jetzt soll es aber den Ländern gemäß § 72a Abs. 2 ZPO-E ermöglicht werden, auf landesspezifische Besonderheiten zu reagieren und für besondere regionale Fallaufkommen Zivilkammern in weiteren Sachgebieten bei den Landgerichten vorzusehen. § 13 a Abs. 2 GVG- E stellt darüber hinaus ausdrücklich klar, dass die Länder die Errichtung gemeinsamer Gerichte oder Spruchkörper oder die Ausdehnung von Gerichtsbezirken über die Landesgrenze hinaus vereinbaren können, um insbesondere kleineren Ländern die Möglichkeit einzuräumen, durch Kooperationen mit anderen Ländern sicherzustellen, dass für bestimmte Sachgebiete ein hinreichendes Fallaufkommen bei den eingerichteten Spruchkörpern gewährleistet ist. 

Reform der Richterablehnung

Gemäß § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO-E müssen Ablehnungsgesuche künftig unverzüglich nach Kenntniserlangung der Ablehnungsgründe geltend gemacht werden, um zu verhindern, dass Ablehnungsgesuche aus taktischen Gründen erst dann gestellt werden, wenn der Verlauf des Verfahrens für die betreffende Partei eine ungünstige Wendung nimmt.

Modifikation der Nebenintervention

Gemäß § 67 Satz zwei ZPO-E soll das Gericht in Zukunft auch das persönliche Erscheinen von Nebenintervenienten zur Sachverhaltsaufklärung oder zur Durchführung eines Güteversuchs anordnen können.

Mehr Struktur durch Streitabschichtung

§ 139 Abs. 1 ZPO soll um einen neuen Satz 3 ergänzt werden, wonach das Gericht die Möglichkeit hat, den Streitstoff  zu strukturieren und abzuschichten, sofern dies sachdienlich ist. Hierdurch soll für die Gerichte ein Anreiz geschaffen werden, von der auch schon bisher möglichen Abschichtung stärker als bislang Gebrauch zu machen, um zu einer ökonomischeren Prozessführung zu kommen. Wirklich Neues bringt der Zusatz nicht.

Sachverständige als Richterberater

§ 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO soll dahingehend geändert werden, dass das Gericht sich zur fachlichen Unterstützung der besonderen Sachkunde von Sachverständigen künftig auch unabhängig von einer Beweisaufnahme schon in einem frühen Verfahrensstadium bedienen darf. Auf diese Weise soll es den Gerichten in Fällen, in denen bereits die Sachverhaltsbeurteilung einer besonderen Sachkunde bedarf, erleichtert werden, den Streitstoff von Anfang an fachlich richtig zu erfassen. Kritiker betrachten dies als Relativierung des Beibringungsgrundsatzes, der die Gerichte verleiten könnte, Sachverhalte teilweise von Amts wegen zu ermitteln. Außerdem könne diese Möglichkeit zu einer erheblichen Kostenerhöhung für die Parteien führen, wenn Gerichte bereits frühzeitig Sachverständige hinzuziehen.

Erleichterter Vergleichsabschluss

Durch eine Änderung von § 278 Abs. 6 ZPO soll der Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs vereinfacht werden, indem den Parteien die Möglichkeit eingeräumt wird, einen in der mündlichen Verhandlung vom Gericht unterbreiteten Vergleichsvorschlag, dem eine Partei bereits zu Protokoll des Gerichts zugestimmt hat, durch einen nachgereichten Schriftsatz rechtswirksam anzunehmen.

Einige weitere Einzelregelungen

Weitere Regelungen betreffen eine Vereinfachung der Tatbestandsberichtigung, § 320 Abs. 3 - 5 ZPO-E, die Vereinfachung der Urteilsergänzung, § 321 Abs. 3 ZPO-E sowie einige weitere Einzelvorschriften.

Amtsgerichte als Stiefkinder der Reformbestrebungen

Die Reformen betreffen die Landgerichte deutlich stärker als die Amtsgerichte. Seitens der Amtsrichter wird denn auch Kritik an den Plänen laut. Insbesondere wird die Frage gestellt, warum die deutliche Erleichterung der richterlichen Tätigkeit durch spezialisierte Kammern bei den Landgerichten nicht auch auf die Amtsgerichte, beispielsweise durch Einrichtung spezialisierter, übergeordneter amtsgerichtlicher Abteilungen, übertragen wird. Aber was nicht ist kann ja noch werden, denn die nächste (Teil-)Reform der ZPO dürfte nicht lange auf sich warten lassen.

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Schlagworte zum Thema:  Recht, Richter, Gerichtsverfahren, Justiz