Anwalt muss die korrekte Gerichtsadresse prüfen

Vertrauen ist gut - aber: Der Anwalt darf weder darauf vertrauen, dass der konkrete – fristgebundene – Schriftsatz auf Grund der eingesetzten Anwaltssoftware richtig adressiert wurde, noch darf er die Überprüfung der Adressierung einer seit Jahren für die Kanzlei tätigen und zuverlässigen Mitarbeiterin überlassen.

In dem Urteilsfall war dem Anwalt eine Berufungsbegründungsfrist verlängert worden, die er verstreichen ließ. Statt den Verwaltungsgerichtshof anzuschreiben, ging der Schriftsatz am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist beim Verwaltungsgericht München ein. Seinen im Namen des Mandanten gestellten Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand lehnte das Gericht ab.

Schriftsatz zur Berufungsbegründung muss Anwalt verschärft prüfen

Die Versäumung einer Frist ist grundsätzlich dann verschuldet, wenn der Betroffene die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten war.

Pflichten eines Prozessbeteiligten

Zu den Pflichten eines Prozessbeteiligten gehört, dass er dafür sorgt, dass seine fristgebundenen Schriftsätze so adressiert und abgesendet werden, dass sie rechtzeitig beim zuständigen Gericht eingehen.

Bei der Anfertigung fristgebundener Schriftsätze, mit denen ein Rechtsmittel eingelegt oder begründet wird, handelt es sich um Geschäfte, die ein Rechtsanwalt nicht seinem Büropersonal überlassen darf, ohne das Arbeitsergebnis – auch bezüglich der Bezeichnung des Gerichts – vor der Unterzeichnung auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen.

Kein Vertrauen in Anwaltssoftware

Der Prozessbevollmächtigte des Kl. hat diese Sorgfaltspflichten verletzt, indem er die Begründungsschrift am letzten Tag der Frist unterschrieben hat, ohne darauf zu achten, ob der Schriftsatz an den – nach § 124 a Absatz 4 Satz 2 VwGO zuständigen und in der Rechtsmittelbelehrung genannten – VGH adressiert war.

Besondere Pflicht zur Prüfung von fristgebundenen Schriftsätzen

Seine besondere Pflicht zur Prüfung von fristgebundenen Schriftsätzen entfällt nicht dadurch, dass ein Dokument mit Hilfe einer Anwaltssoftware erstellt wird und frühere Schriftsätze im konkreten Verfahren stets ordnungsgemäß adressiert waren.

Denn die Verwendung automatisierter EDV-Verfahren zur Erstellung von anwaltlichen Schriftsätzen, insbesondere die Nutzung spezieller Softwareprogramme, bei denen Standardsoftware eigens für die Anforderungen und Bedürfnisse der anwaltlichen Tätigkeit modifiziert wurde, ändert nichts an den einem Prozessbevollmächtigten obliegenden besonderen Sorgfaltspflichten.

Hat die Software richtig adressiert?

Trotz der Automatisierung besteht ein erhöhtes Risiko von Anwendungsfehlern, so dass auch Dokumente, die mit Hilfe einer Anwaltssoftware erstellt werden, vor ihrer Versendung sorgfältig überprüft werden müssen. Der Prozessbevollmächtigte darf weder darauf vertrauen, dass der – fristgebundene – Schriftsatz auf Grund der eingesetzten Software richtig adressiert wurde noch darf er die Überprüfung der Adressierung einer seit Jahren für die Kanzlei tätigen, sorgfältigen und zuverlässigen Mitarbeiterin überlassen.

Nachmittags eingereichter Schriftsatz wird erst am Folgetag weitergeleitet

Der VGH ließ offen, ob die Ursächlichkeit eines Anwaltsverschuldens für die Fristversäumnis entfällt, wenn das Gericht eine Weiterleitungspflicht verletzt. Denn vorliegend war eine rechtzeitige Weiterleitung der Berufungsbegründungsschrift im ordnungsgemäßen Geschäftsgang nicht zu erwarten. Der an das VG adressierte Schriftsatz, der nicht als besonders dringlich bezeichnet war, ist dort erst am letzten Tag der Frist gegen 14.24 Uhr eingegangen. Folglich war seine Weiterleitung an den VGH frühestens am Tag darauf, also nach Ablauf der Frist, zu erwarten. Dass der Schriftsatz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang noch am selben Tag beim VGH eingehen würde, konnte mithin nicht vorausgesetzt werden.

(VGH München, Beschluss v. 16.1.2014, 14 B 13/2016).