Veröffentlichung als Nachweis der Fachanwaltsfortbildung

Ein nur auf der eigenen Homepage veröffentlichter Fachbeitrag ist keine wissenschaftliche Publikation, mit der ein Fachanwalt seine Fortbildungspflicht erfüllen kann. Weil ein Fachanwalt das nicht einsehen wollte, verlor er seinen Titel - und das mit dem Segen des Bundesgerichtshofs.  

Einem Anwalt war Anfang 2011 die Befugnis verliehen worden, die Bezeichnung „Fachanwalt für Informationstechnologierecht" zu führen. Den wollte er sich durch Nachweis der notwendigen Fortbildung auch erhalten.

Nachweis der Fortbildung durch Veröffentlichungen

Im Jahre 2011 wies er zwei in der Zeitschrift "c’t magazin für computertechnik" veröffentlichte Aufsätze nach und verwies auf zwei weitere Beiträge, die auf seiner Homepage einzusehen waren. Die Rechtsanwaltskammer erkannte dies als Fortbildung an. Im Jahre 2012 griff er auf diese Vorgehensweise zurück: 

  • Im Zeitraum Oktober 2012 bis Januar 2013 stellte der Kläger drei weitere Beiträge auf seiner Homepage ein und zeigte dies der Rechtsanwaltskammer an.
  • Eigenen Angaben zufolge hat er auf den ersten Beitrag 5,75 Stunden verwandt, auf den zweiten Beitrag 10,5 Stunden.
  • Der dritte Beitrag sei mit einem Aufwand von 2 Stunden am 31. Dezember 2012 begonnen und im Januar 2013 abgeschlossen worden.

Kammer widerrief Erlaubnis, den Fachanwaltstitel zu führen

Die Kammer meint, der Anwalt sei seiner Fortbildungspflicht im Jahre 2012 nicht nachgekommen. Die Art der Veröffentlichung war ihr nicht wissenschaftlich genug und genüge nicht nicht als Fortbildung.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2014 widerrief sie deshalb die dem Kläger zuvor erteilte Erlaubnis, die Bezeichnung "Fachanwalt für Informationstechnologierecht" zu führen. Dagegen erhob dieser Anfechtungsklage mit dem Ziel, den Widerrufsbescheid aufzuheben.

Hohe Erwartungshaltung in der Bevölkerung

Der Anwaltsgerichtshof hat den Widerrufsbescheid aufgehoben und die Berufung zugelassen. Doch die Berufung zum Bundesgerichtshof führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Gemäß § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO kann die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung widerrufen werden, wenn eine in der Berufungsordnung vorgeschriebene Fortbildung unterlassen wird.

Was muss(te) nachgewiesen werden?

Nach § 15 FAO in der bis zum 1. Januar 2015 geltenden Fassung musste jeder, der eine Fachanwaltsbezeichnung führt,

  • jährlich auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren
  • oder mindestens an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung dozierend oder hörend teilnehmen.
  • Die Gesamtdauer der Fortbildung darf zehn Zeitstunden nicht unterschreiten.
  • Die Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung ist der Rechtsanwaltskammer unaufgefordert nachzuweisen.

Anforderungen verstossen nicht gegen Art. 3 GG

Der BGH stellte klar: Die Beschränkung auf die dozierende oder hörende Teilnahme an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung oder das wissenschaftliche Publizieren unter Ausschluss anderer denkbarer Arten von Fortbildung verstößt entgegen der Ansicht des Klägers nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

  • So werden Artikel in Tages- oder Werbezeitungen, Zeitschriften oder sonstigen „unwissenschaftlichen" Medien unabhängig von ihrem Inhalt nicht als Fortbildung anerkannt.
  • Fachliche Betätigungen eines Fachanwalts werden damit unabhängig von ihrer grundsätzlichen Eignung zur Fortbildung des Anwalts nur teilweise zum Nachweis der satzungsrechtlich vorgeschriebenen Fortbildung zugelassen.

„Ihre Rechtfertigung findet diese Ungleichbehandlung in der formalisierten Natur der Verleihung und Belassung des Fachanwaltstitels. Der Rechtsanwalt, der eine Fachanwaltsbezeichnung führt, weist damit das rechtsuchende Publikum auf Spezialkenntnisse hin, über welche er typischerweise im Unterschied zu Rechtsanwälten verfügt, die keine Fachanwaltsbezeichnung führen dürfen“,

erklären die höchsten deutschen Zivilrichter.  Beim rechtsuchenden Publikum erwecke die Fachanwaltsbezeichnung die Erwartung besonderer, in einem formalisierten Verfahren nachgewiesener theoretischer und praktischer Kenntnisse

Eigenpublikation nicht dauerhaft zitierfähig

Was für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung gilt, gelte ebenso für die Fortbildungspflicht als die Voraussetzung dafür, dass die Fachanwaltsbezeichnung weiterhin geführt werden darf.

„Es entspricht der verständigen Erwartung der Rechtsuchenden, dass der Fachanwalt seine spezifischen Kenntnisse jeweils auf dem neuesten Stand hält. Nur durch ständige fortlaufende Fortbildungen ist gewährleistet, dass Änderungen der Gesetzeslage und Rechtsprechung sowie neuere Literatur Einzug in die Beratung der Fachanwälte finden“,

betonen die Bundesrichter.

Artikel auf der eigenen Homepage reicht nicht

Das Einstellen eines Artikels auf der eigenen Homepage stellt nach Ansicht des Gerichts keine wissenschaftliche Publikation in diesem Sinne dar.

Der Artikel auf der Homepage sei zwar für die Öffentlichkeit zugänglich.

  • „Er ist jedoch nicht nachhaltig verfügbar.
  • Es steht im freien Belieben des Inhabers der Homepage, ihn zu verändern, ohne dies zu dokumentieren, oder ganz zu entfernen.
  • Dies hat zur Folge, dass er nicht wissenschaftlich verwertet werden kann“,

moniert das Gericht. Ein Autor, der einen solchen Beitrag zitiere, könne das Zitat zwar absichern, indem er der Internetanschrift, unter welcher er ihn gefunden hat, den Tag seiner Recherche beifügt. Ein Dritter könne das Zitat später jedoch nicht mehr nachvollziehen, wenn der Artikel entfernt worden sei. Die Folge: Ist der Artikel in der Zwischenzeit verändert worden, ohne dass dieser Vorgang dokumentiert worden ist, würde das Zitat fälschlich als Fehlzitat bezeichnet werden.

In diesem für die wissenschaftliche Diskussion und den wissenschaftlichen Fortschritt wesentlichen Punkt unterscheidet sich laut Richterspruch die „Eigenveröffentlichung" auf der eigenen Homepage von einer Veröffentlichung, die ein Verlag verantwortet, oder der Veröffentlichung auf dem von einer Universität oder einem Institut nach feststehenden Regeln betriebenen Dokumenten- und Publikationsserver.

Hinzu kommt laut BGH, dass eine Veröffentlichung, die von einem Fachverlag oder einer Universität verantwortet wird, typischerweise mindestens dem äußeren Anschein nach das für eine wissenschaftliche Publikation erforderliche Niveau aufweist, weil sie überhaupt zur Veröffentlichung angenommen worden ist. 

(BGH, Urteil vom 20.6.2016, AnwZ (Brfg) 10/15).

Vgl. zum Thema Fachanwalt:

Werbung mit Theorieteil des Fachanwalts ist verboten

Fachanwaltstitel lässt sich während einer Phase ohne Anwaltszulassung "konservieren"

Fehlende Fachanwaltsfortbildung

Schlagworte zum Thema:  Fachanwalt, Berufsfreiheit