Schockbilder beim Zigarettenkauf sind für den EuGH zwingend

Schock beim Zigarettenkauf muss sein: Supermärkte dürfen Zigarettenkäufern zum Zwecke der Markenauswahl keine Abbildungen von Zigarettenschachteln ohne Warnhinweise und Schockbilder präsentieren. Das besagt eine Entscheidung des EuGH und passt auch zu den Plänen der Ampelkoalition.

Im Rahmen einer Vorlageentscheidung hat der EuGH Rechtsgrundsätze zur Auslegung der EU-Rauchtabakrichtlinie entwickelt und hierbei eine weite Auslegung bevorzugt.

Nichtraucherinitiative klagt gegen Zigarettenausgabe an Supermarktkasse

Die deutsche Nichtraucherinitiative „Pro Rauchfrei“ hatte gegen zwei Münchener Supermärkte geklagt. Diese boten - wie in vielen Supermärkten üblich - im Kassenbereich Zigaretten zum Verkauf über Automaten an. Über eine Auswahltaste kann der Kunde dort die gewünschte Marke auswählen. Auf Tastendruck fällt die gewählte Zigarettenschachtel dann auf das Kassenband.

Klagende Nichtraucherinitiative vermisst Schockbilder bei Wahl der Zigarettenmarke

Die Nichtraucherinitiative beanstandete, dass bei der Wahl der gewünschten Zigarettenmarke keinerlei Warnhinweise, weder auf den vom Kunden zu betätigenden Drucktasten noch auf dem Automaten zu sehen waren. Dort waren lediglich Bilder der angebotenen Zigarettenschachteln ohne Warnhinweise angebracht.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, bereits bei der Auswahl der gewünschten Zigarettenmarke müsste für den Kunden der Warnhinweis „Rauchen kann tödlich sein“ sowie Schockbilder von verfaulten Zähnen, schwarzen Lungen oder Raucherbeinen zu sehen sein.

Klagen zunächst erfolglos

Mit ihrer gegen diese Verkaufspraktik eingereichten Klage hatte die Nichtraucherinitiative beim LG und OLG München keinen Erfolg. Nach Auffassung der Gerichte lag kein Verstoß gegen das Verbot der Verdeckung von Warnhinweisen vor, weil auf dem im Supermarkt angebrachten Automaten keine Zigarettenschachteln zu sehen waren, sondern lediglich Bilder der einzelnen Packungen mit den jeweiligen Markenlogos. Mit dem Herunterfallen der Schachteln auf das Warentransportband sei dann die gesamte Schachtel mit den entsprechenden Warnhinweisen und Schockbildern noch vor dem eigentlichen Kaufvorgang sichtbar geworden. Dies sei nicht zu beanstanden.

Die Vorgaben der EU-Rauchtabakrichtlinie

Im Revisionsverfahren hatte der BGH Zweifel an dieser Rechtsauslegung der maßgeblichen Vorschriften der Art 10, Art. 8 Abs. 8 der EU-Tabakrichtlinie 2014/40. Diese besagen, dass jede Zigarettenpackung und jede Außenverpackung von Rauchtabakerzeugnissen kombinierte gesundheitsbezogenen Warnhinweise aufweisen muss,

  • bestehend aus einem textlichen Warnhinweis und
  • einer dazu passenden Farbfotografie,
  • die dem Anhang II zur Richtlinie (Schockbilder) entnommen sein muss.

Diese gesundheitsbezogenen Warnhinweise müssen auf der Zigarettenpackung und auf der Außenverpackung beim Inverkehrbringen der Tabakerzeugnisse

  • unablösbar aufgedruckt,
  • unverwechselbar und
  • vollständig sichtbar sein und
  • dürfen auch nicht teilweise durch Hüllen, Preisaufkleber oder ähnliches verdeckt sein (Verdeckungsverbot).

BGH bittet den EuGH um Auslegung der Rauchtabakrichtlinie

Der BGH hielt eine Verletzung der Rauchtabakrichtlinie durch die Verkaufspraxis der beiden verklagten Supermärkte für möglich und legte dem EuGH u.a. die Rechtsfrage vor, ob Art. 8 Abs. 8 der EU-Rauchtabakrichtlinie schon dann verletzt ist, wenn ein Einzelhändler dem Kunden bei Auswahl der Tabakmarke Fotos der angebotenen Zigarettenschachteln oder Abbildungen von Firmenlogos vorlegt, auf denen keine Warnhinweise zu erkennen sind.

EuGH hält Schockbilder schon am Zigarettenautomaten für erforderlich

Diese Frage hat der EuGH klar bejaht. Nach Auslegung des EuGH umfasst das Inverkehrbringen von Zigaretten den gesamten Verkaufsvorgang von der Auswahl der Zigarettenmarke durch den Kunden über die Aushändigung der Packung bis hin zur Bezahlung. Innerhalb dieses gesamten Verkaufsprozesses dürfe dem Kunden weder ein Firmenlogo noch das Bild einer Packung gezeigt werden, dass der Durchschnittsverbraucher typischerweise mit einer Zigarettenmarke identifiziert und auf dem für den Verbraucher keinerlei Warnhinweise erkennbar sind.

EuGH betont umfassende Warnfunktion der Rauchtabakrichtlinie

Diese Auslegung folgt nach Auffassung des EuGH auch aus dem Zweck der EU-Rauchtabakrichtlinie, die verhindern wolle, dass Händler die Präsentation der vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise und Schockbilder dadurch vermeiden, dass sie anstatt der Original-Zigarettenpackungen lediglich Bilder solcher Packungen oder Firmenlogos ohne jegliche Warnhinweise vorzeigen.

Leitsätze des EuGH zur EU-Rauchtabakrichtlinie

Im Ergebnis lassen sich die Leitsätze des EuGH zur Auslegung der EU-Rauchtabakrichtlinie wie folgt zusammenfassen:

  • Sobald dem Verbraucher eine Gestaltung präsentiert wird, die dieser aufgrund der Proportionen, Farben oder des Markenlogos mit einer konkreten Zigarettenmarke assoziiert, ist der Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 8 der EU-Rauchtabakrichtlinie eröffnet.
  • Ein Bild oder Logo einer Zigarettenpackung oder Marke ohne Warnhinweise ist auch dann nicht mit den Vorschriften der EU-Tabakrichtlinie vereinbar, wenn der Verbraucher vor dem endgültigen Erwerb der Zigarettenpackung auf dem Warentransportband Gelegenheit erhält, die Warnhinweise auf der Zigarettenpackung wahrzunehmen.

Supermärkte müssen Zigarettenausgabe wohl ändern

Die vom BGH noch zu treffende Entscheidung dürfte damit im wesentlichen vorgegeben sein. Der Senat hat jetzt noch darüber zu befinden, ob die auf den Auswahltasten der Zigarettenautomaten in den verklagten Supermärkten ersichtlichen Bilder und Markenlogos die Assoziation der Käufer zu den jeweiligen konkreten Verkaufspackungen auslösen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden einige Supermärkte und Discounter ihre Zigarettenangebote an den Supermarktkassen umstellen bzw. anpassen müssen.

(EuGH, Urteil v. 9.12.2021, C-370/20).

Weitere Beiträge zum Thema:

Verdeckte Schockbilder auf Zigarettenschachteln

Gibt es ein Rauchverbot am Arbeitsplatz?

Die Zeiten für Raucher werden immer härter

Hintergrund: EU-weite Vorgaben zu Warnhinweisen

Egal wie man die Zigarettenschachteln heutzutage dreht und wendet, die schrecklichen Abbildungen von krebsbefallenen Organen, Menschen am Kranken- oder Sterbebett eines Familienangehörigen, Hinweise auf beeinträchtigte Potenz oder Fruchtbarkeit usw. starren einen an und wollen zum Aufgeben des Lasters überreden. Diese eindrücklichen und abschreckend wirkenden Warnhinweise sind von der EU an alle Mitgliedsstaaten vorgegeben (Tabakproduktrichtlinie).

Schlagworte zum Thema:  EuGH, Marketing, Rechtsanwalt, Justiz, Juristen, Richter