
Wohnkanzlei nicht steuerfrei: Geschäfts- und Büroräume können gleichzeitig Wohnungen im melderechtlichen Sinne sein, wenn sie außerhalb der Arbeitszeit tatsächlich zum Wohnen oder Schlafen benutzt werden. Das hat der VGH München entschieden und damit einen Münchener Anwalt mit Hauptwohnsitz am Tegernsee in Schwierigkeiten gebracht.
Der Kläger, der als Rechtsanwalt in München tätig ist, wandte sich gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer für einen Teil seiner 105 m2 großen, als „Wohnkanzlei“ von ihm und seiner in Teilzeit ebenfalls in der Kanzlei tätigen Ehefrau genutzten Wohnung im Stadtgebiet von München.
Anwalt will keine Zweitwohnungsteuer für die ganze Wohnkanzlei zahlen
Nach seinen Angaben wird die „Wohnkanzlei“ jeweils ab Montag mit morgendlicher Anfahrt vom Hauptwohnsitz in Rottach-Egern bis Donnerstag mit der abendlichen Rückfahrt einer jeden Arbeitswoche des Kalenderjahrs vom Kläger und seiner Ehefrau persönlich genutzt, gelegentlich auch an Freitagen, Samstagen und Sonn- und Feiertagen.
Keine eigenständig und ausschließlich dem privaten Wohnen dienende Wohnung
Das VG München wies die Klage ab. Der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg. Der Kläger trug in erster Linie vor, seine „Wohnkanzlei“ sei keine eigenständig und ausschließlich dem privaten Wohnen dienende Wohnung und unterliege damit nicht der Zweitwohnungsteuerpflicht.
- Sie sei melderechtlich als „Wohnkanzlei“ und nicht als „Nebenwohnung“ erfasst;
- der Kanzlei- und Wohnbereich sei zu einer „untrennbaren Sache mit gemeinschaftlicher Nutzungsfunktion“ gestaltet worden.
- Nach dem Schwerpunkt der Nutzung liege kein Wohnraum-, sondern ein Geschäftsraummietverhältnis vor;
bei der Einkommensteuer würden die Aufwendungen der gemischt genutzten „Wohnkanzlei“ in einen betrieblichen Anteil von 55 % und einen privaten Anteil von 45 % aufgeteilt.
Auch Büroräume können meldepflichtige Wohnräume sein
Der VGH München war anderer Meinung: Bei der vom Kläger und seiner Ehefrau auch für Wohnzwecke genutzten Wohnung in München handelt es sich um eine „Zweitwohnung“ im Sinne der geltenden Zweitwohnungsteuersatzung vom 25.1.2006 (ZwStS).
Was ist eine Zweitwohnung?
- Nach der darin enthaltenen Legaldefinition ist „Wohnung“ in Anlehnung an Art. 14 Absatz I 1 BayMeldeG jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt werden kann (§ 2 I 1 ZwStS).
- „Zweitwohnung“ im Sinne der Satzung ist jede Wohnung, „die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist“ (§ 2 II 1 ZwStS).
Dass die formelle Voraussetzung einer melderechtlichen Anmeldung beim Kläger und seiner Ehefrau zumindest hinsichtlich eines Teils der zur Wohnung gehörenden Räume vorliegt, wird auch mit den Ausführungen im Zulassungsantrag nicht in Abrede gestellt.
Die Annahme des Klägers, seine überwiegend der Berufsausübung dienende „Wohnkanzlei“ sei keine „Nebenwohnung“ nach Art. Artikel 15 Absatz III BayMeldeG, ist laut Richterspruch unzutreffend. Auch Arbeits-, Geschäfts- und Büroräume können gleichzeitig Wohnungen im melderechtlichen Sinne sein, wenn sie außerhalb der Arbeitszeit tatsächlich zum Wohnen oder Schlafen benutzt werden. Bei der hier streitgegenständlichen Wohnung ist dies unzweifelhaft der Fall. Sie ist, da sich der Hauptwohnsitz des Klägers in Rottach-Egern befindet, im Melderegister als dessen Nebenwohnung erfasst.
Auf die überwiegende Nutzungsart kommt es nicht an
Der Kläger kann sich nach der Entscheidung der Verwaltungsrichter nicht darauf berufen, dass aus mietvertragsrechtlicher Sicht in den Fällen einer gemischten Nutzung, bei der die Räume teilweise zu geschäftlichen und teilweise zu Wohnzwecken genutzt werden, die überwiegende Nutzungsart für das anzuwendende Rechtsregime als maßgeblich anzusehen sei.
Diese zivilrechtlichen Grundsätze haben im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Legaldefinition des § 2 ZwStS keine Bedeutung, da es hiernach allein auf die melderechtliche Begriffsbestimmung ankommt, wonach als Wohnung auch solche umschlossenen Räume gelten, die nur zeitweise zum Wohnen oder Schlafen und im Übrigen für geschäftliche Zwecke genutzt werden.
Die beklagte Behörde hat insoweit als Bemessungsgrundlage für die Steuererhebung gem. § 4 III ZwStS nicht die auf die Gesamtwohnung entfallende ortsübliche Nettokaltmiete angesetzt, sondern zu Gunsten des Klägers nur den Anteil für denjenigen Bereich der Wohnung, der nach seinen schriftlichen Angaben für Wohnzwecke (mit-)benutzt wird.
Nur die arbeitsfreien Zeiten zählen
Selbst wenn man den durch eidesstattliche Erklärung glaubhaft gemachten Nutzungsumfang hinsichtlich der „Wohnkanzlei“ zu Grunde legt, führt dies nach Ansicht des Gerichts nicht zu dem Ergebnis, dass insoweit von einer „vorwiegend benutzten Wohnung“ des Klägers und seiner Ehefrau auszugehen wäre, die keiner Zweitwohnungsteuer unterläge.
„Denn die betreffenden Räumlichkeiten werden an den vier regulären Anwesenheitstagen der Woche (Montag bis Donnerstag) keineswegs ganztägig zu Wohnzwecken genutzt. Der Kläger und seine Ehefrau gehen während dieses Zeitraums in einem erheblichen Umfang ihren beruflichen Tätigkeiten nach. Ihr privater (Wohn-)Aufenthalt beschränkt sich demnach in einer normalen Woche auf die arbeitsfreien Zeiten während der vier Tage und auf die dazwischen liegenden drei Übernachtungen. Dass hiernach der gemeinsame Aufenthalt in Rottach-Egern zwischen Donnerstagabend und Montagmorgen mit grundsätzlich vier Übernachtungen den Schwerpunkt des Wohnens bildet, kann nicht ernstlich zweifelhaft sein“, entschied das Gericht.
Auch gelegentliche Aufenthalte der Eheleute in der Wohnkanzlei an einem Freitag oder an Wochenenden bzw. Feiertagen könnten an diesem Ergebnis nichts ändern, zumal davon auszugehen sei, dass urlaubs- oder krankheitsbedingte Fehlzeiten eher in der größeren Wohnung in Rottach-Egern als in der „Wohnkanzlei“ verbracht werden.
(VGH München, Beschluss vom 18.2.2014, 4 ZB 13.2515),