Weinhändler darf trotz Corona-Betriebsschließungen öffnen

Es ist einer der ersten Fälle, in denen ein Einzelhändler vor Gericht erfolgreich gegen eine aufgrund der Corona-Pandemie erlassenen Schließungsverfügung vorgegangen ist. Das VG Aachen hat dem Weinhändler im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Öffnung seines Ladenlokals gestattet: Wein ist ein Lebensmittel.

Der zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bundesweit eingeleitete Shutdown des gesellschaftlichen, geschäftlichen und öffentlichen Lebens wird von den Gerichten grundsätzlich als rechtlich zulässig gewertet. Einzelhändler, die gegen die Schließung ihrer Ladenlokale gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen wollten, waren bisher wenig erfolgreich (OVG Münster, Beschluss v. 6.4.2020, 13 B 398/20.NE).

Verkauf trotz Corona - ist Wein ein Lebensmittel?

Einen Erfolg gegen den allgemeinen Trend hat nun ein Aachener Weinhändler erzielt. Die Stadt Aachen hatte für die Weinhandlung eine Schließungsanordnung erlassen. Nach den Bestimmungen der CorSchVO-NRW dürfen Einzelhandelsläden bis zum 19.4.2020 nicht öffnen.

Ausnahmen gelten gemäß § 5 Abs. 1 Ziff. 1 CorSchVO unter anderem für Einrichtungen des Einzelhandels für Lebensmittel. Der Weinhändler vertrat die Auffassung, dass er in seinem Geschäft ebenfalls Lebensmittel verkaufe. Das Produkt Wein falle eindeutig unter den Begriff der Lebensmittel.

Stadt Aachen erkennt Wein nicht als Lebensmittel an

Die Stadt schloss sich dieser Argumentation nicht an und vertrat die Auffassung, der Begriff Lebensmittel in § 5 Abs. 1 Ziff. 1 CorSchVO-NRW sei eng auszulegen und betreffe nur Getränke und Speisen, die der notwendigen Grundversorgung der Menschen dienten.

Auch Genussmittel fallen unter den Lebensmittelbegriff

Das VG verwies darauf, dass diese enge Auslegung der Stadt Aachen nicht dem Willen des Verordnungsgebers entspreche. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW habe inzwischen klargestellt, dass der Betrieb von Einzelhandelsgeschäften, die ausschließlich Genussmittel vertreiben, ebenfalls von dem Begriff Lebensmittel umfasst würde. Hätte man den Begriff Lebensmittel auf die für die Grundversorgung notwendigen Waren beschränken wollen, so wäre dies im Text der CorSchVO zum Ausdruck gekommen. Die Verordnung verfolge ausschließlich das Ziel, eine schnelle Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Hierzu sei die Einhaltung strenger Hygieneanforderungen erforderlich, die in einer Weinhandlung aber ebenso erfüllt werden könnten wie in anderen Lebensmittelläden.

Örtliche Ordnungsbehörde darf strengere Maßnahmen als das Land anordnen

Das Gericht prüfte darüber hinaus, ob die örtliche Ordnungsbehörde im konkreten Fall Maßnahmen anordnen durfte, die über die nach der allgemeinen CorSchVO zulässigen Maßnahmen hinausgehen. Das VG bejahte dies. Die Verwaltungsbehörde hätte grundsätzlich eine solche Maßnahme auch auf die Regelungen des bundesrechtlichen IfSG stellen können. Dies habe die Behörde jedoch nicht getan und insbesondere die Voraussetzungen für strengere Maßnahmen gemäß §§ 28 ff IfSG nicht geprüft.

Schließungsverfügung war rechtswidrig

Vor diesem Hintergrund bewertete das Gericht die Schließung des Betriebes als nicht rechtmäßig. Der Weinhändler darf sein Ladenlokal wieder öffnen. Die Stadt Aachen kann gegen den Beschluss Beschwerde beim OVG Münster einlegen.

(VG Aachen, Beschluss v. 3.4.2020, 7 L 259/20)

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So hatte das gleiche Gericht zuvor in zwei einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschieden, dass die CorSchVO-NRW nach summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sei und eine Schließung eines Pralinenfachgeschäfts für rechtmäßig erklärt (VG Aachen, Beschluss v. 23.3.2020, 7 L 233/20).

Das VG Minden hatte mit ähnlicher Begründung die Schließung eines Eiscafés zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus für rechtens gehalten (VG Minden, Beschluss v. 31.3.2020,7 L 257/20).

„Der Wein ist unter den Getränken das nützlichste,
unter den Arzneien die schmackhafteste und
unter den Nahrungsmitteln das angenehmste.“
(Plutarch)