Vorlage eines gefälschten Impfpasses ist nicht immer strafbar

Die Vorlage eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten, ist nicht unbedingt strafbar.  Den Apotheken fehlt die für die Strafbarkeit nach  §§ 277, 279  StGB erforderliche Behördeneigenschaft und nach § 75a Abs. 2 Nr. IfSG sind nur fälschende Fachleute strafbar.

Dies hat das LG Osnabrück entschieden und hierbei deutlich zwischen Beschlagnahme und Sicherstellung unterschieden. Die repressive Beschlagnahme eines gefälschten Impfpasses ist danach rechtswidrig, die Sicherstellung des gefälschten Dokuments aus Gründen der Gefahrenprävention durch die Polizei ist jedoch zulässig.

Gefälschter Impfausweis in Apotheke vorgelegt

Die auf den ersten Blick etwas skurril anmutende Entscheidung des LG beruht auf folgendem Fall: Der Beschuldigte hatte einen gefälschten Impfausweis in einer Apotheke im niedersächsischen Nordhorn vorgelegt. Er wünschte vom Apotheker die Ausstellung eines digitalen Impfzertifikats. Der Apotheker schöpfte Verdacht und meldete den Vorgang bei der örtlichen Polizeibehörde.

Impfverweigerer beanspruchte für sich die Vorteile vollständig Geimpfter

Die Polizei kam zu dem Ergebnis, dass der von dem Beschuldigten vorgelegte Impfausweis gefälscht war. Der Beschuldigte habe sich nicht impfen lassen wollen. Um im gesellschaftlichen Leben die Vorteile eines vollständig Geimpften in Anspruch nehmen zu können, habe er vorsätzlich das gefälschte Dokument in der Apotheke vorgelegt, um auf diese Weise ein digitales Zertifikat über eine in Wahrheit nicht erfolgte vollständige Impfung zu erhalten.

Beschlagnahme des Impfausweises durch die Polizei war rechtswidrig

Aufgrund des entstandenen Fälschungsverdachts hatte die Polizei das mutmaßlich gefälschte Impfdokument beschlagnahmt. Die beantragte gerichtliche Bestätigung der Beschlagnahme lehnte das zuständige AG ab. Die 3. Große Strafkammer des LG Osnabrück bestätigte den ablehnenden Beschluss des AG. Die Beschlagnahme eines Dokuments setze eine strafbare Handlung voraus. Eine solche liege nicht vor, deshalb sei die Beschlagnahme rechtswidrig erfolgt.

Vorlage eines gefälschten Gesundheitszeugnisses ist im Privatbereich straffrei

Das LG befasste sich in seiner Entscheidung insbesondere mit den Strafvorschriften der §§ 277, 279 StGB zu gefälschten Gesundheitszeugnissen. Hiernach macht sich strafbar, wer

  • einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft
  • ein gefälschtes Gesundheitszeugnis vorlegt,
  • um diese über seinen Gesundheitszustand zu täuschen.

Apotheken haben keine Behördeneigenschaft

Das LG hatte zwar keine Schwierigkeiten, den vom Beschuldigten vorgelegten Impfpass unter den Begriff des Gesundheitszeugnisses zu subsumieren, der Beschuldigte habe den Impfpass aber nicht bei einer Behörde, sondern in einer Apotheke vorgelegt. Auch unter Berücksichtigung des § 22 Abs. 5 Nr. 1 IfSG, wonach Apotheker digitale Impfzertifikate ausstellen dürfen, sei eine Apotheke keine Behörde im Sinne des StGB gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB.

Eine Apotheke sei ein rein privates Unternehmen, das nicht in das Gefüge staatlicher Verwaltung eingeordnet sei.

Allgemeine Regelungen zur Urkundenfälschung nicht anwendbar

Nach Auffassung des LG ist auch kein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen zur Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB möglich. Die Regelungen der §§ 277, 279 StGB seien insoweit lex specialis und enthielten eine Privilegierung mit deutlich niedrigerer Strafandrohung. Nach dem Sinn dieser Regelungen sei ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen zur Urkundenfälschung bei Gesundheitszeugnissen daher versperrt.

Strafbarkeitslücke kann nur vom Gesetzgeber geschlossen werden

Schließlich prüfte das LG die Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 75a Abs. 2 Nr. 1 IfSG. Eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift kommt nach Auslegung des LG deshalb nicht in Betracht, weil dieser Tatbestand nur durch eine zur Durchführung einer Schutzimpfung berechtigten Person, also insbesondere durch einen Arzt, erfüllt werden könne. Der Gebrauch eines gefälschten Gesundheitszeugnisses durch eine Privatperson falle nicht unter die Vorschrift. Insoweit bestehe eine Strafbarkeitslücke, die nach dem Grundsatz nulla poene sine lege nur vom Gesetzgeber und nicht von den Gerichten geschlossen werden könne.

Beschlagnahme des gefälschten Impfpasses war rechtswidrig

Als Folge der mangelnden Strafbarkeit des Verhaltens des Beschuldigten war nach der Entscheidung des LG damit auch die erfolgte polizeiliche Beschlagnahme rechtswidrig.

Sicherstellung zur Gefahrenprävention wäre zulässig

Das LG wies in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass nach seiner Auffassung aus präventiven Gründen - über die ein Strafgericht nicht zu entscheiden habe - die Sicherstellung des gefälschten Impfausweises zulässig wäre, da von dem Gebrauch eines gefälschten Impfausweises infolge der damit verbundenen Ansteckungsgefahr eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit der Allgemeinheit ausgehe. Auf der Grundlage des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts sei eine Sicherstellung gemäß § 26 Nr. 1 des Niedersächsischen Polizeigesetzes daher wohl zulässig.

(LG Osnabrück, Beschluss der 3. Großen Strafkammer v. 26.10.2021).

Hintergrund:

Die Medien berichten immer wieder über einen schwunghaften Handel, teils über das Internet, mit gefälschten Impfdokumenten. Viele Impfverweigerer versuchen auf diese Weise, die aus Gründen der Ansteckungsgefahr für sie geltenden Beschränkungen im öffentlichen Leben zu umgehen. Die Aussteller solcher unrichtiger Zertifikate machen sich nach den im Rahmen der Corona-Pandemie neu eingeführten §§ 74 Abs. 2, 75a IfSG grundsätzlich strafbar, sind insbesondere beim Internethandel häufig aber kaum zu identifizieren.

Gesetzeslücke im IfSG

Impfverweigerer machen sich - wie im vom LG Osnabrück konkret entschiedenen Fall - gerne die Vorschrift des § 22 Abs.5 Satz 1 Nr. 2 IfSG zunutze. Danach habe Ärzte und Apotheker auf Vorlage einer Impfdokumentation dem Betroffenen ein digitales Zertifikat über die erfolgte vollständige Impfung auszustellen. Im Rahmen der Neuregelung der Strafbarkeit hat der Gesetzgeber offensichtlich diese Personen übersehen, die unrichtige Gesundheitszeugnisse nutzen, um sich auf unlautere Weise in den Besitz eines digitalen Impfzertifikats zu bringen. Die Deutsche Apothekerzeitung berichtet über eine Vielzahl solcher Fälle in der Apothekenpraxis. Hier besteht aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Allgemeinheit dringender gesetzlicher Nachbesserungsbedarf.

Seit dem 1.6.2021 ist es zwar strafbar, wissentlich eine unrichtige Schutzimpfung gegen das Corona-Virus zu dokumentieren (§ 74 Abs. 2 IfSG), eine Bescheinigung über einen Impf- oder Testnachweis unrichtig auszustellen (§ 75a Abs. 1 IfSG) oder solche unrichtigen Dokumentationen oder Bescheinigungen zur Täuschung im Rechtsverkehr zu gebrauchen (§ 75a Abs. 2 IfSG). Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr, (beim Gebrauchen eines Impf- oder Testnachweises) bzw. zwei Jahren (für unrichtiges Dokumentieren oder Bescheinigen einer Impfung oder eines Tests) oder Geldstrafe sind die Folge.

Aber § 74 Abs. 2 IfSG ist ein sog. Sonderdelikt, das nur von einer impfberechtigten Person, also einem Arzt, begangen werden kann. Unterschreibt also z.B. ein Laie mit dem Namen eines Arztes, ist § 74 Abs. 2 IfSG nicht verwirklicht.

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