Reichsbürger(innen) gehören nicht in den Polizeidienst

Wer die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnet und sich ausschließlich als Angehöriger des Deutschen Reiches fühlt, kann nicht als Polizist(in) für den nicht anerkannten Staat tätig sein. Und doch tummeln sich immer mehr Reichsbürger im öffentlichen Dienst.

Das VG Göttingen hat die Suspendierung einer Polizeibeamtin vom Dienst bestätigt, die der Reichsbürgerbewegung nahe stehen soll. Die Reichsbürger leugnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und damit auch die Berechtigung der ihr angehörenden staatlichen Organe.

Staatsangehörigkeitsausweis statt Personalausweis

Die Göttinger Polizeibeamtin hatte ein Jahr vor ihrer Einstellung im Oktober 2016 einen neuen „Staatsangehörigkeitsausweis“ bei der zuständigen Behörde beantragt. Ihren bisherigen Personalausweis, der in der Mitte durchgebrochen war, hatte sie abgegeben. In Insider-Kreisen der Reichsbürger wird der Staatsangehörigkeitsausweis auch als „Gelber Schein“ bezeichnet.

Polizistin fühlte sich dem Königreich Preußen zugehörig

In dem Antragsformular hatte die Antragstellerin schriftlich eingetragen,

  • dass sie die preußische Staatsangehörigkeit besitze und
  • dem Königreich Preußen angehöre.

Die „Preußin“ möchte Polizistin in Göttingen bleiben

Die Polizeidirektion Göttingen erfuhr von diesem Sachverhalt im Herbst 2017 durch einen Hinweis des Verfassungsschutzes. Darauf erließ die Polizeidirektion gegen die Polizistin einer Untersagungsverfügung und entzog ihr mit sofortiger Wirkung sämtliche Dienstrechte. Hiergegen ging die Polizistin gerichtlich vor und beantragte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, sie wieder in ihre Dienste einzusetzen.

Polizistin leugnet ihre Nähe zu den Reichsbürgern

Vor Gericht begründete die Beamtin ihren Antrag mit der Behauptung, sie habe von der Reichsbürgerbewegung überhaupt noch nichts gehört. Beim Ausfüllen des Antragsformulars für die Beantragung eines neuen Ausweises habe sie sich Hilfe von einer Internetplattform geholt und entsprechend den dortigen Anweisungen ihren Antrag ausgefüllt.

Dass es sich dabei möglicherweise um eine Internetplattform der Reichsbürger oder eines den Reichsbürgern nahestehenden Anbieters handelte, habe sie nicht bemerkt. Sie habe einfach die dortigen Formulierungsvorschläge übernommen.

Wer die Existenz des Staates leugnet, kann ihm auch nicht dienen

Das VG wertete die Erklärungen der Polizistin als wenig glaubhafte Ausrede. Das Gericht wies darauf hin, dass die Polizeibeamtin immerhin über einen Fachhochschulabschluss und über zu viel Diensterfahrung verfüge, um eine dermaßen unseriöse Internetplattform wie die von dir angegebene nicht zu durchschauen. Das VG unterstellte aufgrund des Sachverhalts vielmehr,

  • dass die Polizeibeamtin davon ausgehe, noch im Königreich Preußen zu leben.
  • Damit stelle sie die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und deren Organe infrage.
  • Vor diesem Hintergrund sei es widersinnig, wenn sie für diese von ihr geleugnete Republik und die von ihr als nicht rechtmäßig anerkannten Organe tätig werden wolle. 

Abstammung bis zurück ins Deutsche Reich belegt

Das Gericht führte als wichtiges Indiz für die Nähe zur Reichsbürgerbewegung an, dass die Polizistin in ihrem Antrag gegenüber der Behörde ihre Abstammung bis zurück ins Jahr 1910 belegt habe.

  • Das VG unterstellte, dass die Antragstellerin damit ihre Zugehörigkeit zum Deutschen Reich habe unterstreichen wollen.
  • Vor diesem Hintergrund biete die Antragstellerin nicht die Gewähr dafür, sich jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzusetzen
  • und die Einhaltung der Gesetze des von ihr geleugneten Staatswesens in angemessener Weise zu überwachen und gegenüber Gesetzesübertretern durchzusetzen.
  • Beamte hätten zu ihrem Amtsantritt einen Diensteid zu leisten, in dem sie auf das Grundgesetz und die in der Bundesrepublik geltenden Gesetze schwören.
  • Wer aber die Staatlichkeit der Bundesrepublik leugne, könne diesem Staat nicht dienen. 

(VG Göttingen, Urteil v. 18.2.2018, 1 B 384/17).

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Hintergrund: 

Reichsbürger im öffentlichen Dienst sind kein Einzelfall

Der Göttinger Vorgang ist kein Einzelfall. In Bayern wurden 2016 zwei Polizisten wegen ihrer Nähe zu den Reichsbürgern vom Dienst suspendiert.

  • Der Verfassungsschutz geht zurzeit von einer im hohen zweistelligen Bereich liegende Zahl von Verdachtsfällen aus.
  • In Bayern sind derzeit gegen mutmaßliche Reichsbürger in Uniform elf Disziplinarverfahren anhängig, fünf Beamte wurden dort vom Dienst in den letzten Monaten suspendiert.
  • Bei der Bundespolizei existieren derzeit sieben Verdachtsfälle und auch innerhalb der Bundeswehr laufen mehrere Ermittlungsverfahren.

Die Reichsbürgerproblematik darf nicht verharmlost werden

Das Bundesinnenministerium geht davon aus, dass die Gruppe der Reichsbürger nicht homogen und daher die Einordnung von Einzelfällen schwierig ist. Nach den Erhebungen des BKA und des BfV – Stand 31.3. 2018 - gehören deutschlandweit ca. 18.000 Personen der Reichsbürgerszene an, lediglich 590 Personen davon werden als rechtsextrem eingeschätzt, 1.200 Reichsbürger besitzen (mit Erlaubnis) Waffen. In schmerzlicher Erinnerung ist noch der Fall, als im Oktober 2016 ein Reichsbürger in der Nähe von Nürnberg einen Polizisten erschossen und drei weitere Beamte verletzt hat. Damit wurde endgültig die Ansicht widerlegt, dass es sich bei den Reichsbürgern lediglich um einige unbelehrbare, harmlose Verrückte handeln würde. Dem Staat steht deshalb Wachsamkeit an dieser Stelle gut an.

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