Stalker wird zum Ersatz von 44.000 EUR Umzugskosten verurteilt

Einer Familie, die sich wegen unablässigen Stalkings des Nachbarn zu einem Umzug in ein anderes Haus veranlasst sah, hat das OLG  Karlsruhe 44.000 EUR Umzugskosten gegen den Stalker zugesprochen.

Wer seine Nachbarn durch fortwährendes Stalking, durch unaufhörliche Belästigungen und Drohungen dazu veranlasst, ihr Eigenheim aufzugeben und wegzuziehen, kann zum Ersatz der hierdurch verursachten Kosten verpflichtet sein.

Krasses Nachbar-Stalking

Das OLG Karlsruhe hatte über einen besonders krassen Fall von Stalking zu entscheiden. Die Freude eines jungen Mannheimer Ehepaars über ihr neu erworbenes Eigenheim im Jahr 2014 war nur von kurzer Dauer. Das Ehepaar hatte nicht damit gerechnet, einen Nachbarn zu erhalten, der eine unnatürliche Freude daran hatte, die neu eingezogene Familie mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln erst bis zur Weißglut zu ärgern und später in rabiater Weise zu bedrohen.

Belästigungen mit steigender Tendenz

Nach dem Einzug des Ehepaars in das neue Eigenheim machte sich der Nachbar zunächst daran, die Aktivitäten der Familie auf ihrem Grundstück unablässig in provozierender Weise zu beobachten. Nachdem das Ehepaar sich hierdurch zunächst nicht aus der Ruhe bringen ließ, belästigte der Nachbar die neu eingezogene Familie mit nächtlichen Klopfgeräuschen mit kontinuierlich zunehmender Häufigkeit und Intensität.

Aus Beleidigungen wurden tätliche Bedrohungen

Als die Familie auch dies weitgehend ignorierte, wechselte der Nachbar zu wiederholten verbalen derben Beleidigungen, die im Jahr 2017 in zwei konkreten Todesdrohungen gipfelten. Im April 2017 drohte er dem Ehepaar, eine Pistole zu besitzen und diese demnächst auch zu benutzen. An einem lauen Juliabend 2017 lief der Stalker dem Ehemann mit einem erhobenen Beil hinterher und drohte, diesen zu töten.

Auto des Nachbarn mit einem Beil malträtiert

Dem Ehemann gelang die Flucht vor dem wütenden, sein Beil schwingenden Nachbarn, was diesen dazu ermunterte, mit dem Beil kräftig auf das vor dem Wohnhaus befindliche Kraftfahrzeug des Ehepaars einzuschlagen.

Ehepaar sah nur noch Wegzug als Ausweg

Nach diesen Vorfällen sah die Familie keine Möglichkeit mehr, in ihrem neu erworbenen Haus weiter zu wohnen. Sie zogen für einige Monate in eine Mietwohnung und erwarben sodann eine neue Immobilie.

Ehepaar verlangt Ersatz der Umzugs- und sonstigen Folgekosten

Die dem Ehepaar durch den Umzug und den Erwerb der neuen Immobilie entstandenen Kosten waren nicht gering. Sie forderten vom ehemaligen Nachbarn Erstattung der durch ihren Umzug entstandenen Kosten sowie die Nebenerwerbskosten für das neue Haus (Grunderwerbssteuern, Notarkosten).

Ihr bisheriges Eigenheim konnten sie nur mit Verlust verkaufen, da sie sich verpflichtet fühlten, den neuen Käufer auf die Auffälligkeiten ihres Nachbarn hinzuweisen. Auch für diesen Minderwert sowie für die entstandenen Maklerkosten forderte das Ehepaar Ersatz.

Schadensersatzklage erst in zweiter Instanz teilweise erfolgreich

Insgesamt machte das Ehepaar vor Gericht gegen den bisherigen Nachbarn Schadenersatz in Höhe von 113.000 EUR gelten. Das erstinstanzlich zuständige LG wies die Klage ab. Im Berufungsverfahren sprach ihnen das OLG immerhin etwas über 44.000 EUR als Schadenersatz zu.

Stalking-Straftatbestand ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB

Das OLG stützte die Verurteilung des ehemaligen Nachbarn auf § 823 Abs. 1 u. 2 BGB. Der Nachbar habe sich in strafbarer Weise des Stalkings gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB sowie der Bedrohung gemäß § 241 StGB strafbar gemacht. Dies seien Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, so dass der ehemalige Nachbar gemäß § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB zum Ersatz des aus der Verletzung dieser Normen entstandenen Schadens verpflichtet sei.

Schutzzweck der Norm begrenzt Schadensersatzanspruch

Nach Auffassung des OLG ist der Umfang eines solchen Schadensersatzanspruches allerdings durch den Schutzzweckzusammenhang der Norm begrenzt. Nach dem Schutzzweck der verwirklichen Straftatbestände der Nachstellung und der Bedrohung umfasse der Schadensersatzanspruch nur diejenigen Kosten, die das Ehepaar zur Wiederherstellung ihres verloren gegangenen persönlichen Sicherheitsgefühls habe aufbringen müssen.

  • Hierzu gehörten die Kosten für den Umzug
  • sowie die für den Erwerb des neuen Eigenheims aufgewendeten Nebenkosten, also die Kosten für Grunderwerbsteuer und die Notarkosten.

Vermögensfolgeschäden werden nicht ersetzt

Nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst werden nach Auffassung des OLG dagegen die entstandene Wertminderung des vom Ehepaar weiterveräußerten Hauses sowie die in diesem Zusammenhang angefallene Maklerprovision. In den hierdurch entstandenen Verlusten habe sich ein reiner Vermögensfolgeschaden verwirklicht, der nach dem Schutzzweck der verletzten Normen nicht ausgleichspflichtig sei.

(OLG Karlsruhe, Urteil v. 5.11.2021, 10 U 6/20).

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Schlagworte zum Thema:  Schadensersatz, Rechtsanwalt, Justiz, Juristen, Richter