
Die Zukunft der Anwälte - sie war nicht nur das Thema des 64. Deutschen Anwaltstages vergangene Woche in Düsseldorf. Zu diesem Thema hatte der DAV bereits zuvor eine umfangreiche Studie durch die Basler Pronos AG erstellen lassen. Wie sieht sie aus?
Die Studie zeichnet ein umfassendes Bild der gegenwärtigen Verfassung der Anwaltschaft und wirft einen interessanten Blick auf die voraussichtliche künftige Entwicklung. Ca. 160.000 Rechtsanwälte gehen zur Zeit in Deutschland ihrer Tätigkeit nach. Der Wettbewerb ist enorm, zumal durch die Lockerungen in der Zulassung zur Rechtsberatung verschiedene Beratungsunternehmen, insbesondere auch Banken und Versicherungen verstärkt rechtsberatend tätig sind. Erstaunlicherweise geht es nach eigenen Angaben aber nur einem kleinen Teil der Anwaltschaft wirtschaftlich schlecht. Dennoch sind die Aussichten insbesondere für einzelne Allgemeinanwälte nicht gerade rosig.
Rechtsdienstleistungsmarkt
Dieser Untersuchungsgegenstand der Studie verrät bereits die sich seit einigen Jahren verändernde Sichtweise. Nicht mehr der überhöhte Blick auf den Anwalt als Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit bestimmt die Betrachtung, vielmehr prägt die nüchterne Sicht auf die anwaltliche Tätigkeit als Angebot an das Publikum, eine möglichst qualifizierte Dienstleistung „Recht“ anzubieten, die gestellten Erwartungen.
Spezialisierung ist die Zukunft
Ein in jeder Hinsicht hochqualifiziertes Angebot auf dem Gebiet des Rechts ist für den Allgemeinanwalt kaum noch möglich. Der Markt verlangt nach Spezialisierung. Ob in den Segmenten Arbeitsrecht, Familienrecht, Mietrecht oder auf den gewerblichen Feldern der Gesellschaftsgründung, der Vertragsgestaltung oder der Insolvenz: Ohne spezielle Qualifikation auf dem jeweiligen Rechtsgebiet ist eine fundierte juristische Tätigkeit nicht mehr denkbar.
Ende der „Generalisten“ in Sicht?
Der Rechtsuchende erwartet - ähnlich wie auf medizinischem Gebiet - eine fundierte Beratung zu seiner jeweiligen Fragestellung durch entsprechende Fachanwälte. Die bisher häufig von „Generalisten“ geführten Allgemeinkanzleien werden nach der Studie in Zukunft immer weniger werden, an deren Stelle treten Anwaltssozietäten mit Spezialisten für die jeweiligen Rechtsgebiete, in denen der Rechtsuchende zu jeder Frage des Alltags einen Fachmann für das jeweilige Rechtsproblem findet.
Die Großen fressen die Kleinen
Im Ergebnis werden hierdurch – so die Studie - die kleinen Kanzleien mehr und mehr verschwinden, wenn auch nicht ganz. Für Einzelanwälte hält die Studie daher auch Empfehlungen parat. In der Akquisition – so die Studie – sind Einzel- und Allgemeinanwälte am inaktivsten. Hier müssen die Lockerungen der werbemäßigen Möglichkeiten des Anwalts wesentlich besser genutzt werden.
Auch müssen Einzelanwälte sich kanzleispezifische Alleinstellungsmerkmale erarbeiten und diese werbemäßig herausstellen. Wichtig ist auch die Vernetzung mit spezialisierten Kanzleien, eine schnelle Reaktion auf die Fragestellungen der Rechtsuchenden sowie eine frühe, für den Mandanten transparente Kosten- und Risikoabschätzung.
Wirtschaftsberatenden Kanzleien geht es am besten
Die Untersuchung förderte ein klares Ergebnis zu Tage: Gewerblich orientierte Kanzleien, die zudem auch international tätig sind, stehen wirtschaftlich am besten dar. Diese Kanzleien verfügen in der Regel auch über das modernste Management, eine eigene Homepage, ein kanzleieigenes Netzwerk und die elektronische Mandatsakte. In kleineren Allgemeinkanzleien werden diese Möglichkeiten zu wenig genutzt; erstaunlich viele Kanzleien besitzen nicht einmal eigene eine eigene Homepage.
Verändertes Berufsbild
Positiv verändert hat sich die Einstellung junger Anwälte zu Ihrem Beruf. Junganwälte sind engagiert, streben aber auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben an. Der Spiegel lobt gar, das Berufsbild des Anwalts als eines „autistischen Aktenfressers“ sei ein Auslaufmodell.
Für Kanzleien wird es hierdurch immer schwieriger, junge Anwälte zu finden, die abends nicht vor 22 Uhr das Büro verlassen. Die Vorstellungen von „Work-Live-Balance“, von Halbtagsarbeit und Erziehungsurlaub haben zumindest bei einem Teil der jungen Anwälte Platz gegriffen. Diese Aspekte hat der Anwalt in Zukunft auch beim übrigen Personalmanagement zu berücksichtigen.
Auch die neue Generation der nichtanwaltlichen Mitarbeiter einer Kanzlei räumen neben ihrer Arbeit auch dem Privatleben einen hohen Stellenwert ein. Die Nachfrage nach flexiblen Lösungen im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, der Einräumung von Elternzeit für Frauen und Männer, die Karriere und Kinder vereinbaren wollen, gehören dazu, wenn qualifiziertes Personal gewonnen werden soll.
Zeit zum Handeln
Die Studie geht davon aus, dass das Problembewusstsein bei einem Teil der Anwaltschaft noch deutlich zu gering ist und Handlungsspielräume nicht genutzt werden. Andererseits sei aber auch erkennbar, dass es der Anwaltschaft bisher immer gelungen sei, sich auf Veränderungen rechtzeitig einzustellen.
Die Forderung nach stärkerem unternehmerischem Denken sei in der Anwaltschaft angekommen. Die Studie geht daher davon aus, dass es dem Großteil der Anwaltschaft gelingen wird, auf die Herausforderungen der Zukunft angemessen zu reagieren.