RDG verbietet Architekten Durchführung des Widerspruchsverfahrens

Architekten dürfen ihre Auftraggeber im Widerspruchsverfahren gegen die Versagung eines Bauvorbescheids nicht vertreten. Ein Verstoß hiergegen ist wettbewerbswidrig und kann von der zuständigen Rechtsanwaltskammer im Wege der Unterlassungsklage angegriffen werden.

Zu diesem Ergebnis kam jedenfalls das OLG Koblenz in einer Grundsatzentscheidung zu den einer Architektin im Rahmen einer Bauplanung erlaubten Nebenleistungen nach dem RDG.

Architektin vertritt Bauherren im Bauplanungs- und Widerspruchsverfahren

Die beklagte Architektin war mit der Planung eines Bauvorhabens auf einem einem Ehepaar gehörenden Grundstück beauftragt worden. Im Rahmen dieses Auftrags stellte sie eine Bauvoranfrage beim zuständigen Bauamt. Gegen den negativen Bescheid der Stadt legte die Architektin namens der Grundstückseigentümer Widerspruch ein und vertrat die Eigentümer auch im weiteren Widerspruchsverfahren vor dem Stadtrechtsausschuss.

Zum Aufgabengebiet einer Anwaltskammer gehört auch die Abwehr von Wettbewerbsverstößen

Die örtlich zuständige RAK verklagte darauf die Architektin auf Unterlassung wegen des Erbringens einer unerlaubten Rechtsdienstleistung. Mit ihrer Klage war die RAK über zwei Instanzen erfolgreich. Das OLG beantwortete die Frage der Zulässigkeit der Klage durch die RAK zugunsten der Kammer.

Nach der Bewertung des OLG obliegt den Rechtsanwaltskammern auch die Förderung der gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder. Der Funktionsbereich einer RAK umfasse sämtliche Belange der Anwaltschaft, die den Berufsstand als Ganzen berühren. Hierzu gehöre auch die Abwehr von Gesetzesverletzungen und Wettbewerbsverstößen.

Anspruch der RAK auf Unterlassung wegen unlauteren Wettbewerbs

Das OLG bejahte einen Unterlassungsanspruch der RAK wegen unlauteren Wettbewerbs gegen die Beklagte. Dies folge sowohl aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Abs. 3 Nr. 2, § 3 a UWG als auch aus § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr., 8, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG in Verbindung mit § 3 RDG.

Schutz der Allgemeinheit vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen

§ 3 RDG stellt die selbständige Erbringung außergerichtliche Rechtsdienstleistungen unter den Vorbehalt ausdrücklicher gesetzlicher Erlaubnis. Unter den Begriff der Rechtsdienstleistung fällt nach der Entscheidung des OLG

  • jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten,
  • die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls
  • sowie eine konkrete und nicht bloß schematische rechtliche Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen Rechtsvorschriften erfordert.

Das darin u.a. enthaltene Rechtsanwaltsprivileg solle die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen schützen.

Vertretung im Widerspruchsverfahren ist Rechtsdienstleistung

Die Vertretung der Grundstückseigentümer im Widerspruchsverfahren bewertete das OLG als eine Rechtsdienstleistung, die über eine bloß schematische Rechtsanwendung ohne weitere Rechtsprüfung hinausgeht. In dem Widerspruchsverfahren gegen die Bauvoranfrage gehe es um individuelle, einzelfallbezogene Ansprüche aus dem Bereich des öffentlichen Baurechts sowie des damit zusammenhängenden Kostenrechts.

Widerspruch ist keine eigene Angelegenheit der Architektin

Die Vertretung erfolge entgegen der Auffassung der Beklagten im Interesse Dritter, nämlich der Bauherren. Die Tatsache, dass die Beklagte selbst die Bauvoranfrage gestellt habe, mache das Verfahren nicht zu ihrer eigenen Angelegenheit. Auch die Bauvoranfrage habe bereits im wesentlichen dem Interesse der Grundstückseigentümer gedient.

Rechtsdienstleistungen können ausnahmsweise als Nebenleistung gestattet sein

Nach Auffassung des OLG war die Vertretung im Widerspruchsverfahren auch nicht gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubt. Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit gestattet, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Leistungserbringers gehören.

Was ist eine Nebenleistung i.S.d.  RDG?

Ob eine Nebenleistung vorliege, richte sich nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der vorhandenen Rechtskenntnisse. Entscheidend für die Beurteilung sei, ob die Rechtsdienstleistung innerhalb der Gesamtleistung ein solches Gewicht hat, dass sie die volle Kompetenz eines Rechtsanwalts oder die besondere Sachkunde einer registrierten Person erfordere.

Widerspruchsverfahren gehört nicht zum Kernbereich der Architektentätigkeit

Im Hinblick auf die nach Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit ist die Ausnahmevorschrift nach Auffassung des OLG eher weit auszulegen. Die Vertretung im Widerspruchsverfahren gehöre aber auch bei großzügiger Auslegung nicht zum Berufs- und Tätigkeitsbild eines Architekten. In einem Widerspruchsverfahren im Bereich des öffentlichen Baurechts seien typischerweise qualifizierte Rechtskenntnisse im Baurecht und auch im Verwaltungsprozessrecht erforderlich, denn ein solches Widerspruchsverfahren bilde häufig die Vorstufe für eine sich anschließende Klage. Außerdem gehöre die Vertretung im Widerspruchsverfahren allenfalls zum Randbereich des Architektenberufs.

Wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegeben

Nach der Bewertung des OLG handelt es sich bei § 3 RDG um ein Verbraucherschutzgesetz sowie um eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG. Der Verstoß führe zu einer Beeinträchtigung der Interessen der übrigen Marktteilnehmer (Rechtsanwälte). Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei zu bejahen, denn die Beklagte zeige durch ihr Verhalten, dass sie sich im Recht fühle und auch zukünftig in ähnlichen Fällen auf diese Weise verfahren wolle.

Revisionsverfahren vor dem BGH anhängig

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beklagte hat Revision eingelegt. Das OLG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit die Revision zum BGH zugelassen.

(OLG Koblenz, Urteil v. 4.12.2019, 9 U 1067/19).

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Hintergrund: Wann liegt eine zulässige Nebentätigkeit vor?

Zwar sind gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 RDG Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebentätigkeit zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören.

Ob eine Nebentätigkeit vorliegt, ist nach Inhalt, Umfang und sachlichem Zusammenhang der Leistung mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.

Die Anmeldung gewerblicher Schutzrechte, die erhebliche Anforderungen an die Rechtsberatung stellt, gehört hierzu nicht, betonten die Karlsruher Richter.

  • Sind für die Haupttätigkeit eines Dienstleisters (hier: eines Entwicklungsingenieurs) Rechtskenntnisse kaum erforderlich,
  • könne nicht angenommen werden, dass eine Rechtsdienstleistung, die erhebliche Anforderungen an die Rechtsberatung stellt (hier: Anmeldung gewerblicher Schutzrechte),
  • als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Haupttätigkeit gehört und deshalb nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt ist.

Macht der Dienstleister das Gegenteil geltend, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urteil vom 31.3.2016, I ZR 88/15).

Schlagworte zum Thema:  Rechtsanwaltskammer, Rechtsdienstleistung