Wandkalender reicht für zuverlässige Fristberechnung nicht aus

Ein Anwalt, der seinen Büroangestellten zur Berechnung von Fristen einen schlecht lesbaren Wandkalender (2 mm Schriftgröße) zur Verfügung stellt, kann nicht mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechnen, wenn Mitarbeiter wegen eines nicht bundesweiten Feiertages eine Frist falsch berechnen. Der BGH hält derartige Wandkalender für ungeeignet und sieht ein Organisationsverschulden.

In dem fraglichen Fall war ein Kläger mit einer Amtshaftungsklage vor dem Landgericht Amberg gescheitert. Dagegen legte sein Anwalt Berufung beim Oberlandesgericht Nürnberg ein.

Berufungsfrist in Amtshaftungsklage um einen Tag überschritten

Doch die Nürnberger OLG-Richter stellten fest, dass der Kläger die Berufungsfrist um einen Tag überschritten hatte.

  • Der Anwalt bzw. seine Mitarbeiter hatten auf dem für die Fristberechnungen herangezogenen Wandkalender
  • übersehen, dass Christi Himmelfahrt nicht bayernweit als Feiertag gilt.
  • Während dies in Amberg so ist,
  • gilt der Tag in Nürnberg nicht als Feiertag.

Der Anwalt beantragte daraufhin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – ohne Erfolg.

Gericht sah keinen Fehler der Mitarbeiterin, sondern Organisationsverschulden

Das OLG Nürnberg hielt den Wandkalender für ungeeignet, daraus Fristen zu berechnen. Die Mitarbeiterin habe fälschlich aus dem grün markierten 15.8. geschlossen, dass Christi Himmelfahrt ein bayernweiter Feiertag sei. Das sah das Gericht aber nicht in erster Linie als ihren Fehler an: Vielmehr sei der Kalender unvollständig und deshalb zur Fristberechnung ungeeignet gewesen.

Anwalt zieht bis vor den Bundesgerichtshof

Der Anwalt legte dagegen die Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof ein. Auch dort scheiterten seine Bemühungen. Er hatte in Karlsruhe erstmals ergänzend vorgetragen, dass in dem Kalender für den betreffenden Tag ein Sternchenvermerk

„Feiertag im Saarland und teilweise in Bayern“

angebracht worden sei. Deshalb sei der redaktionell korrekt erstellte Wandkalender sehr wohl zur Fristberechnung geeignet. Seiner ansonsten stets zuverlässig arbeitenden Bürovorsteherin sei in diesem Fall ein bedauerlicher Fehler unterlaufen. 

Verspätet und fruchtlos vorgetragen

Diesen Vortrag wiesen die Karlsruher Richter als verspätet zurück. Der Anwalt hätte innerhalb der vierzehntägigen Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand alle wesentlichen Tatsachen vortragen müssen.

Ungeachtet dessen würde selbst bei Berücksichtigung des neuen Vortrags in der Beschwerdebegründung das Verschulden des Anwalts nicht entfallen. Denn der vorgetragene und mit der Vorlage des Kalenderblatts in Originalgröße und -farbe belegte Verweis auf die nur für Teile Bayerns geltende Feiertagsregelung für Mariä Himmelfahrt sei nicht hinreichend deutlich, so dass er übersehen werden könne.

Sternchenhinweis leicht zu übersehen

Zum Hintergrund: Der Hinweis besteht aus einem winzigen, im Durchmesser maximal einen halben Millimeter großen Sternchen. 

  • Neben der Zahl 15 wird sodann der Feiertag in etwa zwei Millimeter großen Buchstaben namentlich ausgeschrieben.
  • Der Text wiederum, auf den das Sternchen verweist, nämlich der Hinweis, dass der Feiertag nicht bayernweit gilt, steht unten auf dem Kalenderblatt.
  • Die Schriftgröße beträgt ebenfalls nur etwa zwei Millimeter.

Deshalb liegt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auf der Hand, dass ein solch unauffälliger Hinweis – insbesondere auf einem Wandkalender, der üblicherweise aus einer größeren Leseentfernung als ein Tischkalender betrachtet zu werden pflegt – leicht zu übersehen ist. Daraus ergebe sich das auch in diesem Fall verwirklichte erhebliche Risiko, dass bei der Fristberechnung eine Orientierung allein anhand der farblichen Hervorhebung des Tages als Feiertag erfolgt.

(BGH, Beschluss v. 27.7.2017, III ZB 76/16).


Hintergrund: Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung

Einer Partei ist nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO einzuhalten.

Verschulden des Anwalts ist der Partei wie ihr wie eigenes zuzurechnen. Lediglich Verschulden des Büropersonals, welches nicht auf einem Organisationsverschulden des Anwalts beruht, hat die Partei nicht zu vertreten.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium