Schnittwunde am Finger rechtfertigt keine Rennfahrt zur Klinik

Ordnungswidrigkeiten wie Geschwindigkeitsüberschreitungen können gerechtfertigt sein, wenn ein Notstand vorliegt. Ein blutender Finger, der im Krankenhaus behandelt werden soll, rechtfertigt eine rasante Rennfahrt allerdings nicht, hat das Amtsgericht Frankfurt kühl entschieden.

Ein Autofahrer wurde im Stadtgebiet von Frankfurt in einer 30er-Zone mit 80 Stundenkilometern geblitzt. Er rechtfertigte dies damit, dass er seine Frau, die mit ihm im Auto saß, so schnell wie möglich ins Krankenhaus fahren wollte.

Ehemann hatte schlechte Erfahrung mit dem Notruf gemacht und wollte nicht auf den Rettungswagen warten

Die Frau hatte sich beim gemeinsamen Kochen mit den Kindern am Zeigefinger geschnitten. Der Mann gab an, er sei über das Ausmaß der Blutung so erschrocken gewesen, dass er entschieden habe, keinen Rettungswagen zu rufen, sondern seine Frau selbst ins Krankenhaus zu fahren. Seine Entscheidung begründete der Mann mit der Erfahrung, die er einige Monate vor dem Unfall gemacht habe. Damals habe er einen Rettungswagen gerufen, weil seine Frau Unterleibsschmerzen gehabt habe. Auf diesen habe er 40 Minuten warten müssen.

Ärztliche Diagnose war nicht brisant

Der hinzugezogene ärztliche Bereitschaftsdienst hatte festgestellt, dass die Frau sich mit einem spitzen Messer in das Zeigefingermittelgelenk der rechten Hand gestochen hatte und dass dabei eine zwei Zentimeter lange Schnittwunde entstanden war und die Frau deshalb den Finger nicht richtig beugen konnte.

Der Mann hatte angegeben, dass er das Verkehrsschild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung aus Unachtsamkeit übersehen habe.

Amtsgericht sieht keine Notstandssituation

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat in einem Ende Mai 2020 veröffentlichten Urteil gegen den Mann wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 50 km/h eine Geldbuße von 235 Euro sowie ein Fahrverbot für einen Monat verhängt. Es habe keine rechtfertigende Notstandssituation vorgelegen, entschied das Gericht.

Notstand gemäß § 16 OWiG kann Tempoüberschreitung rechtfertigen

Zwar könne auch eine Ordnungswidrigkeit grundsätzlich durch Notstand gemäß § 16 OWiG gerechtfertigt sein. Im vorliegenden Fall scheide eine solche Rechtfertigung aber aus:

Es habe keine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben der Ehefrau vorgelegen, weil weder ihr Tod noch eine sonstige Komplikation aufgrund der Verletzung ernsthaft zu erwarten waren. Selbst wenn man zugunsten des Betroffenen von einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben bzw. die Gesundheit der Ehefrau ausgehen wollte, lägen die weiteren Voraussetzungen des § 16 OWiG nicht vor.  Eine Rechtfertigung käme nur dann in Betracht, wenn die gegenwärtige Gefahr objektiv nicht anders abwendbar gewesen wäre. Dies sei im vorliegenden Fall nicht so gewesen. Dem Betroffenen sei es zumutbar gewesen, ein Rettungsfahrzeug zu rufen.

Innerorts 50 km/h zu schnell, das zeigt viel Verantwortungslosigkeit

Bei der Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften sei ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr anzunehmen, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedürfe, begründete das Gericht den Entzug der Fahrerlaubnis (AG Frankfurt a. Main, Urteil v. 22.03.2019, 971 Owi 955 Js-OWi 65423/19).

Weitere News zum Thema:

Rasen, weil die Blase drückt

Wer trägt die Kosten für einen Rettungseinsatz?

Tatü-Tata: Rettung hat Vorfahrt, aber wie genau darf und muss reagiert werden?

Schlagworte zum Thema:  Verkehrsrecht, Rechtsanwalt, Justiz, Juristen, Richter