
Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg hat die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen einen mit 417 km/h über die A2 rasenden Bugatti-Fahrer wegen nicht erwiesenen, grob verkehrswidrigen Verhaltens bestätigt.
Zunächst eingeleitet und später wieder eingestellt hatte das Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft in Stendal. Tempo 417 sei auf den nicht tempolimitierten deutschen Autobahnen grundsätzlich erlaubt und nicht per se grob verkehrswidrig.
Raservideo ins Netz gestellt
Anlass des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gegen den Autobahn-Raser war das ins Netz gestellte Video eines tschechischen Millionärs. Dieser hatte seinen Bugatti Chiron im Juli 2021 über die Bundesautobahn A2 in Sachsen-Anhalt zwischen Berlin und Hannover auf die auch für deutsche Autobahnen ungewöhnliche Geschwindigkeit von 417km/h beschleunigt. Dies hatte der Hobbyraser selbst gefilmt und dabei darauf geachtet, dass der Tacho auf dem Video mehrfach zu sehen war. Der Tacho zeigte zeitweise eine Geschwindigkeit von 417 km/h an.
Ermittlungsverfahren wegen verbotenen Autorennens
Die StA leitete ein Ermittlungsverfahren wegen der Veranstaltung eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens gemäß § 315d StGB ein. Der Verdacht eines Autorennens erhärtete sich jedoch nicht. Ein weiteres Fahrzeug, mit dem sich der Betroffene hätte messen wollen oder können, war auf dem Video nicht zu sehen. Die Frage stand daher im Raum, ob der Vorwurf eines verbotenen Autorennens auch ohne Sichtbarkeit eines zweiten Kraftfahrzeugs erhoben werden kann.
417 km/h sind als solche nicht grob verkehrswidrig
Die StA ließ die Frage der Notwendigkeit der sichtbaren Beteiligung eines zweiten Fahrzeugs offen. Die Verwirklichung des Straftatbestandes des § 315d StGB setze in jedem Fall ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten voraus. Eine Geschwindigkeit von über 400 km/h sei für sich genommen noch nicht als grob verkehrswidrig und rücksichtslos einzustufen. Zwar lege ein Fahrzeug bei dieser Geschwindigkeit eine Strecke von ca. 116m pro Sekunde zurück. Ein Fahrer, der auf diese Geschwindigkeit beschleunige, möge als äußerst leichtsinnig und möglicherweise sogar lebensmüde erscheinen. Dennoch erreiche dieses Verhalten allein noch nicht die Qualität eines grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhaltens.
§ 315d StGB enthält keine verkappte Geschwindigkeitsbegrenzung
In seiner Einstellungsentscheidung verwies der Generalstaatsanwalt auf die gesetzgeberische Wertung, die in der Begründung zu § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zum Ausdruck komme. Dort habe der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass diese Vorschrift bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen auch dann nicht erfasst, wenn diese erheblich sind.
Besonderer Kick: Bei 417 km/h Hände vom Lenkrad genommen
Gesondert ging der Generalstaatsanwalt in seiner Einstellungsentscheidung auf den weiteren Tabubruch des Autobahnrasers ein, bei seiner Topgeschwindigkeit auch noch zeitweise die Hände vom Lenkrad zu nehmen, um den Adrenalinkick weiter zu erhöhen. Aber auch hier ist nach Auffassung des Generalstaatsanwalts nicht erkennbar, dass der Betroffene durch dieses Verhalten andere Verkehrsteilnehmer konkret gefährdet hätte. Anhaltspunkte für ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten seien auch insoweit nicht erkennbar.
Gesetzlicher Wertungswiderspruch?
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass §§ 23 Abs. 3 Satz 2, 49 Abs. 1 Nummer 22 StVO freihändiges Fahren für Fahrradfahrer unter Strafe stellt. Für Lenker von Kraftfahrzeugen gilt ein sinngemäßes Verbot ausdrücklich nicht. Nach Ansicht des Generalstaatsanwalts kann ein solches Verbot deshalb auch nicht in der Weise konstruiert werden, dass freihändiges Fahren für Autofahrer bei hohen Geschwindigkeiten verboten sei.
Autobahnrichtgeschwindigkeit hat Empfehlungscharakter
Schließlich führt auch die Autobahnrichtgeschwindigkeit von 130 km/h nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft nicht zu dem Ergebnis, dass eine Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um mehr als das Dreifache in irgendeiner Form strafbar sei. Die Richtgeschwindigkeit sei eben nur eine Empfehlung und wirke sich allenfalls dann aus, wenn es in Folge einer deutlichen Überschreitung der Richtgeschwindigkeit zu einem Unfallgeschehen komme, was hier aber nicht der Fall gewesen sei.
Generalstaatsanwalt schlägt absolute Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h vor
Auch nach Ansicht des Generalstaatsanwalts ist dieses Ergebnis möglicherweise in verkehrsrechtlicher Hinsicht unbefriedigend. Dies könne aber nur der Gesetzgeber - beispielsweise durch Einführung einer absoluten Höchstgeschwindigkeit - ändern. Der Generalstaatsanwalt könnte sich aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Gefahrenabwehr eine absolute Geschwindigkeitsobergrenze von 200 km/h vorstellen.
(Generalstaatsanwalt Naumburg, Einstellungsbeschluss v. 12.8.2022, 108 Zs 806/22)