Landesjustizminister planen Gesetz gegen Upskirting

Nach geltendem deutschen Recht ist das heimlich aufgenommene Foto vom Intimbereich einer Frau in der Regel nicht strafbar. In andere europäische Staaten gibt es dafür Strafrechtsnormen. Nun bereiten drei Bundesländer einen Gesetzesentwurf vor, der dieses mehr als fragwürdige neue Hobby auch bei uns unter Strafe stellt.

De Justizminister der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern haben am 13.6. mitgeteilt, dass sie gemeinsam einen Gesetzentwurf für eine Bundesratsinitiative gegen das Upskirting vorbereiten.

Noch ist das Foto unterm Rock in Deutschland straffrei

Der Erfindungsreichtum für immer wieder neue Formen der Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts anderer ist scheinbar grenzenlos. Beim nicht mehr ganz neuen Trend des Upskirting fotografieren Männer mit ihrem Handy oder Smartphone Frauen unter den Rock. Ob in Schulen, in Kaufhäusern, auf der Rolltreppe, in der vollbesetzten U-Bahn -  nirgends scheinen Frauen mehr sicher vor heimlichen Aufnahmen ihres Intimbereichs zu sein. Das Internet ist bereits voll von auf diese Weise heimlich aufgenommenen Fotos.

Voyeuristisches Fotografieren des Intimbereichs nicht strafbar

Die meisten betroffenen Frauen empfinden das Upskirting als sexuellen Übergriff, als Verletzung ihrer sexuellen Selbstbestimmungsrechts und als Verletzung ihrer Intimsphäre. Das Erstaunen ist dann meist groß, wenn den Betroffenen klar wird, dass ein solcher Übergriff keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich zieht, weil solche Handlungen vom deutschen Strafrecht nicht erfasst werden.

Die geltenden Strafrechtsnormen passen sämtlich nicht

Das geltende StGB bietet zur Bestrafung von Upskirting keine nachhaltige Handhabe.

  • Die Einordnung des Upskirting als sexuelle Belästigung nach § 184i StGB scheitert regelmäßig daran, dass die Erfüllung dieses Tatbestands eine körperliche Berührung voraussetzt, an der es beim Upskirting meist fehlt.
  • Die Subsumtion unter § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs) erfordert, dass die Fotos in besonders geschützten Räumen, d.h. in der privaten Wohnung der betroffenen Frauen oder in einem sonstigen besonders geschützten Raum wie einer Toilette oder Umkleidekabine gemacht würden. Upskirting findet aber typischerweise in der Öffentlichkeit statt.
  • Auch der Tatbestand der Beleidigung gemäß § 184 StGB zieht in der Regel nicht, da es an einer verbal oder konkludent zum Ausdruck kommenden Missachtung oder Herabwürdigung der Persönlichkeit der betroffenen Frau fehlt.

Damit sind alle in Frage kommenden Strafnormen erschöpft.

Ordnungswidrigkeit kommt in Betracht

In Deutschland kann Upskirting allenfalls als Ordnungswidrigkeit wegen „Belästigung der Allgemeinheit“ nach § 118 OWiG verfolgt werden. Aber auch das ist schwierig und eher selten. In München ist ein Fall aus dem Jahr 2013 bekannt, in dem ein Mann, der an einer Rolltreppe öffentlich Frauen unter die Röcke fotografierte, mit einem Ordnungsgeld von 750 Euro belegt wurde.

Frauen sind gegenüber Upskirting unmittelbar schutzlos

Infolge der mangelnden Strafbarkeit sind in der Regel auch der Polizei die Hände gebunden. Selbst wenn eine betroffene Frau den Vorgang des Upskirting sofort bemerkt und ein Polizeibeamter in der Nähe ist,

  • fehlt es regelmäßig an einer Möglichkeit der Beschlagnahme des Handys
  • oder der Erteilung eines Platzverweises.
  • Der Polizei sind dann die Hände gebunden,
  • die Frau steht schutzlos da.

Eine Petition sollte die Situation ändern

Betroffene Frauen wollen sich das straflose Upskirting nicht länger gefallen lassen und haben eine Petition ins Leben gerufen.

  • Im Internet sammeln sie unter dem Titel „Verbietet #Upskirting in Deutschland“ Unterschriften mit dem Ziel, die Regierung zu einer Gesetzesinitiative aufzufordern.
  • Knapp 53.000 Frauen und Männer haben bereits unterschrieben.
  • Der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) hatte sich ausdrücklich  hinter die Aktion gestellt. Er bezeichnet Upskirting als abstoßenden, verletzenden Eingriff in die Intimsphäre der betroffenen Frauen und Mädchen.

Petition hat ihr Zwischenziel erreicht : Landesjustizminister werden aktiv

Derart demütigende und verletzende Eingriffe in die Privatsphäre müssen nach Ansicht von NRW-Justizminister Peter Biesenbach unter Strafe gestellt werden. Baden-Württembergs Justizminister Wolf:

"Wir wollen, dass sich Frauen und Mädchen im öffentlichen Raum frei bewegen und selbstbestimmt kleiden können."

Durch Einführung eines Straftatbestandes kann die Polizei gegen Täter vorzugehen, deren Personalien aufzunehmen, Platzverweise erteilen und Handys beschlagnahmen.

England hat schon einen Straftatbestand

Vorbild der Unterschriftenaktion in Deutschland ist eine ähnliche Aktion, angestoßen von Gina Martin, in England. Nachdem sie auf einem Festival Opfer eines Upskirtings geworden war, startete sie eine Kampagne zur Schaffung eines neuen Straftatbestandes in England. Nach 18 Monaten hatte sie über 100.000 Unterschriften gesammelt. Die britische Regierung ließ sich überzeugen.

  • Seit April diesen Jahres ist Upskirting in England mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren belegt.
  • Auch in Schottland, Belgien, Frankreich, Neuseeland und Australien steht Upskirting unter Strafe.

Eine neue Strafrechtsnorm müsste umfassenden Schutz gewährleisten

In Deutschland warnen Juristinnen und Juristen allerdings auch vor einer allzu hektischen Gesetzesnovelle.

  • Eine neue Strafrechtsnorm habe nur dann Sinn, wenn sie in der Praxis anwendbar sei
  • und Frauen im öffentlichen Raum tatsächlich Schutz vor Eingriffen in die Intimsphäre und vor neuen Formen sexueller Belästigung biete.

Berücksichtigt werden müsse u.a., dass die heimlichen Fotos häufig auf Pornoseiten oder sonstigen Schmuddelseiten im Internet landetenund die Frauen auf den Fotos nicht selten sogar identifizierbar seien.

Deshalb müsse ein neuer Straftatbestand umfassend und sorgfältig formuliert werden, um nicht nur vor dem Upskirting als solchem, sondern – anders als der bisherige § 184i StGB - umfassend vor den möglichen diversen Formen sexueller Belästigung im öffentlichen oder auch im digitalen Raum zu schützen.

Upskirting geschieht häufig unbemerkt

Ein Grundproblem des Upskirting wird allerdings auch ein neuer Straftatbestand nicht ändern, nämlich dass die Frauen in den meisten Fällen vom Upskirting nichts bemerken. Aber dies sollte kein Argument gegen die Aufnahme eines entsprechenden Straftatbestandes sein, denn Probleme bei der Aufdeckung von Normverletzungen bestehen auch bei vielen anderen Straftatbeständen. Erforderlich ist aber eine klare Werteentscheidung des Gesetzgebers.

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