Recht auf den Straßen Europas - ein buntes Gemisch

Die Farben des Rechts werden auch im Straßenverkehr trotz aller Bemühungen um Rechtsvereinheitlichung in den EU-Mitgliedstaaten immer noch stark von den landestypischen Besonderheiten der einzelnen Mitgliedsstaaten bestimmt. Die vollkommene Vereinheitlichung der verkehrsrechtlichen Bestimmungen liegt noch in weiter Ferne. Das verhilft Fahrern jenseits der eigenen Landesgrenze gelegentlich zu unvermuteten Aha-Erlebnissen.

Für Autofahrer, die innerhalb der EU häufig im Ausland unterwegs sind, ist die rechtliche Situation immer noch unübersichtlich. Abgesehen von grundsätzlichen Unterschieden wie dem Rechts- oder dem Linksverkehr existieren auch im Kleinen einige höchst unterschiedliche Regelungen, die teilweise regelrecht skurril anmuten. Die Prägung und Einfärbung des Rechts durch die jeweiligen Landessitten und Gebräuche lässt sich – vielleicht zum Glück - nicht vollständig beseitigen.

Was in folkloristischer Hinsicht möglicherweise seine Berechtigung hat, kann allerdings im Einzelfall für den Betroffenen zu erheblichen wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen für führen. Vor der Einreise in das jeweilige Land ist daher jeder Autofahrer gut beraten, sich vorher mit den landestypischen Besonderheiten des Straßenverkehrs vertraut zu machen.

EU-Promille Grenzen

So unterschiedlich die Länder, so unterschiedlich sind auch die Trinkgewohnheiten und die Einstellung zum Alkohol. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass Alkohol am Steuer in Polen grundsätzlich nur als Ordnungswidrigkeit verfolgt wird. Dies gilt dort übrigens auch für das unerlaubte Entfernen vom Unfallort. Dafür liegt in Polen die Grenze des erlaubten Alkoholkonsums bereits bei 0,2 Promille. Die Übertretung kostet umgerechnet 145 EUR. Die Promillegrenzen sind von Land zu Land immer noch höchst unterschiedlich.

In Italien, Frankreich, Österreich und der Schweiz gilt die Promillegrenze von 0,5.

Ein teurer Schluck zu viel

Überschreitungen der erlaubten Promillegrenze können in Großbritannien bis zu 5.715 EUR kosten, in Dänemark bis zu einem Monatsverdienst, in Schweden sogar darüber. In Deutschland schlägt unerlaubter Alkohol mit 500 EUR zu Buche, in Kroatien mit 90 EUR.

Lichtpflicht am Tag

In einigen EU-Ländern besteht die Verpflichtung, auch während des Tages das Licht einzuschalten, so zum Beispiel in den meisten nordischen Ländern wie Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark - was bei der dortigen Naturbeleuchtung verständlich ist - , aber seit dem 01.01.2014 auch in der Schweiz. Im südlichen Italien gilt die Verpflichtung nur außerorts, in Kroatien tagsüber nur in den Wintermonaten.

Jahreszeiten beachten

Was vielen Autofahrer nicht bekannt ist, ist das in einigen Ländern geltende Verbot von Winterreifen in den Sommermonaten. Wer nach dem 15. Mai beim Überqueren der Alpenpässe nach Italien noch mit Winterreifen unterwegs ist – was durchaus sinnvoll sein kann –, muss diese nach Passieren der italienischen Grenze gegen Sommerreifen tauschen. Die Benutzung von Winterreifen ist dann in Italien mit einem Bußgeld belegt.

Vor der Abfahrt unter's Fahrzeug schauen

Wer in Dänemark in sein Fahrzeug steigt, abfährt und hierbei eine Person verletzt, die zufällig unter dem Fahrzeug geschlafen hat, macht sich schadenersatzpflichtig. Der Autofahrer ist nämlich verpflichtet, vor der Abfahrt einen Blick unter das Fahrzeug zu werfen, um festzustellen, ob sich dort Menschen aufhalten, die beispielsweise Schutz vor Regen gesucht haben oder ob vielleicht Tiere unter dem Fahrzeug ein ruhiges Plätzchen gefunden haben. Eine eigentlich nette Geste, wenn auch in fortgeschrittenem Alter oft mühsamer. 

Andere Länder, andere Sitten: Öffentliches Pinkeln nur am Hinterreifen

Großbritannien hat ein Herz für unabwendbaren Urindrang von männlichen Autofahrern im Stau. Diesen ist es dort nämlich erlaubt, am Hinterreifen zu urinieren. Hierbei muss er allerdings vor Beginn der Aktion die rechte Hand auf die Karosserie legen, um andere Verkehrsteilnehmer auf seine Absicht hinzuweisen. Damit soll der möglicherweise im nächsten Fahrzeug befindlichen Familie mit Kindern die nötige Zeit gegeben werden, um noch rechtzeitig den Blick von dem unappetitlichen Treiben abzuwenden.

Hätten Sie's gedacht: Nacktfahren in Deutschland ist erlaubt

Wer hätte gedacht, dass es in Deutschland grundsätzlich erlaubt ist, ohne Bekleidung - also nackt - ein Fahrzeug zu führen. Begründung: Bei einem Fahrzeug handelt es sich rechtlich um einen privaten Raum, in dem der Fahrzeugführer sich deshalb grundsätzlich auch nackt aufhalten darf. Ganz unumstritten ist die Sache allerdings nicht. Frauen mit nacktem Oberkörper könnte im Falle eines Verkehrsunfalls nämlich vorgeworfen werden, andere Verkehrsteilnehmer in unangemessener Weise abgelenkt zu haben. Einem nackten männlichen Fahrer, der zum Beispiel eine Polizeikontrolle gerät, könnte der Vorwurf des Exhibitionismus gemacht werden. Überzeugten FKK`lern ist daher trotz der auch im Fahrzeug grundsätzlich geschützten Privatsphäre zur Zurückhaltung zu raten.

Resümee: In Sachen Straßenverkehr besteht im europäischen Recht also nach wie vor nicht unerheblicher Harmonisierungsbedarf. Schade wäre es allerdings, wenn durch eine rigorose Rechtsvereinheitlichung bis ins kleinste Detail auch die letzte kuriose Besonderheit des jeweiligen Systems beseitigt würde.

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