Verwirrender Versicherungsfall: Hund klaut menschliches Gebiss

Wenn ein Hund übergroßes Interesse an menschlichem Zahnersatz zeigt und diesen in einem geheimen Versteck vergräbt, so kommt dies einer Zerstörung des Gebisses gleich. Ist das Gebiss gegen Zerstörung oder Beschädigung versichert, so muss die Versicherung zahlen.

Der Besuch bei seinem Bruder bekam einem Träger von Zahnersatz nicht besonders gut. Als er dort übernachtete, verwahrte er seinen Zahnersatz auf dem neben dem Bett befindlichen Nachttisch in einer besonderen Box. Nach einem nächtlichen Besuch des stillen Örtchens staunte er nicht schlecht, als der Hund seines Bruders vor ihm stand und den Zahnersatz in seinem Maul stolz zwischen seinen Hundezähnen präsentierte.

Zahnersatz in sicherem Versteck verbuddelt

Apollo - so hieß der Hund - ließ sich von dem entsetzt ausgebrachten Ruf „Sofort fallen lassen!!“ nicht beeindrucken und entschwand - seine Beute mit sich nehmend - mit Riesensprüngen in den Garten, wo er den Zahnersatz ganz schnell verbuddelte. Das Versteck konnten weder der Zahnersatzträger noch sein Bruder anschließend ausfindig machen.

Hund ließ nicht mit sich reden

Zum Glück war der Zahnersatz gegen Zerstörung und Beschädigung versichert. Leider war die Versicherung nicht davon zu überzeugen, dass der Zahnersatz zerstört oder beschädigt sei. Die Versicherung stellte sich frech auf den Standpunkt, der Hund habe den Zahnersatz ja nur versteckt; das Gebiss sei möglicherweise noch völlig unbeschädigt und gebrauchsfähig. Der Versicherungsnehmer habe den Versicherungsfall zu beweisen, mithin zumindest plausibel darzulegen, dass der Zahnersatz tatsächlich beschädigt oder zerstört sei.

Apollo schwieg zu dem Ganzen hartnäckig und ließ sich nicht dazu bringen, sein Herrchen zu dem Versteck zu führen. Der Ort der Unterbringung des Gebisses war ihm heilig, obwohl Hunde für gewöhnlich eher wenig Verwendung für menschlichen Zahnersatz haben dürften.

Hunde gehen mit menschlichen Gebissen nicht vorsichtig um

So landete der Streit schließlich vor Gericht. Sowohl das AG als auch das zweitinstanzlich mit der Sache befasste LG zeigten Verständnis für den Träger des Zahnersatzes. Nach Auffassung der Richter war von einer Zerstörung des Gebisses im Sinne der Versicherungsbedingungen auszugehen, schließlich war das Gebiss zum Zeitpunkt der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung bereits seit eineinhalb Jahren verschwunden.

Vorsitzende Richter bemühte allgemeine Lebenserfahrung

Der Vorsitzende Richter des LG bemühte die allgemeine Lebenserfahrung, die dafür spreche, dass ein Hund mit einem menschlichen Gebiss in der Regel nicht besonders vorsichtig umgehe. Trage ein Hund ein menschliches Gebiss im Maul, so spreche viel dafür, dass dieses dort nicht wieder so unbeschädigt herausfalle, dass es nach gründlicher Reinigung wieder problemlos verwendet werden könne.

Nach eineinhalb Jahren im Garten auch Würmer dran

Im übrigen sei nach dem langen Zeitraum von anderthalb Jahren davon auszugehen, dass ein im Garten vergrabenes Gebiss durch Witterungseinflüsse und infolge von Vermoderungsprozessen im Boden nicht mehr ohne weiteres geeignet sei, es in einen menschlichen Mund einzusetzen. Damit sei die Zerstörung auch durch Zeitablauf eingetreten, selbst wenn der Hund zuvor materialschonend mit dem Zahnersatz  umgegangen sei.

Versicherungsschutz auch bei Zerstörung abhanden gekommener Sachen

Das Gericht wies auch darauf hin, dass der Versicherungsschutz nicht dadurch entfalle, dass eine zerstörte Sache zuvor abhanden gekommen sei. Anderthalb Jahre nach dem Abhandenkommen durch das bösartige Verhalten des Hundes könne aber nicht mehr nur von einem bloßen Besitzverlust gesprochen werden. Auch der Vorsitzende Richter wäre nach eigenem Bekunden nach diesem Zeitraum nicht mehr bereit, ein solches Gebiss in den Mund zu nehmen. Ergebnis: Die Versicherung musste zahlen.

(LG Hannover, Urteil v. 22.3.2005, 18 S 86/04).

Vgl. auch:

Mein Freund der Hund

Selbstverstümmelung und Recht

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