Stadt durfte von der NPD Entfernung eines Hetzplakates verlangen

Die Stadt Mönchengladbach hat von einem Kreisverband der NPD im Europawahlkampf 2019 zu Recht verlangt, ein Plakat mit dem Slogan „Stoppt die Invasion: Migration tötet“ wieder abzuhängen. Dies ergab die Entscheidung des OVG Münster.

Ein während des Wahlkampfes zur Europawahl im Jahr 2019 von der NPD deutschlandweit geklebtes Wahlplakat beschäftigt seit geraumer Zeit die unterschiedlichsten Gerichte.

Quer durch die gerichtlichen Instanzen streitet die Partei für ihr vermeintliches Recht, Hetzparolen gegen Migranten zu verbreiten und ihre Klientel auf Wahlplakaten mit rechtsextremen Parolen zu versorgen - und das nicht ganz ohne Erfolg.

Umkämpfter Wahlkampfslogan: „Stoppt die Invasion: Migration tötet“

Im Rahmen des Europa-Wahlkampfes 2019 hatte u.a. der NPD Kreisverband Mönchengladbach Plakate geklebt mit dem Slogan: „Stoppt die Invasion: Migration tötet“. Auf dem Plakat waren im Hintergrund die Namen zahlreicher Orte in Deutschland aufgedruckt, in denen angeblich Migranten deutsche Staatsbürger getötet haben sollen.

Mönchengladbach verlangt Entfernung der Wahlplakate

Die Stadt Mönchengladbach forderte daraufhin die Partei auf, die Plakate zu entfernen. Diese kam der Aufforderung zwar nach, jedoch klagte der Kreisverband vor dem VG auf Feststellung, dass die Verfügung der Stadt Mönchengladbach auf Entfernen der Plakate rechtswidrig sei. Das zuständige VG Düsseldorf wies die Klage ab. Gegen das Urteil legte der Kreisverband Berufung ein.

OVG bewertet Wahlplakat als volksverhetzend

Das OVG Münster hat die erstinstanzliche Entscheidung des VG bestätigt. Das OVG machte sich zunächst die Mühe, zu untersuchen, ob die Aussagen der Plakate in irgendeiner Weise so ausgelegt werden könnten, dass der Inhalt nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung des § 130 Abs. 1 StGB erfüllt. Dies ist nach dem Urteil des OVG aber auch bei sehr wohlmeinender Auslegung nicht möglich. Das OVG bewertete den Inhalt der Wahlplakate als eindeutig volksverhetzend.

Wahlplakat soll Klima der Angst schaffen

Nach dem Urteil des OVG zielen die mit dem Wahlplakat getroffenen Aussagen eindeutig auf die Gleichsetzung sämtlicher Migranten in Deutschland mit potentiellen Mördern ab. Mit der Benennung von Orten, an denen angeblich Tötungsdelikte stattgefunden haben sollen, werde dem unbefangenen Betrachter der Eindruck vermittelt, dass Deutsche in der gesamten Bundesrepublik in ständiger Furcht vor Migranten leben müssten. Die angebliche Vielzahl von Angriffen solle ein Klima der Angst in der deutschen Bevölkerung schaffen.

Polemik und Überspitzung sind im Wahlkampf erlaubt

Das OVG verkannte nicht, dass gerade in Wahlkämpfen zugespitzte und polemische Äußerungen grundsätzlich zulässig sind. Die gemäß Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit erlaube es politischen Parteien, ihre gesellschaftspolitische Meinung in scharfer, auch übersteigerter Art und Weise darzustellen, um ihren Standpunkt deutlich zu machen. Dabei dürfe sie ihre politische Klientel auch in gewissen Grenzen emotional anheizen.

Grenze der Meinungsfreiheit ist die Menschenwürde

Die Grenze des freien politischen Meinungsspektrums ist nach Auffassung des OVG aber dann überschritten, wenn

  • der Inhalt der Äußerungen die Würde einzelner oder gesellschaftlicher Gruppen verletzt,
  • die Äußerungen Teile der Bevölkerung gegen bestimmte Gruppen aufhetzen und
  • damit ein Spaltpilz in die Gesellschaft getragen werden soll.

Straftatbestand der Volksverhetzung verwirklicht

Nach der Bewertung des OVG verletzen die Plakate die Würde der in Deutschland lebenden Migranten, sie sind geeignet Hass zu schüren und den öffentlichen Frieden zu beeinträchtigen. Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass der Inhalt der Plakate den Straftatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 StGB erfüllt. Im Ergebnis hat das OVG damit die Berufung des Kreisverbandes gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen.

NPD hat Revision eingelegt

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit hat das OVG die Revision zum BVerwG zugelassen. Das OVG begründete die Zulassung damit, dass die strafrechtliche Bewertung des Plakats durch die Verwaltung und die Strafgerichte uneinheitlich ist. Der Kreisverband der NPD ließ sich den auch nicht lange bitten und hat bereits die Revision beim BVerwG eingereicht.

(OVG Münster, Urteil v. 7.7.2021, 5 A 1386/20)

Hintergrund:

Der Slogan: „Stoppt die Invasion: Migration tötet.“ wurde im Europawahlkampf im Mai 2019 von der NPD deutschlandweit verbreitet.

LG Potsdam verneinte Straftatbestand der Volksverhetzung

Im Herbst 2019 hatte die StA Potsdam die Beschlagnahme der dort bereits abgenommenen Plakate beantragt. Das AG sowie in der Beschwerdeinstanz das LG Potsdam lehnten die Beschlagnahme ab mit der Begründung, es sei kein Anfangsverdacht für die Verwirklichung des Tatbestandes der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 StGB  gegeben. Der Slogan „Migration tötet“ könne verfassungskonform als zulässiger politischer Angriff auf die Migrationspolitik der Bundesregierung seit dem Jahr 2015 ausgelegt werden. Gerade im Wahlkampf sei eine besonders weite Anwendung des Grundrechtes der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG geboten (LG Potsdam, Beschluss v. 20.12.2019, 23 Os 56/19).

Auch das BVerfG verneint strafrechtliche Relevanz

Die Entscheidung des LG Potsdam wird gestützt durch Erwägungen des BVerfG zu der Aussage „Migration tötet“. Das BVerfG hatte über einen Eilantrag der NPD gegen das Abhängen von drei Wahlplakaten mit diesem Slogan zu entscheiden. Das BVerfG wies den Eilantrag der NPD zwar zurück, weil es die für ein Eilverfahren erforderliche Dringlichkeit wegen des Abhängens von nur drei Plakaten verneinte. Die Richter äußerten in der Begründung ihrer Entscheidung aber deutliche Zweifel, dass die Aussage „Migration tötet“ den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Nach der Bewertung des BVerfG könne dieser Slogan auch in zulässiger Weise auf die nach Ansicht der NPD eingetretenen Folgen einer verfehlten Migrationspolitik hinweisen. Den Eindruck, dass sämtliche Migranten in Deutschland Straftäter sind, erweckt das Plakat beim unbefangenen Betrachter nach Auffassung der Verfassungsrichter nicht (BVerfG, Beschluss v. 24.5.2019, 1 BvQ 45/19).

VG Gießen bewertete NPD-Slogan als sachlich zutreffend

Noch weiter ging in einem Verfahren um den NPD-Slogan das VG Gießen. In einem viel diskutierten Urteil hat das VG entschieden, die seitens der Behörden ergangene Aufforderung an den hessischen Landesverband der NPD, das Wahlplakat zu entfernen, sei unrechtmäßig. Das Plakat erfülle schon deshalb nicht den Tatbestand der Volksverhetzung, weil es die Realität - zumindest teilweise - richtig wiedergebe. Die Bewertung der Einwanderung von Flüchtlingen als „Invasion“ sei objektiv richtig. Die Richtigkeit der Aussage „Migration tötet“ sei empirisch beweisbar (VG Gießen, Urteil v. 9.8.2019, 4 K 2279/19). Das Verfahren ist inzwischen beim Hessischen VGH (Aktenzeichen 8 A 2162/19) anhängig.

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