Wie urteilen Gerichte bei Konflikten innerhalb der Schule?

Eine Lehrerin muss Kritik an ihrem Unterricht grundsätzlich ertragen können. Nur unsachliche, beleidigende Äußerungen von Schülern können Sanktionen nach sich ziehen. Und: Ein Lehrer, der seine Schüler kurz nachsitzen lässt, begeht deshalb noch keine Freiheitsberaubung.

Immer wieder werden Gerichte in Auseinandersetzungen zwischen Schülern und Lehrern oder Eltern und Lehrern hineingezogen und müssen Entscheidungen zu innerschulischen Konfliktlagen treffen. Meistens üben sie sich dabei in kluger Zurückhaltung und vermeiden eine zu starke Einmischung in schulinterne Angelegenheiten ohne Grundrechtsrelevanz.

Lehrerin verlangt Schmerzensgeld wegen kritischer Äußerungen

Eine Lehrerin in Köln hatte sich über die ihrer Auffassung nach zu harsche Kritik an ihrem Unterricht geärgert. Die Lehrerin unterrichtete in der Unter- und Mittelstufe  einer Gesamtschule Englisch und Musik. Eine nicht unbedeutende Zahl der Schüler und Eltern war mit der Unterrichtstätigkeit der Lehrerin nicht zufrieden.

Beschwerdebrief an die Schulleitung

Der Vater eines Schülers, der Klassenpflegschaftsvertreter sowie Elternjahrgangssprecher der Klassen fünf und sechs war, fasste auf ausdrückliche Bitte der Schulleitung die aus Sicht der Eltern aufgetretenen Probleme in einem Schreiben an die Schulleitung zusammen. Unter anderem führte das Schreiben auf:

  • Überziehung des Unterrichts bis in die Pausen, so dass die Kinder nicht ausreichend Zeit zur Einnahme einer Mahlzeit hatten oder zur nächsten Unterrichtsstunde erst mit Verspätung eintrafen,
  • sehr umfangreiche Hausaufgaben trotz Ganztagsschule,
  • Bloßstellung einzelner Kinder vor der Klasse, teilweise in beleidigender Weise,
  • die Kinder fühlten sich durch den Unterricht nicht motiviert,
  • mangelnde Kooperationsbereitschaft mit den Eltern.

Das Schreiben endete mit der Bitte, die Lehrerin im kommenden Schuljahr nicht mehr bei den Schülern der betroffenen Jahrgänge einzusetzen.

Lehrerin fordert 30.000 EUR Schmerzensgeld

Durch dieses Schreiben betrachtete sich die Lehrerin als zu Unrecht verunglimpft. Sie fühlte sich in ihrer Ehre als Lehrerin sowie insgesamt in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Sie hielt die gegen sie erhobenen Vorwürfe sämtlich für nicht gerechtfertigt und fühlte sich durch die Äußerungen diskriminiert. Vor diesem Hintergrund forderte sie von dem Verfasser des Beschwerdebriefs Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 30.000 EUR. Als dieser die Zahlung verweigerte, forderte sie ihren vermeintlich in Anspruch gerichtlich ein und beantragte darüber hinaus gerichtlich die Verurteilung des Vaters zur künftigen Unterlassung ähnlicher ehrenrühriger Behauptungen.

LG zeigt wenig Verständnis für die Lehrerin

Das LG sah weder ausreichende rechtliche Gründe für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § § 823, 1004 BGB noch die Voraussetzungen für einen Schadensersatz- oder einen Schmerzensgeldanspruch als gegeben an. Das nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht der Lehrerin sah das Gericht für durch das Beschwerdeschreiben nicht verletzt. Das von der Lehrerin beanstandete Schreiben an die Schulleitung enthielt nach Auffassung der Kammer keinerlei Darlegungen, die auch nur annähernd einen solchen Anspruch begründen könnten.

  • Die aufgestellten Behauptungen begründeten weder den Vorwurf der Schmähung, noch hätten sie beleidigenden Inhalt.
  • Die Würde der Lehrerin werde durch die Schilderungen nicht tangiert.
  • In seiner Funktion als Jahrgangssprecher habe der Beklagte gegenüber der Schulleitung die Themen dargelegt, welche von den Schülern und ihren Eltern in Bezug auf die Klägerin als problematisch angesehen würden.
  • Dass diese Problematik real aufgetreten ist, sei zwischen den Parteien unstreitig.
  • In dem Schreiben habe  der Beklagte sich die Kritik der übrigen Eltern nicht einmal zu eigen gemacht oder als eigenes Werturteil ausgegeben, sondern lediglich objektiv die Kritikpunkte der Eltern dargelegt.

Das LG ist daher die Klage der Lehrerin in vollem Umfang ab (LG Köln, Urteil vom 6.12.2017, 12 O 135/17).

Lehrer wegen Nachsitzens der Freiheitsberaubung angeklagt

Beispiele für erbittert geführte Rechtsstreitigkeiten zwischen Eltern und Schülern einerseits und Lehrern auf der anderen Seite sind oft auch bei Erziehungsbemühungen der Lehrer zu beobachten.

Mitunter führen solche Meinungsverschiedenheiten sogar vor den Strafrichter. So wurde ein an einer Schule im rheinischen Kaarst tätiger Musiklehrer durch ein Urteil des AG Neuss wegen Freiheitsberaubung verwarnt, weil er seine Schüler wegen der Verursachung von Lärm in der Klasse eine (Straf)arbeit über den Violinisten Paganini schreiben ließ. Nach Ende des regulären Unterrichts hatte er Schüler so lange am Verlassen des Klassenraums gehindert, bis sie die Arbeit fertig geschrieben hatten.

Lehrer in zweiter Instanz freigesprochen

Wegen widersprüchlicher Zeugenaussagen aber auch aus der erkennbaren Auffassung des Gerichts heraus, dass die Verurteilung eines Lehrers wegen einer solchen erzieherischen Maßnahme in der Regel nicht in Betracht kommt, hat das LG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Musiklehrer in zweiter Instanz freigesprochen.

  • Die Anweisung an die Schüler, erst nach Fertigstellung der Arbeit den Klassenraum zu verlassen, sei im schulischen Bereich weder als Nötigung noch als Freiheitsberaubung zu werten.
  • Das Gericht betonte ausdrücklich, dass die ordnungsgemäße Erfüllung der den Schülern seitens der Lehrer erteilten Aufgaben Gegenstandes des Bildungs- und Erziehungsauftrages eines Lehrer sei (LG Düsseldorf, Urteil v. 17.2.2017, 5 Ns 63/16).

„Behinderter Lehrer ever“

Eine etwas härtere Gangart schlägt die Justiz gelegentlich in den Fällen ein, in denen negative Meinungsäußerungen von Schülern den engeren Bereich der Schule verlassen und ins Unsachliche abdriften. Diese Erfahrung musste eine 14-jährige Düsseldorfer Schülerin machen, die Ende 2015 auf Facebook ein Foto ihres Lehrers einstellte mit dem Kommentar „Behinderter Lehrer ever“. Nach ihrer Einlassung vor Gericht hatte die Schülerin sich dafür rächen wollen, dass der Lehrer ohne ihr Einverständnis ein Foto von ihr für die Homepage der Schule benutzt habe. Das AG Düsseldorf verurteilte die Schülerin wegen Beleidigung zu 20 Stunden gemeinnützige Arbeit nach Weisung der Jugendgerichtshilfe (AG Düsseldorf, Urteil v. 7.6.2016, 137 Ds – 70 Js 1831/16 – 63/16).

Fazit: Insgesamt lassen die unterschiedlichen Entscheidungen die Tendenz der Justiz erkennen, sich nach Möglichkeit einer Einmischung in innerschulische Angelegenheiten zu enthalten und sowohl der Schüler- als auch der Lehrerseite eher großzügige Verhaltensspielräume einzuräumen. Diese Zurückhaltung der Gerichte kann nur begrüßt

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"Nichts ist schrecklicher als ein Lehrer, der nicht mehr weiß als das, was die Schüler wissen sollen."

Johann Wolfgang von Goethe