Zur Abmahnfähigkeit von Verstößen gegen die DSGVO

Einer Anwältin wurde nach Abmahnung durch einen Anwaltskollegen gerichtlich untersagt, ihre Homepage ohne DSGVO-adäquate Datenschutzerklärung zu betreiben. Bisher ist noch umstritten, ob datenschutzrechtliche Bestimmungen auch als Marktverhaltensregeln gelten und daher wettbewerbsrechtlich abmahnfähig sind. 

Die auf Unterlassung in Anspruch genommene Rechtsanwältin betrieb im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine eigene Homepage im Internet. Die Homepage war nicht verschlüsselt. Sie enthielt unter anderem ein Kontaktformular für potentielle Mandanten sowie eine 7-zeilige Erklärung zum Datenschutz.

Abmahnung durch Kollegen wegen DSGVO

Ein Anwaltskollegen mahnte die Anwältin wegen ihrer Homepage ab und rügte, dass die auf der Homepage veröffentlichte Datenschutzerklärung nicht den Anforderungen der EU-DSGVO entspreche. Da die Anwältin auf die Abmahnung nicht reagierte, nahm sie der Anwaltskollege gerichtlich auf Unterlassung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes in Anspruch.

Eine Homepage mit Kontaktformular ist zwingend zu verschlüsseln

Das Gericht stellte zunächst klar, dass die Rechtsanwältin, die mit der Verwendung eines Kontaktformulars auf ihrer Homepage Daten erhebe, die Homepage in jedem Fall nur verschlüsselt betreiben dürfe.

DSGVO in mehrfacher Weise verletzt

Das LG Würzburg wertete die Abmahnung auch im übrigen als berechtigt. Die Richter teilten die Auffassung, dass die lediglich 7-zeilige Datenschutzerklärung im Impressum nicht den Anforderungen der EU-DSGVO entspreche. Das LG rügte das Fehlen

  • von Angaben zum Verantwortlichen,
  • von Angaben zur Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten,
  • zu Art und Zweck der Verwendung der erhobenen Daten,
  • eine Erklärung zu den Voraussetzungen der Weitergabe von Daten,
  • eine Erklärung über Cookies sowie 
  • über Analysetools.

Wesentliche Belehrungspflichten missachtet

Die Anwältin hatte es aber nicht nur unterlassen, die User über die Verwendung und die Zwecke der Datenerhebung zu informieren, daneben hatte sie die User auch nicht über deren eigene Rechte belehrt, insbesondere fehlten die Belehrung

  • über das Recht zum Widerspruch gegen die Datenspeicherung,
  • über die Ansprüche auf Datensicherheit,
  • über das Recht sich bei einer Aufsichtsbehörde zu beschweren.

Verstöße gegen DSGVO verstoßen auch gegen den lauteren Wettbewerb

Die Bedeutung der Entscheidung des LG liegt darin, dass nach der Wertung des Gerichts der Verstoß gegen die DSGVO gleichzeitig einen Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Marktverhaltensregeln impliziert. Dies ist bisher nämlich juristisch nicht eindeutig geklärt. Die damit verbundene rechtliche Unsicherheit dürfte auch ein Grund dafür sein, dass die nach unbedingter Geltung der DSGVO Ende Mai 2018 befürchtete Abmahnwelle bisher eher ausgeblieben ist.

So hatten beispielsweise das LG Berlin (Urteil v. 4.2.2015, 52 O 394/15) und das OLG München (Urteil v. 12.1.2012, 29 U 3926/11) – allerdings vor Einführung der DSGVO - die Auffassung vertreten, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen grundsätzlich keine Marktverhaltensregeln seien und daher nicht dem Schutz vor unlauterem Wettbewerb dienten.

Tendenz der Rechtsprechung geht zur Abmahnfähigkeit

Nach Einführung der DSGVO zeichnet sich langsam eine Wende dieser Rechtsprechung ab. Nach Auffassung des LG Würzburg sind Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen als Wettbewerbsverstöße abmahnfähig. Das LG bezieht sich dabei auf Urteile des OLG Hamburg und des OLG Köln, die datenschutzrechtliche Bestimmungen auch als Marktverhaltensregeln im Interesse der übrigen Marktteilnehmer, Mitbewerber und Verbraucher einstufen (OLG Köln, Urteil v. 11.3.2016, 6 U 121/15; OLG Hamburg, Urteil v. 27.6.2013, 3 U 26/12).

Fehlende Datenschutzerklärung ist Wettbewerbsverstoß

Wie das OLG Köln wertete auch das LG Würzburg die fehlende bzw. unvollständige und fehlerhafte Datenschutzerklärung bei einem Online-Kontaktformular als Wettbewerbsverstoß.

  • Folgerichtig sah das LG Würzburg den abmahnenden Anwaltskollegen gemäß § 8 Abs. 3 UWG als aktivlegitimiert für das von ihm angestrengte Verfahren an.
  • Das LG sprach dem Anwaltskollegen das Recht zu, die Rechtsanwältin wegen der von ihm beanstandeten Gesetzesverstöße abzumahnen.
  • Die für die Abmahnung erforderliche Wiederholungsgefahr sei durch das rechtsverletzende Verhalten indiziert, der Verfügungsanspruch hiernach gegeben.

Dringlichkeit wird widerleglich vermutet

Der Verfügungsgrund werde bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen gemäß § 12 Abs. 2 UWG indiziert. Hiernach bestehe eine widerlegliche tatsächliche Vermutung für die Dringlichkeit. Im Ergebnis untersagte das LG der abgemahnten Rechtsanwältin das Betreiben ihrer unverschlüsselten Homepage ohne hinreichende Datenschutzerklärung nach der EU-DSGVO.

(LG Würzburg, Beschluss v. 13.9.2018, 11 O 1741/18 UWG).


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Anmerkung:

Sollte sich diese Rechtsprechung weiter durchsetzen, können und werden  Wettbewerber und Abmahnvereine unvollständige Datenschutzerklärungen und nicht verschlüsselte Webseiten bei Verwendung von Kontaktformularen abmahnen.

Auch deshalb müssen Datenschutzerklärungen auf Vollständigkeit überprüft werden. Auch bei einem Relaunch der Webseite oder Einbindung neuer Tools oder Auswertung des Nutzerverhaltens muss die Datenschutzerklärung jeweils angepasst werden.

Aber auch Cyberkriminelle nutzen die Verunsicherung rund um die Datenschutzgrundverordnung aus und bringen derzeit massenhaft gefälschte E-Mails in Umlauf, in denen über eine angebliche Abmahnung wegen eines DSGVO-Verstoßes informiert wird. Wenn die Empfänger den Datei-Anhang öffnen, droht die Gefahr einer gefährlichen Malware-Infektion.

Schlagworte zum Thema:  Datenschutz-Grundverordnung, Rechtsanwalt