GdWE muss Haus errichten, wenn es zumutbar ist
Hintergrund: GdWE-Bauvorhaben kommt zum Stillstand
Auf dem Grundstück einer im Jahr 2013 gebildeten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) sollte eine Abbruchimmobilie abgerissen und ein neues Gebäude mit elf Einheiten errichtet werden. Zu diesem Zweck schlossen die Wohnungseigentümer jeweils mit einer GmbH als Generalbauunternehmerin Werkverträge. Die Arbeiten kamen jedoch bereits während des Abrisses zum Erliegen. Die Generalbauunternehmerin ist zwischenzeitlich insolvent.
Eine Wohnungseigentümerin beantragte daraufhin, die Verwalterin zu beauftragen, Angebote für die restlichen Abrissarbeiten und die Erstellung von Ausführungsplänen einzuholen sowie eine Sonderumlage zu erheben. Diese Anträge wurden in einer Eigentümerversammlung abgelehnt. Daraufhin beantragte die Wohnungseigentümerin die gerichtliche Ersetzung der beantragten Beschlüsse.
Nachdem die Klage vor dem Amtsgericht erfolglos geblieben war, hat das Landgericht den Beschluss ersetzt, dass ein Sachverständigengutachten zu den voraussichtlichen Kosten für den Abriss des Bestandsgebäudes und die Errichtung des Gemeinschaftseigentums eingeholt, die Verwalterin mit der Einholung von Angeboten für das Gutachten beauftragt und die Gemeinschaft zur Beschlussfassung über die Vergabe des Auftrags und dessen Finanzierung verpflichtet wird. Hiergegen zog die Gemeinschaft vor den BGH.
Entscheidung: Grundsätzlich Anspruch auf plangerechte Errichtung
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück.
Ein Wohnungseigentümer hat im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG grundsätzlich einen Anspruch auf die erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums. Dieser Anspruch besteht unabhängig vom Fertigstellungsgrad des Gebäudes und auch bei einem sogenannten steckengebliebenen Bau. Die Regelung des § 22 WEG, wonach ein Wiederaufbau eines zu mehr als der Hälfte zerstörten Gebäudes nicht beschlossen oder verlangt werden kann, ist auf solche Fälle nicht anwendbar.
Ersterrichtung darf nicht unzumutbar sein
Der Anspruch auf Ersterrichtung entfällt jedoch, wenn die Erfüllung den übrigen Wohnungseigentümern nicht zuzumuten ist. Hierbei sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, wie der Fertigstellungsgrad des Baus und die Höhe der noch erforderlichen Investitionen. Kostensteigerungen von über 50 Prozent des ursprünglich Kalkulierten können regelmäßig zur Unzumutbarkeit führen, aber auch bei geringeren Steigerungen kann die Errichtung unzumutbar sein.
Auch wirtschaftlich sinnvolle Alternativen, wie der Verkauf an einen Investor, sind zu prüfen. Findet sich etwa ein solcher, der bereit ist, alle Einheiten im derzeitigen "unfertigen" Zustand zu einem den Umständen nach angemessenen Preis abzukaufen, mag den Interessen einzelner Bauwilliger im Vergleich zu den Interessen einer verkaufswilligen Mehrheit weniger Gewicht beizumessen sein.
Das Landgericht muss nun unter Berücksichtigung dieser Kriterien entscheiden, ob die Ersterrichtung des Gemeinschaftseigentums den übrigen Eigentümern unzumutbar ist.
Besonderheit: GdWE bestand schon vor Hausbau
Eine Besonderheit des Falles bestand darin, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) bereits vor der Errichtung des gemeinschaftlichen Gebäudes bestand. Daher bestanden bereits Ansprüche aus dem Wohnungseigentumsgesetz.
Weitaus häufiger ist der Fall, dass ein Grundstück von einem Bauträger aufgeteilt wird. Dann bedarf es zum Entstehen wohnungseigentumsrechtlicher Ansprüche eines gewissen Baufortschritts, denn das Wohnungseigentumsgesetz findet im Verhältnis zu den Erwerbern erst dann Anwendung, wenn sie entweder als Wohnungseigentümer in das Grundbuch eintragen worden sind, wozu es jedenfalls bei einem Bauträgervertrag regelmäßig nicht vor Errichtung des Gebäudes kommt, oder wenn sie gemäß § 8 Abs. 3 WEG als sogenannte "werdende" Wohnungseigentümer gelten. Dies fordert unter anderem die Übergabe der Räume und damit ebenfalls deren vorherige Errichtung.
(BGH, Urteil v. 20.12.2024, V ZR 243/23)
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