Rechtsanwalt will Canabis vertickern

Immer wieder gibt es Probleme beim Laufbahnwechsel von Juristen. Nun wurde die Klage eines Anwalts auf das Recht zum Anbau und Konsum von Cannabis abgewiesen. Er trug dazu vor, das Cannabisverbot treibe Menschen sinnlos in die Kriminalisierung. Der Anwalt befindet sich im Rentenalter und möchte sich und seiner ehemaligen Klientel durch eine Spezialitätenboutique für Cannabis Gutes tun.

Bereits im Juni 2015 hat der Rechtsanwalt eine Klage beim VG Berlin eingereicht, mit dem Antrag, die Bundesregierung zu verpflichten, durch Erlass einer Rechtsverordnung Cannabis aus den Anlagen I und III des BtMG zu streichen. Das VG hat die Klage jedoch zunächst drei Jahre liegen lassen und das Verfahren erst jetzt einer Entscheidung zugeführt.

Anwalt wollte Bundesregierung zum Handeln in Sachen Cannabis zwingen

Der Anwalt stützte seine Klage auf § 1 Abs. 2 BtMG. Danach kann die Bundesregierung unter bestimmten Voraussetzungen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestags die Anlagen I und III zum BtMG ändern, d.h bestimmte Betäubungsmittel aus dem Katalog der verbotenen Substanzen heraus nehmen.

Kiffen als Teil der freien Persönlichkeitsentfaltung

Das Begehren des 69-jährigen Anwalts hatte sein Rechtsanwalt Volker Gerloff in einer fast 100 Seiten umfassenden Klageschrift dezidiert begründet. Er stellt das Cannabisverbot als überholt und deshalb nicht gerechtfertigt dar, da der Konsum für erwachsene Menschen ungefährlich sei. Gerloff sieht durch das Verbot mehrere Grundrechte seines Mandanten verletzt, u.a.

  • das Recht des Klägers auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG;
  • das allgemeine Freiheitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 2 GG, denn bei einem Verstoß gegen das Verbot drohe dem Kläger eine empfindliche Freiheitsstrafe;
  • das Recht auf freie Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG
  • sowie das Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG, da Konsumenten erlaubter, aber weitaus gefährlicherer Drogen wie Alkohol und Nikotin, grundsätzlich straffrei blieben.

Verbot von Cannabis schädlicher als Freigabe?

Darüber hinaus verwies der Kläger auf erhebliche negative Auswirkungen des Verbots. Durch seine ehemalige anwaltliche Tätigkeit in der Szene sei ihm erst klar geworden,

  • wie brutal das Gesetz Menschen in die Illegalität zwinge
  • und nicht zuletzt durch Verhängung von Freiheitsstrafen häufig zu zerstörten Lebensläufen führe.
  • Die Kriminalisierung von Cannabis lasse verzweifelte Persönlichkeiten zurück, die im realen Leben allein aufgrund der völlig unnötigen Kriminalisierung ihrer Vorlieben zum Scheitern verurteilt seien.

Anwalt hält Cannabis für nicht gefährlich

Ein wesentlicher Teil der Klageschrift besteht darin, wissenschaftlich die Gefährlichkeit von Cannabis zu widerlegen. Im Vergleich zur wissenschaftlich nachgewiesenen Gefährlichkeit von Alkohol und Nikotin sei das Cannabisverbot regelrecht absurd. Die staatliche Durchsetzung bestimmter Moralvorstellungen stehe einem demokratischen Staat nicht gut an, sondern sei eher Merkmal autoritärer Regime.

Anwalt wirft Gesetzgeber Missachtung des BVerfG vor

Darüber hinaus verwies der Kläger auf ein Urteil des BVerfG aus dem Jahr 1994. Dort habe das höchste deutsche Gericht

entschieden, dass das Cannabisverbot zwar verfassungskonform sei,

gleichzeitig habe der Senat aber die mangelhaften Grundlagen an wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Gefährlichkeit von Cannabis kritisiert

und die Bundesregierung verpflichtet, den Fortschritt der Wissenschaft auf diesem Gebiet zu beobachten und gegebenenfalls das Verbot zu überdenken (BVerfG, Beschluss v. 9.3.1994, 2 BvL 43/92, 51/92, 63/92 u.a.).

Eine solche, vom höchsten deutschen Gericht geforderte   systematische Beobachtung der Wissenschaft sei aber seither nicht ersichtlich. Daher verstoße die Bundesregierung permanent gegen das Urteil des BVerfG.

VG weist Klage ab

Das VG hat die Klage als bereits unzulässig abgewiesen. Die Kammer sah unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auch nur die Möglichkeit des Bestehens eines Rechtsanspruchs des Anwalts auf Erlass einer Rechtsverordnung durch die Bundesregierung.

  • Eine Klage auf Erlass einer bestimmten Rechtsnorm stehe einer Privatperson grundsätzlich nicht zu.
  • Selbst wenn man unterstelle, dass das BtMG in den gerügten Punkten verfassungswidrig sei, so könne nur das BVerfG den Gesetzgeber verpflichten, eine entsprechende Norm zu erlassen bzw. die bestehenden Rechtsnormen zu ändern.
  • Auf dem Verwaltungsrechtsweg sei ein solches Begehren nicht durchsetzbar.

Bundestag hat sich gegen Freigabe von Cannabis positioniert

Ergänzend verwies das VG darauf, dass der Bundestag sich in den letzten Jahren entgegen den Behauptungen des Klägers häufiger mit der Freigabe und Legalisierung von Cannabis befasst habe. Zu einer Legalisierung sei es aber nicht gekommen, weil die Mehrheit des Bundestages bisher zu einer entsprechenden Änderung der Rechtslage nicht bereit gewesen sei. Aus diesem Grunde könne die Bundesregierung sich ohnehin nicht durch Erlass einer Rechtsverordnung über diesen eindeutigen Willen des Parlaments hinwegsetzen und Cannabis aus der Liste der verbotenen Substanzen streichen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 29.6.04,2 BvL 8/02).

VG sieht auch materiellrechtlich keinen Handlungsspielraum

Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 2 BtMG, die den Erlass einer Rechtsverordnung zur Änderung der Anlagen I und III zum BtMG durch die Bundesregierung grundsätzlich vorsehe, die Streichung eines bestimmten Stoffes nur erlaube

  • wenn das betreffende Rauschmittel offensichtlich keine Relevanz mehr habe
  • oder in der Wissenschaft und in der Gesellschaft ein allgemeiner Konsens dahingehend bestehe, dass von dem betreffenden Stoff keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit ausgehe.

Ein allgemeiner Konsens sei in dieser hoch umstrittenen Frage aber weit und breit nicht in Sicht.

(VG Berlin, Urteil v. 28.11.2018, 14 K 106.15)

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Berlin ist nicht Kanada

Weltweit ist in den meisten Staaten der Anbau und Verkauf von Cannabis verboten. Erlaubt ist der Anbau und Verkauf in Uruguay und seit Oktober diesen Jahres in Kanada. In einigen weiteren Ländern werden Anbau und Verkauf geduldet. In Berlin ist in absehbarer Zeit mit solcher Liberalität wohl nicht zu rechnen. Die Bundesregierung will allerdings die Auswirkungen der Freigabe von Cannabis in Kanada genau beobachten. Vorläufig wird sich der 69-jährige Kläger allerdings damit begnügen müssen, weiter seiner seit einiger Zeit ausgeübten Rechtsberatertätigkeit im Berliner Hanfmuseum nachzugehen, die erstrebte  Fachboutique für Cannabis bleibt vorerst ein Traum.

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