Wildunfälle – häufig unterschätztes Risiko mit rechtlichen Tücken

Unliebsame Begegnungen zwischen Kfz und Wild sind eine häufige Unfallursache: Jährlich werden mehr als 270.000 Wildunfälle registriert. Das geht ins Geld. Die Teilkaskoversicherungen reagieren oft spröde und verweisen auf das Kleingedruckte. Die Rechtsprechung ist äußerst uneinheitlich - und jetzt mischen auch noch die Wölfe mit.

Im Juli und August befinden sich viele Wildtiere in der Brunft. Das bedeutet häufig Kontrollverlust und in der Folge plötzliches Queren von Fahrbahnen. Dies kann dann zu unliebsamen Begegnungen zwischen Autofahrer und Wild mit der Folge empfindlicher Personen-, Tier- und Sachschäden führen. Solche Wildunfälle sind häufig mit streitigen Auseinandersetzungen mit der Kfz Versicherung verbunden.

Wildunfälle in manchen Bundesländern die häufigste Unfallursache

Schäden aus Wildunfällen im Straßenverkehr sind einerseits solche, die aus dem Zusammenstoß mit einem Wildtier entstehen. Es fallen darunter aber auch Schäden, die durch Ausweichen vor einem die Straße kreuzenden Wildtier entstehen.

Bundesweit werden laut ADAC jährlich mehr als 270.000 Wildunfälle registriert. Im Jahr 2019 wurden 2.500 Menschen dabei verletzt, 20 Fahrzeuginsassen kamen zu Tode. Bei den Wildtieren selbst ist die Bilanz trüber: Mehr als 1 Million Wildtiere sollen laut Auskunft des Deutschen Jagdverbandes jährlich bei Unfällen ums Leben kommen. Am häufigsten sind Kollisionen mit Rehen, gefolgt von Kollisionen mit Wildschweinen. In manchen Bundesländern sind Wildunfälle die häufigste Unfallursache, so in Sachsen-Anhalt.

Nach einem Wildunfall Polizei und Jäger verständigen

Bei einer Kollision mit einem Wildtier muss immer die Polizei unterrichtet werden. In einigen Bundesländern muss zusätzlich ein Jäger informiert werden, der eine sogenannte Wildschadenbescheinigung ausstellt, die auch versicherungsrechtlich wichtig ist. Bei eigenmächtigem Entfernen des angefahrenen Wildes von der Unfallstelle droht eine Strafanzeige wegen Wilderei. Das Entfernen des Fahrers vom Unfallort ohne die erforderliche Meldung kann als unerlaubtes Entfernen vom Unfallort verfolgt werden (streitig).

Welche Versicherung ist bei einem Wildunfall zuständig?

Versicherungsrechtlich ersetzt die Teilkaskoversicherung gemäß § 12 Abs. 1 I. d AKB Schäden, die bei einem Zusammenstoß des in Bewegung befindlichen Fahrzeugs mit Haarwild entsprechend der Aufzählung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bundesjagdgesetz (Rehe, Hirsche, Füchse, Hasen, Wildschweine) sowie mit Pferden, Rindern, Schafen oder Ziegen entstanden sind.

Rammt ein Wildschwein ein stehendes Fahrzeug, fällt dies also nicht unter den Versicherungsschutz der Teilkaskoversicherung, dann hilft nur eine Vollkasko. Unfälle mit Wildvögeln sind danach ebenfalls vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, es sei denn der konkrete Versicherungsvertrag enthält eine anderslautende Klausel. Äußerst streitig ist, ob Unfälle mit toten Tieren, wenn diese beispielsweise auf der Fahrbahn liegen, unter den Teilkaskoschutz fallen.

Plötzliche Ausweichmanöver

In einem vom LG Stuttgart entschiedenen Fall war der Kläger in seinem PKW auf der Autobahn A3 unterwegs. Auf der Fahrbahn lag regungslos ein Wildschwein. Als der Fahrer dies bemerkte, reagierte er mit einem - zwischen den Parteien im einzelnen streitigen - Ausweichmanöver. Ungeklärt blieb, ob es zu einer Kollision mit dem Wildschwein gekommen war. Aufgrund des Ausweichverhaltens des Klägers löste der seitliche Fahrer-Airbag aus. Streitig war zwischen dem Fahrer und der Teilkaskoversicherung die Kostentragung für die den Ersatz des Airbag-Moduls, für das knapp 1.000 Euro anfielen.

LG Stuttgart sieht Teilkaskoversicherung in der Pflicht: Nach der Entscheidung des LG Stuttgart und einer ähnlich gelagerten Entscheidung des OLG Nürnberg wird ein solcher Vorfall von § 12 AKB erfasst. Nach dieser Vorschrift ist die Teilkaskoversicherung nur einstandspflichtig, wenn sich in einem Unfallgeschehen eine spezifische Tiergefahr verwirklicht. Das LG bejahte dies im vorliegenden Fall mit der Begründung, es könne keinen Unterschied machen, ob ein Tier aufgrund Erschreckens oder infolge vorausgegangener Tötung bewegungslos auf der Fahrbahn stehe oder liege oder ob es gerade dabei sei, die Fahrbahn zu queren. Das Überraschungsmoment für den Fahrer sei das gleiche. Für den Versicherungsnehmer sei eine Differenzierung anhand solcher Kriterien aus dem Wortlaut des § 12 AKB auch nicht erkennbar. Auch beim Überfahren eines leblos auf der Fahrbahn liegenden Wildschweins verwirkliche sich daher die typische Tiergefahr (LG Stuttgart, Urteil v. 7.2.2007, 5 S 244/06; OLG Nürnberg, Urteil v. 27.1.1994, 8 u 2961/93).

Bundesweit uneinheitliche Rechtsprechung: In der Bewertung dieser Fälle sind sich die Gerichte in Deutschland nicht einig. So urteilte das OLG München, dass sich beim Überfahren eines toten Tierkadavers auf der Fahrbahn gerade nicht die nach § 12 AKB erforderliche typische Tiergefahr verwirkliche (OLG München Urteil v. 15.1.1986, 10 U 4630/85). Noch weiter ging das OLG Frankfurt und verweigerte einem Porschefahrer Ersatzansprüche gegenüber seiner Teilkaskoversicherung. Der Porsche war zwei über die Straße hoppelnden Hasen ausgewichen. Das plötzliche Ausweichmanöver war jedoch erfolglos, da auch die Hasen ihre Richtung änderten und von dem Fahrzeug dann doch erfasst und getötet wurden. Den Schaden an dem Fahrzeug wollte der Porsche-Besitzer von seiner Teilkaskoversicherung ersetzt erhalten. Das OLG Frankfurt verweigerte Ersatzansprüche mit der Begründung, § 12 AKB setzte einen durch einen Zusammenstoß mit einem Tier verursachten Schaden voraus. Hier sei der Schaden auf die Ausweichversuche des Porschefahrers zurückzuführen. Der Zusammenstoß mit den Hasen sei die Folge dieser Ausweichversuche gewesen. Damit sei der Schaden nicht ursächlich auf das Überfahren der Tiere zurückzuführen, die Teilkaskoversicherung müsse nicht zahlen (OLG Frankfurt, Urteil v. 2.9.1992, 21 U243/01).

Bitte vor allem bei Kleintieren nicht bremsen!

Kommt es zu einem Auffahrunfall infolge starken Abbremsens wegen eines kreuzenden Tieres, trifft den Bremser in der Regel - zumindest bei Kleintieren - ein Mitverschulden (AG München, Urteil v. 25.2.2014, 331 C 16026/13 - Haftungsquote 25 %). Ein Unfall infolge plötzlichen Ausweichens vor einem querenden Fuchs führt zu einer 60-prozentigen Mitverschuldensquote des Fahrzeugführers (LG Trier, Urteil v. 3.2.2010, 4 O 241/09).

Beseitigung von Tierkadavern?

Nach einem Tierunfall auf einer Autobahn ist der Fahrer bei fehlendem Standstreifen nicht verpflichtet, den Tierkadaver bei Dunkelheit unter Lebensgefahr von der Fahrbahn zu entfernen (LG Lübeck, Urteil v. 22.11.2013, 6 O 22/13). Autofahrer müssen auch nicht für die Kosten aufkommen, die durch Beseitigung eines toten Tieres entstehen (LG Lüneburg, Urteil v. 22.11.2017, 7 LC 34/17).

Fahrzeugtotalschaden nach Überfahren eines Eichhörnchens?

Etwas skurril mutet der Fall an, in dem eine Autofahrerin ihrer Teilkaskoversicherung einen Wildunfall meldete. Ihr Fahrzeug hatte einen Totalschaden erlitten. Die Autofahrerin gab an, mit einem von ihr nicht näher definierbaren Wild kollidiert zu sein. Die Teilkaskoversicherung gab sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden und forschte nach. An dem Fahrzeug wurde als Folge des Unfalls eine nicht unerhebliche Menge von anhaftenden Tierhaaren festgestellt. Bei der folgenden DNA-Analyse stellte sich heraus, dass die Haare von einem Eichhörnchen stammten. Dass der Zusammenstoß mit einem Eichhörnchen zu einem Totalschaden des Fahrzeugs geführt haben soll, wollte das von der Autofahrerin eingeschaltete Gericht dieser dann doch nicht abnehmen und wies ihre Klage auf Schadenersatz gegen die Teilkaskoversicherung ab (LG Coburg, Urteil v. 29.6.2010, 23 CO 256/09).

Versicherungen müssen DNA-Analysen offenlegen

DNA-Analysen von an der Unfallstelle gefundenem Wildhaar sind bei Versicherungen beliebt. Manchmal enthalten die Versicherungen ihren Versicherten das Ergebnis solcher Analysen vor. Das sehen die Gerichte allerdings gar nicht gern. In einem solchen Fall kommt es zu einer Umkehr der Beweislast. Wenn die Versicherung ihren Versicherten die Beweisführung unnötig erschwert oder deren Beweisführung vereitelt, so muss nicht mehr der Versicherte den Wildunfall beweisen, sondern die Versicherung muss nachweisen, dass kein Wildunfall vorliegt (OLG München, Urteil v. 24.7.2015, 10 U 3566/14).

Neu und noch selten sind Wildunfälle mit Wölfen

Nachdem sich bundesweit in einigen Ländern wieder Wölfe in den Wäldern aufhalten, kommen auch Wildunfälle mit Wölfen vor. Ein solcher ereignete sich nach einer Meldung des Regionalsenders Radio 38 am 10.8.2020 in den frühen Morgenstunden auf der A2 in der Nähe von Braunschweig. Noch in der Dunkelheit überquerte der Wolf die Fahrbahn. Ein Kfz konnte nicht ausweichen. Der Fahrer blieb zum Glück unverletzt, das Fahrzeug wurde allerdings schwer beschädigt und das Tier starb noch an der Unfallstelle. Ob das ein Wildunfall im Sinne der Teilkaskoversicherung war? Im Katalog der § 12 Abs. 1 I d AKB, § 2 Abs. 1 Nr. 1 BJagdG tauchen Wölfe bislang nicht auf.




Hintergrund: Wer für Kleintiere bremst, hat haftungsrechtlich oft verloren 

Ausgelebte Tierliebe kann für den Autofahrer sehr teuer werden.

  • Nach § 4 StVO darf ein Kraftfahrzeug nur bei zwingendem Grund stark abgebremst werden.
  • Da eine Kollision mit ihnen es für das Fahrzeug ungefährlich wäre, verstößt das plötzliche Abbremsen wegen dem Überqueren der Fahrbahn eines Kleintieres wie z.B. Eichhörnchen, Igel, Kaninchen oder auch Katze gegen die Vorschrift.
  • Bremst ein Autofahrer zu stark ab, weil er Tiere auf der Fahrbahn nicht überfahren möchte, trägt der Auffahrende lediglich eine Teilschuld (AG Nürnberg, Urteil v. 23.09.2005, 13 c 4238/05).

Dies gilt jedoch nicht für größere Tiere. Wer bei einem kreuzenden Wildschwein stur gerade ausfährt, riskiert immerhin, sich und sein Fahrzeug zu schädigen. Schon beim Fuchs wird von der Größe her die Grenze erreicht, bei der der Kraftfahrer aus Gesichtspunkten der Güterabwägung ein starkes Abbremsen in Erwägung ziehen darf. Immer, wenn der Kraftfahrer durch ein Überfahren des Tieres einen nicht unbedeutenden Schaden an sich und/oder seinem eigenen Fahrzeug riskiert, darf er einen starken Abbremsvorgang einleiten, weil ein zwingender Grund zum Bremsen besteht.