Schnelle Justiz - das beschleunigte Verfahren nimmt Fahrt auf

Hau-Ruck-Justiz bei auf frischer Tat ertappten Tätern. Zulässig ist sie schon seit vielen Jahren. Die Ergreifung des Täters unmittelbar nach der Tat, die sofortige Inhaftierung - innerhalb von sieben Tagen Hauptverhandlung und Verurteilung. In Düsseldorf ist das beschleunigte Verfahren jetzt auf dem Vormarsch.

Vom Gesetzgeber eingeführt im Jahr 1998 ist der kurze Prozess in der Bundesrepublik Deutschland immer noch eine Ausnahmeerscheinung, im europäischen Ausland aber durchaus nicht unüblich.

Im europäischen Ausland schon regelmäßig im Einsatz

Fußball-Hooligans werden in Frankreich unmittelbar nach der Tat im Schnellverfahren abgeurteilt und mit Freiheitsstrafen von drei Monaten belegt. Theoretisch geht das auch in Deutschland. In der Praxis wird von den Beschleunigungsvorschriften aber sparsam Gebrauch gemacht. In Nordrhein-Westfalen soll sich das nun ändern. In Düsseldorf wurden die organisatorischen Voraussetzungen für das beschleunigte Verfahren geschaffen.

Der Rechtsstaat gibt Gas

Das Düsseldorfer AG hat seit März diesen Jahres bereits mehr als 20 Urteile im beschleunigten Verfahren gesprochen. Am dortigen AG sind zwei Richterinnen speziell für das beschleunigte Verfahren zuständig. Bisher wurden allerdings nur Laden- und Trickdiebe verurteilt.

Die Täter wurden von der Polizei auf frischer Tat ertappt. Sie wurden zur Polizeiwache gebracht, kamen zum Teil sofort in Haft und wurden innerhalb von sieben Tagen der Hauptverhandlung zugeführt, also noch schneller als in der vom Gesetz vorgesehenen sechswöchigen Frist. Dies lief so reibungslos, dass Justiz und Polizei in Düsseldorf regelrecht begeistert sind. Auch einfache Gewaltdelikte sollen künftig vermehrt dieser Verfahren vom zugeführt werden.

Gesetzliche Voraussetzungen

Geregelt ist das Ganze in §§ 417ff StPO. Hiernach stellt die Staatsanwaltschaft vor dem Strafrichter den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren, wenn die Sache aufgrund eines einfachen Sachverhalts und der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist.

  • Zulässig ist das beschleunigte Verfahren nur gegen Erwachsene und Heranwachsende, nicht gegen Jugendliche.
  • Im beschleunigten Verfahren darf Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt und auch die Fahrerlaubnis entzogen werden.
  • Bei einer zu erwarteten Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten ist die Bestellung eines Verteidigers obligatorisch (§ 418 Abs. 4 StPO).
  • Das beschleunigte Verfahren ist nicht auf bestimmte Delikte beschränkt.
  • Ist zu befürchten, dass der Täter ohne Festnahme sich der Hauptverhandlung entziehen wird (z.B. bei unklaren Wohnsitz), kann gemäß § 127b Abs. 1, Abs. 2 StPO die so genannte Hauptverhandlungshaft für maximal sieben Tage angeordnet werden. Dies gilt auch für die Fälle, in denen nur eine Geldstrafe zu erwarten ist (§ 113 StPO). 

Kurzfristig erheblicher Ermittlungsaufwand

Die Polizeibeamten in Düsseldorf wurden für die Anwendung des beschleunigten Verfahrens speziell trainiert. Für sie stellt sich unmittelbar mit Festnahme des Täters ein erheblicher Arbeitsaufwand ein. Die Befragung sämtlicher Zeugen muss sofort erfolgen, Beweise müssen umgehend gesichert werden, Überwachungsvideos müssen sofort ausgewertet, Dolmetscher bei der Vernehmung der Beschuldigten hinzugezogen werden. Eine eigens bei der Staatsanwaltschaft eingerichtete Abteilung prüft die Ermittlungsergebnisse, hört die Polizisten an und entscheidet umgehend über die Anklageerhebung.

Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit

Die Hauptverhandlung selbst stellt sich nicht wesentlich anders dar als eine Hauptverhandlung nach einer herkömmlichen Ermittlungsprozedur. Die zuständigen Richterinnen betonen, dass hier ebenso gründlich verfahren werde, wie in normalen Verfahren. Verurteilt werde Täter auch hier nur bei eindeutiger Beweislage. Bei unklaren Ermittlungslagen gelte der Spruch in dubio pro reo ebenso wie in anderen Verfahren.

Überfüllte Justizvollzugsanstalten zu befürchten?

Bei einem rasantem Anstieg dieser Art der Bearbeitung könnten Probleme in den Justizvollzugsanstalten entstehen, da für die kurzzeitige Unterbringung in der Hauptverhandlungshaft eine erhöhte Zahl an Haftplätzen benötigt wird. Diese organisatorischen Probleme will man aber in den Griff bekommen.

Generalpräventive Aspekte

Die Düsseldorfer Richterinnen betonen, dass der unmittelbare zeitliche Zusammenhang mit der Tat sich positiv auf die Einsichtsfähigkeit der Betroffenen auswirke. Durch diese Nähe sei die Akzeptanz der Strafe erhöht. Außerdem würde durch diese Art der Verfahren der bürokratische Aufwand zum Beispiel bei der Aktenverwaltung gesenkt.

Die Polizei hofft darüber hinaus auf eine Abschreckungswirkung. Besonders bei Kleindelikten wie Ladendiebstählen, aber auch bei Gewalttaten in Form von Schlägereien könnte das Risiko der sofortigen Inhaftierung und Aburteilung abschreckende und damit general- und spezialpräventive Wirkung haben.

Rechtsstaat light?

Natürlich gibt es auch Kritiker des beschleunigten Verfahrens. Sie rügen die mangelnden Möglichkeiten der Angeklagten, sich auf eine sehr schnell angeordnete Hauptverhandlung hinreichend vorbereiten zu können. Auch ein Verteidiger habe nur wenig Vorbereitungszeit und sei oft terminlich gar nicht in der Lage, eine kurzfristig anberaumte Hauptverhandlung überhaupt in seinem Terminplan unterzubringen.

Außerdem würde Betroffenen durch besondere Zuständigkeiten bei den Richtern der gesetzliche Richter entzogen. Eine Verfassungsbeschwerde hat aber bisher noch kein Betroffener eingelegt, möglicherweise weil vom beschleunigten Verfahren bisher zu wenig Gebrauch gemacht wurde. Aber dies könnte sich ändern und eine frische – wenn auch rechtsstaatlich mit Vorsicht zu genießende - Farbe in die Justiz bringen.

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