Schülerstreiche sind am Arbeitsplatz nicht angebracht

Streiche à la Feuerzangenbowle oder gar  gröber sind gegenüber Arbeitskollegen oder gegenüber dem Arbeitgeber unangebracht, denn sie können die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben. Das gilt  besonders dann, wenn sie den Arbeitsfrieden nachhaltig stören.

Dass Arbeitskollegen den Arbeitsplatz mit einer Spielwiese für scheinbar lustigen Schabernack verwechseln, kommt in der Praxis des Berufslebens gar nicht so selten vor. Eine Portion Nutella unter der Klinke der Toilettentüren, der Austausch des Inhalts der Zuckerdose gegen Salz in der betrieblichen Kaffeeküche - das alles sind vielleicht adäquate Streiche zur Belustigung des Publikums einer Jugendherberge, im Arbeitsleben sind sie mit dem Risiko einer Kündigung verbunden.

Toilettenschlüssel mit altem „Jugendherbergstrick“ entfernt

Über einen eher krassen Fall hatte das ArbG Siegburg zu entscheiden. Ein Lagerist betrat im Januar 2020 die Betriebstoilette zur Verrichtung eines dringenden Anliegens. Die Tür schloss er mit dem im Türschloss befindlichen Schlüssel von innen ab. Ein Arbeitskollege, der den Toilettenvorraum betrat, hatte Lust auf einen Spaß. Nach einer alten Jugendherbergsmethode schob er vorsichtig und lautlos ein DIN A4 Blatt unter die Toilettentür und schob den von innen im Schloss steckenden Schlüssel mit einem spitzen Gegenstand von außen so nach innen, dass der Schlüssel aus dem Schloss heraus auf das Blatt fiel. Dias Blatt zog er dann mit dem darauf liegenden Schlüssel nach außen und entfernte sich.

Toiletten-Inhaftierte befreite sich mit Gewalt

Der in dem Toilettenraum befindliche Kollege hatte von dem Vorgang nichts bemerkt. Als er die Toilette verlassen wollte, wunderte er sich, dass der Schlüssel fehlte. Mehrere Hilferufe nutzten nichts. Es war kein Betriebsangehöriger in der Nähe, der ihn aus seiner misslichen Lage hätte befreien können. Kurz entschlossen trat der Lagerist mit einem heftigen Tritt gegen die Tür, die dabei zu Bruch ging.

Fristlose Kündigung durch Arbeitgeber

Erst ca. fünf Monate später erlangte der Arbeitgeber Kenntnis von dem Vorfall und erklärte darauf dem Streichespieler die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die hiergegen eingereichte Kündigungsschutzklage blieb erfolglos. Das ArbG bewertete den Vorfall als einen wichtigen Grund, der eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigte.

Freiheitsberaubung eines Kollegen ist schwere Pflichtwidrigkeit

Das Gericht warf dem Kläger vor, durch einen alten, am Arbeitsplatz nicht angebrachten Schlüsseltrick einen Arbeitskollegen zumindest zeitweise seiner Freiheit und der Möglichkeit des ungehinderten Verlassens der Toilette beraubt zu haben. Darauf, ob dies bereits als eine Freiheitsberaubung im strafrechtlichen Sinne nach § 239 StGB zu werten sei, komme es nicht an. Entscheidend sei, dass der Kläger durch seine Handlung seine arbeitsvertraglichen Pflichten grob verletzt und damit das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber zerstört habe.

Kläger hätte Arbeitgeber ins Vertrauen ziehen müssen

Neben der Freiheitsberaubung gegenüber dem Arbeitskollegen bewertete das Arbeitsgericht auch die Beschädigung der Toilettentür als einen weiteren hinreichenden Grund für die fristlose Kündigung. Eingetreten habe die Toilettentür zwar der Arbeitskollege des Klägers, ursächlich veranlasst habe die Beschädigung aber der Kläger durch sein Verhalten.

Selbst wenn der Kläger mit der Beschädigung der Toilettentür zunächst nicht gerechnet habe, so hätte er nach Bewertung des Gerichts spätestens dann, als er von der Beschädigung erfahren habe, sich an den Arbeitgeber wenden und diesem sein unrechtmäßiges Tun „beichten“ und gegebenenfalls den Schaden ersetzen müssen.

Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar

Im Ergebnis kam das ArbG zu dem Schluss, dass dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Hinblick auf die erhebliche Pflichtverletzung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar war (BAG, Urteil v. 16.12.2010, 2 AZR 485/08). Dass der Vorfall zum Zeitpunkt der Kündigung bereits fünf Monate zurück lag änderte hieran nichts, wenn gemäß § 626 Abs. 2 BGB war die fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung durch den Arbeitgeber möglich. Eine ordentliche Kündigung als gegenüber der außerordentlichen Kündigung mildere Reaktion oder eine Abmahnung kamen nach Auffassung des Arbeitsgerichts nicht in Betracht (ArbG Siegburg, Urteil v. 11.2.2021, 5 Ca 1397/20)

Hintergrund: Streich am Arbeitsplatz vor dem Richter

Spätpubertäre Streiche am Arbeitsplatz beschäftigen die Arbeitsgerichte - in der Regel im Rahmen von Kündigungsschutzverfahren - immer wieder. Die Spaßtoleranz der Arbeitsgerichte fällt dabei unterschiedlich aus.

Sekundenkleber auf Trinkflasche

So zeigte das Arbeitsgericht Marburg viel Verständnis für einen Arbeitnehmer, der die Öffnung einer Wasserflasche seines Kollegen mit Sekundenkleber beschmiert hatte. Entgegen der Vorstellung des Täters trocknete der Kleber nicht sofort nach Verschließen der Flasche, sondern erst, nachdem der Kollege die Flasche wieder öffnete und daraus trank. Die Lippen des Arbeitskollegen verklebten darauf in schmerzhafter Weise. In der Folge musste der Arbeitskollege wegen der verklebten Lippen mehrere Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden. Auch hier kündigte der Arbeitgeber dem Delinquenten fristlos. Das ArbG Marburg bewertete die fristlose Kündigung als überzogene Reaktion und hielt eine Abmahnung für ausreichend. Der gegen die fristlose Kündigung eingereichten Kündigungsschutzklage des betreffenden Arbeitnehmers gab das ArbG statt (ArbG Marburg, Urteil v. 17.10.2011, 2 Ca 205/11).

Kofferbombenattrappe in den Betriebsräumen

Nicht wirklich spaßig war auch der „Streich“ eines Arbeitnehmers, der in seinem Betrieb während einer Nachtschicht einen Koffer in die Betriebsräumen stellte. Der Koffer war mit arabisch wirkenden Schriftzügen versehen, die den Eindruck islamistischer Parolen erweckten. In der wie ein Bombenkoffer wirkenden Attrappe hatte der Arbeitnehmer Süßigkeiten platziert, mit denen ein etwaiger Kofferöffner für seinen Mut bei der Kofferöffnung belohnt werden sollte. Dieses Verhalten fand das ArbG Herne nicht wirklich lustig und wies die Klage gegen die wegen dieses Verhaltens seitens des Arbeitgebers erklärte fristlose Kündigung ab. Das Berufungsverfahren vor dem LAG endete dann aber mit einem Vergleich. Die Parteien einigten sich auf eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb der ordentlichen Kündigungszeit (LAG Hamm, Vergleich v. 5.4.2017, 3 Sa 1398/16).

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