VG zur nächtlichen Lärmbelästigung durch Krähen eines Hahns

Das Krähen eines Hahns zur Nachtzeit muss nicht hingenommen werden. Frühestens ab 6:00 Uhr morgens darf er krähen. Kräht der Hahn früher, muss er nach der Entscheidung eines VG in einen schallisolierten Stall gesperrt werden.

Immer wieder haben Gerichte sich mit dem Problem des von Tieren verursachten Lärms zu befassen. Das unbotmäßige Krähen eines Hahns gehört in diesem Segment zu den häufigeren Störungen, die vor Gericht landen.

Hahn muss schallisoliert weggesperrt werden

In einer aktuellen Entscheidung hat das VG Frankfurt/Oder einen Hahn für die Zeit zwischen 22:00 Uhr abends und 6:00 Uhr morgens in einen geschlossenen, schallisolierten Stall verbannt, weil eine Einwohnerin einer Kleinstadt in Brandenburg sich durch das Krähen des Hahns in ihrer Nachtruhe gestört fühlte.

Nächtliche Hahnenschreie typisch für Stadthähne?

Der Hahn hatte sein Domizil in unmittelbarer Nähe der Wohnung der Anwohnerin. In ca. 20 m Entfernung von deren Schlafzimmer pflegte der Hahn häufig ab 3:00 Uhr nachts lauthals zu krähen. Erst wenn andere Artgenossen typischerweise morgens um 6 Uhr mit ihrem Geschrei beginnen, stellte der - möglicherweise durch die Stadthaltung verhaltensgestörte - Störenfried seine akustischen Störattacken ein.

Eilantrag auf Lärmschutz beim VG

Die Versuche der Anwohnerin, die zuständige Gemeindeverwaltung zu einem energischen Einschreiten gegen das lärmende Federvieh zu bewegen, schlugen fehl. Sie leitete daraufhin ein Eilverfahren gegen die Gemeinde vor dem VG ein. Nach ihrer Auffassung hat eine Gemeinde in solchen Fällen die Verpflichtung, zum Schutz ihrer Bürger einzuschreiten und diese vor fortlaufenden Störungen ihrer Nachtruhe durch Lärm zu schützen.

Muss eine Gemeinde gegen störenden Tierlärm einschreiten?

Das zuständige VG hatte Verständnis für die genervte Anwohnerin. Gemäß § 10 des brandenburgischen Landesimmissionsschutzgesetzes (LImSchG) hätten Bürger Anspruch auf Schutz der Nachtruhe in der Zeit zwischen 22:00 Uhr abends und 6:00 Uhr morgens. Hieraus folge ein subjektives, einklagbares Recht der Betroffenen. Wie bei anderen Verstößen gegen den Lärmschutz, beispielsweise bei nächtlichem Lärm aus Gaststätten oder Partylärm aus Wohnungen, sei die Gemeinde verpflichtet einzuschreiten und ihre Bürger vor unverhältnismäßigen Lärmbelästigungen zu schützen.

Tiere dürfen andere nicht mehr als nur geringfügig belästigen

Der Schutz vor nächtlichem Lärm gilt nach Auffassung des VG auch für Lärm, der durch Tiere verursacht wird. Gemäß § 3 Abs. 2 LImSchG seien Tiere grundsätzlich so zu halten, dass die durch die Tiere hervorgerufenen Emissionen niemanden mehr als nur geringfügig belästigen.

Nächtliche Hahnenschreie sind innerstädtisch unüblich

Aufgrund des von der Antragstellerin vorgelegten Lärmprotokolls, das die nächtlichen Hahnenschreie über mehrere Nächte unter exakter Angabe der jeweiligen Uhrzeit belegte, hielt das VG das Vorbringen der Antragstellerin grundsätzlich für glaubhaft. Der Lärm durch nächtliche Hahnenschreie sei in einem innerstädtischen Gebiet auch nicht ortsüblich. Etwas anderes könne möglicherweise für landwirtschaftliche Betriebe auf dem Land gelten. Es handele sich hier aber nicht um landwirtschaftliche Tierhaltung. Daher sei die Stadt verpflichtet, einzuschreiten

Hahn muss weggesperrt werden

Das VG verpflichtete die Stadt daher, dem Halter des Hahns aufzugeben, das Tier in der Zeit von 22:00 Uhr abends bis 6:00 Uhr morgens in einem geschlossenen und schallisolierten Stall unterzubringen.

(VG Frankfurt/Oder, Beschluss v. 5.10.2022, 5 L 270/22)

Hintergrund:

Dass genervte Nachbarn die Halter von Tieren wegen störender Tiergeräusche vor Gericht zerren, kommt in der Praxis nicht ganz selten vor. Wer durch Tierlärm in nicht unerheblicher Weise dauerhaft gestört wird, kann gemäß § 1004 Abs. 1 BGB Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen, wenn die Störung nicht gemäß § 906 BGB unerheblich und ortsüblich ist. In aller Regel landen diese Fälle vor den Zivilgerichten.

Entscheidungen zum Hahnenschrei differenzieren nach dem Standort

Speziell der Hahnenschrei hat schon zu mannigfachen Gerichtsentscheidungen geführt.

  • Das VG Freiburg hat ähnlich dem VG Frankfurt/Oder die Anordnung einer Gemeinde zur nächtliche Unterbringung eines Hahns in einem artgerechten, schallisolierten Stall für rechtmäßig erachtet (VG Freiburg, Beschluss v. 22.12.2008, 4 K 2341/08).
  • In einem reinen Dorfgebiet muss das Krähen eines Hahns hingenommen werden (VG Neustadt/Weinstrasse, Urteil v. 23.10.2017, 4 K 419/17.NW).
  • Das LG München I hat auch das Krähen eines Hahns in einem Wohngebiet, das ursprünglich landwirtschaftlich genutzt wurde, als ortsüblich gewertet und die Klage des Nachbarn auf Unterlassung abgewiesen (LG München I, Urteil v. 23.12.1986, 23 O 14452/86; ähnlich LG Kleve, Urteil v. 17.1.1989, 6 S 311/88).
  • Das LG München I hat demgegenüber einen Unterlassungsanspruch eines Nachbarn gemäß § 1004 BGB wegen Eigentumsstörung bei einem über den gesamten Tag verteilten Krähen eines Hahns im innerstädtischen Bereich bejaht (LG München I, Urteil v. 3.3.1989, 30 O 1123/87).