Schriftsatz Frist wahrend eingegangen? Keine Nachfragepflicht

Welchem Anwalt wird es nicht mulmig in der Magengegend, wenn er eine wichtige Berufung oder deren Begründung mit Ach und Krach noch Frist wahrend eingereicht hat und dann wochenlang nichts mehr vom Gericht hört? Soll ich da mal lieber auf der Geschäftsstelle  anrufen? Klar, möglich ist das. Aber rechtlich ist der Anwalt dazu nicht verpflichtet.

Nachfragen muss nicht sein

Das geht aus einem Beschluss des BGH hervor. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte der Anwalt die Berufung noch innerhalb der Berufungsfrist zur Post aufgegeben. Weil der Schriftsatz dennoch verspätet bei Gericht einging, hat der Anwalt  Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Der BGH hat diese Entscheidung mit der Rechtsbeschwerde aufgehoben und den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen und dieser für die weitere Entscheidungsfindung ordentlich die Leviten gelesen.

Normale Postlaufzeiten beachten

Vor allem stellten die Richter klar: Den Prozessbevollmächtigten einer Partei treffe im Regelfall kein Verschulden an dem verspäteten Zugang eines Schriftsatzes, wenn er veranlasst, dass der Schriftsatz so rechtzeitig in den Briefkasten eingeworfen wird, dass er nach den normalen Postlaufzeiten fristgerecht bei dem Gericht hätte eingehen müssen.

Ausgangskontrolle : ja – Eingangskontrolle: nein!

Wenn dem Prozessbevollmächtigten keine besonderen Umstände bekannt sind, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeiten führen können, darf er darauf vertrauen, dass diese eingehalten werden.

„Er ist dann auch nicht gehalten, sich vor Fristablauf durch Rückfrage bei der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts von einem rechtzeitigen Eingang zu überzeugen. Denn der Prozessbevollmächtigte ist bereits in besonderem Maße verpflichtet, für eine zuverlässige Ausgangskontrolle zu sorgen. Dann kann er regelmäßig nicht auch noch gehalten sein, den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen“, so die Bundesrichter.

Sorgfaltspflichten nicht überspannen

Eine Nachfragepflicht kommt laut BGH nur ausnahmsweise in Betracht, wenn hierfür ein konkreter Anlass besteht. Ein solcher konkreter Anlass bestehe nicht schon darin, dass der Anwalt in der noch laufenden Berufungsbegründungsfrist noch keine auf seinen Schriftsatz bezogene Verfügung des Gerichts erhalten hat. Denn allein daraus müssen sich ihm noch keine Zweifel aufdrängen, dass sein Schriftsatz nicht bei Gericht eingegangen sein könnte.

  • Eine Erkundigungspflicht werde nur durch eine solche Mitteilung des Gerichts ausgelöst, die unzweideutig ergibt, dass etwas fehlgelaufen ist.
  • Die Sorgfaltspflichten des Prozessbevollmächtigten würden überspannt und der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert,
  • wenn man von Anwälten in derartigen Fällen verlangen würde, Erkundigungen über den Verbleib ihres Schriftsatzes einzuholen,

befand das Gericht.

(BGH, Beschluss v. 20.12.2011,  VI ZB 28/11).