Zwei Nächte im Schweizer Gefängnis wegen Fahrradsturz

Die Schweiz versteht bei Fahrfehlern von Fahrradfahrern keinen Spaß. Diese schmerzliche Erfahrung musste kürzlich ein Freiburger Fahrradfahrer machen. Wegen Nichtbeherrschens seines Fahrrades durfte er zwei Tage und Nächte - ohne Zahnbürste - in einem Schweizer Gefängnis verbringen.

Rechtliche Grundlage der Geldbuße für den Fahrradsturz

Gemäß Art. 31, 32 des Schweizer Straßenverkehrsgesetzes (SVG) muss der Führer eines Fahrzeuges - auch eines Fahrrades - dieses ständig so beherrschen, dass er seinen Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr nachkommen kann. Ein Verstoß hiergegen ist gemäß Art. 90 Abs. 1 SVG mit einer Geldbuße oder sogar mit Strafe bedroht.

Freiburger verweigerte Zahlung der Geldbuße

Der Radfahrer weigerte sich letztlich, die nach seiner Auffassung nicht angemessene Geldbuße plus über 200 Franken Verwaltungsgebühr zu entrichten. Schließlich hatte er keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet oder geschädigt, sondern lediglich sich selbst. Die StA Schaffhausen ließ aber nicht locker und verfügte eine zweitägige Ersatzfreiheitsstrafe. Obwohl dem Freiburger bis zuletzt die Möglichkeit der Zahlung der Geldbuße eingeräumt wurde, blieb er bei seiner Linie und trat im Januar 2020 die Ersatzstrafe von zwei Tagen und zwei Nächten in einem Gefängnis in der Schweiz an, obwohl die Schweizer Gefängnisse im Vergleich zu dem sonst hohen Gepflegtheitsgrad im Land der Eidgenossen einen eher schlechten Ruf genießen.

Nicht jeder Radfahrer muss nach einem Sturz ins Gefängnis

In der Region um das Dreiländereck stieß der Fall auf ein hohes Medieninteresse. Die StA Schaffhausen beeilte sich denn auch zu betonen, nicht jeder Radfahrer, der in der Schweiz stürze, müsse deshalb gleich ins Gefängnis. In der Schweiz sei das Nichtbeherrschen eines Fahrzeugs aber nun mal ein verkehrsrechtliches Vergehen.

Die Vorschrift diene der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs, denn das Nichtbeherrschen eines Fahrzeuges berge immer die Gefahr, dass auch andere Verkehrsteilnehmer zu Schaden kommen könnten.

48 Stunden Einzelhaft mit zweimaligem Hofgang

Nach Auskunft des Radfahrers waren die 48 Stunden Einzelhaft in einer unwirtlich kahlen Schweizer Gefängniszelle, in der es zudembestialisch gestunken“ habe, eine außergewöhnliche Erfahrung für einen 66-jährigen Rentner. Außer einem zweimaligen 45-minütigen Hofgang mit anderen Gefangenen habe es keine Abwechslung gegeben, lediglich ein Buch habe er in die Zelle mitnehmen dürfen. Dennoch bereue er die beiden Tage im Schweizer Gefängnis nicht.

Geldbuße für Radfahrerin nach Ohnmachtsanfall

Die Schweiz ist bekannt dafür, mit Fahrradfahrern grundsätzlich nicht zimperlich umzugehen. In Zürich wurde nach einem Bericht von „focus online“ eine ungarische Touristin im Juli 2019 mit einem Bußgeld von 225 Euro zur Kasse gebeten, nachdem sie an einem heißen Sommertag auf dem Fahrrad ohnmächtig wurde und hierdurch mit dem Fahrrad gestürzt war. Ein Mediensprecher der Schweizer Polizei rechtfertigte nach dem Bericht von „focus online“ das Vorgehen damit, das Bußgeld sei als eine Art Kaution („Bussendepositum“) eingezogen worden. Dies sei auch gegenüber Schweizer Bürgern in solchen Fällen üblich. Komme es nach den Ermittlungen der Polizei zu keiner Verurteilung, erhielten die Betroffenen diesen Betrag zurück.

Rechtlicher Hintergrund: Sind Bußgeldbescheide der Schweiz in Deutschland überhaupt vollstreckbar?

Der Geschehensablauf um den Freiburger Radfahrer wirft die Frage auf, ob dieser die Haft tatsächlich hatte antreten müssen. Aus vollstreckungsrechtlicher Sicht ist die Antwort ein klares „Nein“. Da die Schweiz nicht zur EU gehört, ist der seit dem Jahr 2010 geltende EU-Beschluss zur Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen innerhalb der EU auf Bußgeldbescheide der Schweiz nicht anwendbar.

Jedoch existiert seit dem Jahr 1999 ein bilateraler deutsch-schweizerischer Polizeivertrag. Dort werden in Art. 34 – 41 Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs behandelt. Gemäß Art. 37 Abs. 1 a des deutsch-schweizerischen Polizeivertrages können Geldbußen von mindestens 70 Schweizer Franken bzw. mindestens 40 Euro im Wege der Vollstreckungshilfe grundsätzlich auch in Deutschland vollstreckt werden.

Deutsch-schweizerischer Polizeivertrag nur teilweise in Kraft

Mit Zustimmung des Bundestags im Jahre 2001 sind Teile des Vertrages in Deutschland zum 1.3.2002 wirksam geworden. Exakt die Vollstreckungsvorschriften sind aber gemäß Art. 50 Abs. 1 des Polizeivertrages in Verbindung mit einem Erklärungsvorbehalt in Deutschland noch nicht in Kraft getreten.

Damit wäre der Bußgeldbeschluss gegen den Freiburger in Deutschland nicht vollstreckbar gewesen (OLG Brandenburg, Beschluss v. 25.1.2017, 7 W 115/16).

Rückkehr in die Schweiz ist bei offenem Bußgeldbescheid schwierig

Die rechtliche Unvollstreckbarkeit ist allerdings eben nur eine Seite der Medaille, denn wer nach Erlass eines Bußgeldbescheides erneut in die Schweiz reist, muss damit rechnen, zur Zahlung des Bußgeldes bzw. zum Antritt der Ersatzhaft gezwungen zu werden. Hierzu müsste der Betroffene allerdings den Schweizer Behörden in irgendeiner Weise - beispielsweise beim Grenzübertritt - auffallen. Im Ergebnis dürfte diese nicht völlig auszuschließende Gefahr für den Freiburger Fahrradfahrer eine entscheidende Rolle bei seiner Entscheidung zum Haftantritt gespielt haben, da aufgrund der Nähe zur Schweizer Grenze weitere Radtouren des Freiburgers in die Schweiz wohl nicht ausgeschlossen sind. Der damit verbundene Naturgenuss war ihm wohl einen 48-stündigen Gefängnisaufenthalt wert.

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