Welche Art von Rechtsanwaltswerbung ist unzulässig?

Die Sicht auf Anwaltswerbung ist Dank EU-Recht großzügiger geworden. Doch auch das hat Grenzen: Die Anpreisung von Rechtsdienstleistungen im Internet als insgesamt kostenfrei, zusammen mit einem beigefügten Vollmachtsformular und ohne Aufklärung über Prozessrisiken, wird als unlauter eingestuft und ist auch gem. § 43b BRAO unzulässig. 

Im entschiedenen Fall hatte eine Servicegesellschaft - im Verfahren die Beklagte zu 2 - auf ihrer Internetseite Verbrauchern angeboten, ihnen dabei behilflich zu sein, das Recht der Verbraucher auf Werbefreiheit durchzusetzen.

  • Dies diene nicht nur dem Verbraucher,
  • sondern auch der Umwelt,
  • denn durch  Vermeidung unerwünschter Printwerbung und der damit einhergehenden Papierverschwendung würden auch die natürlichen Ressourcen geschont.

Rechtsanwaltsleistungen garantiert kostenfrei

Um den Service in Anspruch zu nehmen,

  • sollte der Verbraucher sich registrieren lassen und angeben, von welchem Unternehmen er keine Werbung erhalten will.
  • Die Servicegesellschaft übermittle den ausgewählten Unternehmen dann ein Werbeverbot.
  • Ignoriere das angeschriebene Unternehmen das Verbot, solle der User den Verstoß melden.

Neben dem Abdruck eines Musterschreibens enthielt die Internetseite ein umfängliches Merkblatt, in dem die Dienstleistungen eines Rechtsanwalts - des Beklagten zu 1 - als garantiert kostenfrei deklariert wurden. Außerdem war ein Vollmachtsformular des Beklagten zu 1 beigefügt.

Klage einer Anwaltskanzlei auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz

Die Klägerin, eine Rechtsanwaltsgesellschaft, hatte die Servicegesellschaft und den Rechtsanwalt

  • auf Unterlassung des Angebots kostenfreier Dienstleistungen verklagt,
  • darüber hinaus auf Auskunft und Offenlegung aller im Zusammenhang mit den beworbenen Tätigkeiten bereits erzielten Umsätze, Gewinne und Kosten
  • sowie auf Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unrechtmäßigen Handlungen bereits entstanden ist.

Unterlassungsanspruch bejaht

Das OLG gab wie schon die Vorinstanz der Unterlassungsklage statt. Der Unterlassungsanspruch stehe der Klägerin gemäß § 8 Abs. 1 UWG zu, wonach derjenige, der eine unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr von jedem Mitbewerber auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.

Servicegesellschaft haftet als Förderer des Anwalts

Dabei sah das OLG sowohl den verklagten Anwalt als auch die Servicegesellschaft als Mitbewerber der Klägerin an. Die Beklagte zu 2 - in der der Beklagte zu 1 Mitgesellschafter war -  fördere im Rahmen der von ihr angebotenen Dienstleistungen die anwaltliche Tätigkeit des Beklagten zu 1. Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG könne die Mitbewerberin auch gegen wettbewerbswidrige Handlungen des fördernden Unternehmens vorgehen.

Rechtliche Grundlagen der unzulässigkeit der Imternetwerbung des Anwalts

Das OLG stützte seine Entscheidung im wesentlichen auf § 3a UWG.

Hiernach handelt unlauter,

wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

  • Gemäß § 43 b BRAO ist dem Rechtsanwalt Werbung nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.
  • Nach § 6 Abs. 3 BORA darf der Rechtsanwalt nicht daran mitwirken, dass Dritte für ihn Werbung betreiben, die ihm selbst verboten ist.

Werbung zielte auf Erteilung von Einzelmandaten

Diese Vorschriften wurden nach dem Urteil des OLG seitens der Beklagten verletzt. Bei EU-konformer Auslegung des § 43b BRAO sei im Hinblick auf die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG Rechtsanwälten Werbung zwar nicht grundsätzlich verboten, verboten sei allerdings die Werbung um ein einzelnes Mandat, das unmittelbar auf die Erteilung eines Auftrags in einem konkreten Einzelfall gerichtet sei. Die auf der Internetseite enthaltenen Schriftstücke beinhalten nach Wertung des OLG

  • Werbung die darauf angelegt ist, die Angeschriebenen dazu zu bringen, die Leistungen des Beklagten zu 1 als Anwalt in Anspruch zu nehmen
  • und den jeweils gemeldeten Werbeverstoß? außergerichtlich und gegebenenfalls auch gerichtlich durch den Beklagten zu 2 verfolgen zu lassen.
  • Bei dieser Werbung hätten die Beklagten planmäßig zusammengewirkt, so dass beide als „Täter“ zu qualifizieren seien.
  • Damit hätten die Beklagten gegen das Verbot der Einzelwerbung gemäß § 43b BRAO verstoßen.
  • Auch die beigefügte Vollmacht zeige, dass es um die Werbung für ein konkretes Mandat gegangen sei.

Mandatswerbung ohne Beratung und Risikobelehrung

Der hiermit verbundene Verstoß gegen die Marktverhaltenvorschrift ist der Auffassung des OLG auch geeignet, die Interessen der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Die Beklagten hätten für ein Mandat geworben ohne Beratung hinsichtlich der Erfolgsaussichten, ohne Aufklärung über die allgemeinen Prozessrisiken und ohne Aufklärung über die anfallenden Kosten.

Irreführende Werbung weil Kostenrisiko verschwiegen

Gemäß § 49 b BRAO sei es Anwälten grundsätzlich verboten, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als die RVG vorsieht. Hinsichtlich des verschwiegenen Kostenrisikos sei die Werbung daher auch irreführend. Selbst wenn man davon ausgehe, dass im Innenverhältnis zur Beklagten zu 2 infolge der irreführenden Werbung ein Freistellungsanspruch des Mandanten hinsichtlich entstehender Kosten besteht, so trage dieser dennoch im Fall eines Prozesses das primäre Kostenrisiko und bleibe auch auf den Kosten sitzen, wenn die Beklagte zu 2 beispielsweise insolvent wird.

Klage insgesamt begründet

Vor diesem Hintergrund sind nach dem Diktum des OLG nicht nur der Unterlassungsanspruch, sondern auch der Annex-Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gemäß § 242 BGB sowie der Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 9 UWG in Verbindung mit § 256 ZPO begründet.

(OLG Köln, Urteil v. 29.6.2018, 6 U 179/17).

Hinweis: Nach einem Urteil des BGH ist die Werbung eines Anwalts für eine kostenlose Erstberatung grundsätzlich zulässig (BGH, Urteil v. 3.7.2017, AnwZ 42/16)

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Hintergrund:

Lockerung des Werbeverbots:

Der BGH begründet seine seit längerem sich lockernde Sichtweise damit, dass § 43b BRAO im Lichte des Wortlauts und des Zwecks des Art. 24 der Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt auszulegen sei. Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG seien absolute Verbote der kommerziellen Kommunikation für reglementierte Berufe untersagt.

Ein Werbeverbot komme daher nur in Betracht, wenn sich ein Verbotsgrund im Einzelfall aus der Form, aus dem Inhalt oder aus dem verwendeten Mittel der Werbung ergebe. Allein der Umstand, dass ein potentieller Mandant in Kenntnis von dessen konkretem Beratungsbedarf angesprochen werde, genüge diesen Anforderungen nicht. Ein Werbeverbot zum Schutze potentieller Mandanten vor Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit könne aber durch Belästigung, Nötigung und Überrumpelung gerechtfertigt sein (BGH, Urteil v. 13.11.2013, I ZR 15/12).

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Schlagworte zum Thema:  Kanzleimarketing, Bundesrechtsanwaltsordnung, UWG