Zwei kritische Kommentare machen noch kein "Shitstorm"

„Riesiger Shitstorm“ ist laut OLG Frankfurt eine gerichtlich überprüfbare Tatsachenbehauptung. Wenige kritische Stellungnahmen rechtfertigen die Verwendung des Begriffs nicht. Das grundlose Zuschreiben eines "Shitstorms", kann ein Verletzung des Persönlichkeitsrechts sein, die einen Anspruch auf Unterlassung auslöst.

Das OLG Frankfurt hat sich in einer Entscheidung mit dem Begriff „Riesiger Shitstorm“ auseinandergesetzt und diesen näher definiert. Wird der Begriff zu Unrecht gegen einen Influencer oder Social-Media-User verwendet, so begründet dies einen Unterlassungsanspruch.

Musiker postet alte Banderinnerungen auf Instagram

Das Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz hatte die Sängerin Indira Weis, Gründerin der Popband „BroSis, eingeleitet. Ein inzwischen ausgeschiedenes Mitglied ihrer Band hatte in seiner Erinnerungskiste gewühlt und ein älteres Video, auf dem auch die Sängerin zu sehen war, auf Instagram geteilt. Darauf postete Weis:

Kennst du die Choreo noch ganz? Krieg ich nicht mehr zusammen!!! Mann mann mann, Demenz“.

Kommentar auf Presseportal

Den Vorgang hatte die Antragsgegnerin zum Anlass für einen kommentierenden Artikel auf ihrem Presseportal genommen und unter anderem gepostet:

Auch seine ehemalige Bandkollegin… kommentiert, spricht von Demenz und erntet einen riesigen Shitstorm.“

Zwei Kommentare, drei Smileys – ist das ein „Shitstorm“?

Von dem behaupteten „riesigen Shitstorm“ als Reaktion auf ihren Post war der BroSis-Sängerin nichts bekannt. Tatsächlich hatte sich lediglich ein User unmittelbar kritisch zu dem post der Sängerin geäußert. Auf einem anderen Portal kommentierte ein weiterer User den Vorgang, ebenfalls kritisch. Daneben tauchten ein weinender und zwei erstaunte Smileys zu dem Vorgang im Netz auf, deren Konnotation allerdings nicht zweifelsfrei zugeordnet werden konnte.

Sängerin beantragt einstweiligen Rechtsschutz

Die Sängerin bewertete die Kommentierung der Antragsgegnerin, sie habe wegen ihres posts im Netz einen „riesigen Shitstorm“ geerntet, als unwahre Tatsachenbehauptung, die sie in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Sie beantragte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unter anderem die Unterlassung dieser Behauptung. Das erstinstanzlich mit der Sache befasste LG wies den Rechtsschutzantrag ab. Weder sei der Begriff des „riesigen Shitstorms“ ausreichend klar definiert, um die Behauptung als wahr oder unwahr zu bewerten, noch erkannte das Gericht in dem Kommentar eine die Persönlichkeitsrechte der Antragstellerin verletzende Äußerung.

Shitstorm ist kein laues Lüftchen, sondern Sturm der Entrüstung

Das Berufungsgericht bewertete den Vorgang anders. Nach der Beurteilung des OLG-Senats ist der Begriff „Shitstorm“ inzwischen allgemein gebräuchlich. Der durchschnittliche Leser verstehe darunter einen Sturm der Entrüstung einer nicht nur geringen Zahl von Kritikern der betroffenen Person. Der von der Antragsgegnerin verwendete Begriff des „riesigen Shitstorms suggeriere beim durchschnittlichen Leser eine nochmals gesteigerte Zahl von kritischen Angriffen. Dieser Eindruck sei bei zwei kritischen Äußerungen und insgesamt drei nicht eindeutig zu verstehenden Smileys ein falscher Eindruck. Schon ein einfacher „Shitstorm“ habe ein völlig anderes Ausmaß als die hier erfolgte Kritik.

Imageschaden nicht ausgeschlossen

Das OLG konzedierte, dass hinter der Äußerung der Antragsgegnerin im Netz möglicherweise keine besonders sorgfältigen Überlegungen standen und nicht jede unbedachte Äußerung im Netz auf die Goldwaage gelegt werden dürfe. Jedoch habe die Antragsgegnerin mit ihrem Kommentar bei ihren Lesern einen unrichtigen Eindruck über die Reaktion der User auf einen post einer nicht unbekannten Sängerin erweckt, die im Licht der Öffentlichkeit stehe und deren Image und öffentlichem Ansehen durch eine solche, nicht den Tatsachen entsprechende Äußerung, Schaden zugefügt werden könne.

Unterlassungsantrag war erfolgreich

Deshalb hat die Sängerin nach der Bewertung des Senats ein schützenswertes rechtliches Interesse an der Unterlassung einer solchen unrichtigen Tatsachenbehauptung. Der Senat gab daher dem Unterlassungsantrag insoweit statt.

(OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 11.5.2021, 16 W 8/21).

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